Fokusanalyse

Russlands Wirtschaftsbeziehungen zu Vietnam und Nordkorea

Während Russland und vor ihm die Sowjetunion mit der Sozialistischen Republik Vietnam seit Jahrzehnten enge und vielfältige Wirtschaftsbeziehungen unterhalten hatten, belief sich Russlands Handel mit Nordkorea seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Bündnissystems nicht einmal auf 100 Mio. US-Dollar jährlich. Gestern besuchte der russische Präsident Präsident Wladimir Putin Nordkorea (siehe Bild), heute ist er in Vietnam.

Vietnam verzeichnet seit 20 Jahren hohe Wachstumsraten. Seit 2016 ist das Freihandelsabkommen zwischen der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und Vietnam in Kraft. 2021 hatte das russisch-vietnamesische Handelsvolumen laut russischer Zollstatistik rekordhohe 7,1 Mrd. US‑Dollar erreicht, mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zum Handelsumfang zehn Jahre zuvor. Im vergangenen Jahr lag der russisch-vietnamesische Handel nach Angaben von Jurij Uschakow, dem außenpolitischen Berater von Wladimir Putin, bei ca. 5 Mrd. US-Dollar, nach 4,6 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022.

Das Herzstück der russischen Wirtschaftsbeziehungen mit Vietnam ist das Joint Venture Vietsovpetro, das seit 1981 auf dem vietnamesischen Festlandsockel insgesamt 248 Mio. Tonnen Erdöl sowie 39 Mrd. Kubikmeter Erdgas gewonnen hat. Die Förderlizenz des Unternehmens wurde zuletzt im vergangenen Jahr bis Ende 2033 verlängert. 2008 wurde Rusvietpetro gegründet, ein weiteres russisch-vietnamesisches Joint Venture, das Ölfelder in Russland im Autonomen Bezirk der Nenzen erschließt. 2009 riefen der russische Erdgasriese Gazprom und der vietnamesische JV-Partner Petrovietnam ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen, Gazpromviet, ins Leben, das ebenfalls im Jamal-Nenzen-Bezirk sowie im Gebiet Orenburg Öl und Gas fördert.

Zudem sind in Vietnam mehrere Wasserkraftwerke unter Beteiligung russischer Unternehmen gebaut worden. Russland und Vietnam hatten 2011 ein Abkommen über den Bau von zwei Blöcken des 2,4-Gigawatt-Kernkraftwerks Ninh Thuan-1 in der gleichnamigen Küstenprovinz im Osten Vietnams unterzeichnet. Fünf Jahre später verzichtete die vietnamesische Regierung jedoch auf ihre Kernkraftwerkspläne. 2022 unterzeichnete der russische Kernenergiekonzern Rosatom mit dem vietnamesischen Unternehmen An Xuan Energy eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Windenergie, in deren Rahmen unter anderem ein 128-Megawatt-Windpark in der Provinz Son La im Nordwesten Vietnams gebaut werden soll.

Als größter Einzelinvestor Vietnams in Russland gilt der Milchkonzern TH Group. Seit 2018 betreibt dieser eine große Molkerei im Nordwesten des Gebiets Moskau. Derzeit baut das vietnamesische Unternehmen zwei weitere Molkereien in Russland: im Gebiet Kaluga sowie in der fernöstlichen Region Primorje.

Gegen das kommunistisch regierte Nordkorea hatten die Vereinten Nationen seit 2006 wiederholt Sanktionen verhängt. Entsprechende Resolutionen hatte auch Russland unterschrieben. Dem auf Risikoanalysen spezialisierten Beratungsunternehmen RANE mit Sitz im amerikanischen Boston zufolge könnte sich Russland während des Besuchs Putins in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang verpflichtet haben, das nordostasiatische Nachbarland aktiver technologisch und wirtschaftlich zu unterstützen. Als Gegenleistung könnte Nordkorea seine Lieferungen von Artilleriegeschossen und anderer Munition nach Russland fortsetzen. Wenn es den Delegationen beider Länder gelingen sollte, sich auf den Einsatz von zusätzlichen Geringqualifizierten aus Nordkorea auf Baustellen und in Betrieben in Russland zu einigen, wäre das für beide Seiten ein Gewinn, schätzen die RANE-Analysten: Russland könnte so seinen Arbeitskräftemangel etwas lindern, während Nordkorea ein Zufluss von harter Währung zugutekäme.

„Putins Ziel ist es, Munition für den Krieg zu beschaffen. Kims Ziel ist es, der Abhängigkeit von der Volksrepublik China zu entkommen, die auf Kosten Russlands nahezu das Monopol im Außenhandel Nordkoreas innehat,“ schreibt Fjodor Tertizki, der an der privaten Kookmin University in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul forscht. „China wird die Verhandlungen beobachten. Es ist unwahrscheinlich, dass die Parteien etwas tun werden, das China nicht genehmigen wird,“ urteilt der Experte.

Für Moskau und Pjöngjang sei Zusammenarbeit eine „rationale Entscheidung“, sagte Cui Heng vom Zentrum für Russlandforschung an der East China Normal University gegenüber der englischsprachigen chinesischen Zeitung Global Times. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums hatte im Vorfeld des Nordkorea-Besuchs Putins verlauten lassen: „China begrüßt es, dass Russland seine Beziehungen zu Ländern festigt und ausbaut, mit denen es traditionell befreundet ist.“

Quellen: Kremlin 1, 2 (RU), Zoll RF (RU), TASS (RU), Agroinvestor (RU), SCR (EN), RBC (RU), Stratfor (EN), ZDF, Global Times (EN)