Fokusanalyse

Russischer Fast-Food-Markt

Der Fast-Food-Markt in Russland ist im vergangenen Jahr nach einem Rückgang in 2022 stark gewachsen. Die Zahl der Verkäufe und der Umsatz der drei führenden Fast-Food-Ketten Wkusno-i-Totschka, Rostic’s und Burger King stieg um rund 25%, während die durchschnittliche Rechnung um 11% auf 463 Rubel anwuchs, umgerechnet etwa 4,50 Euro. Auch für dieses Jahr zeichnet sich ein deutliches Plus der Branche ab.

Analysten von Check Index haben für die Zeitung Kommersant berechnet, dass die Anzahl der Bestellungen in Fast-Food-Ketten im Januar 2024 um 7% gegenüber dem Vorjahr höher lagen. Dabei schneidet Moskau mit einem plus von 5% schlechter ab, als der Rest des Landes. Die Durchschnittsrechnung für Fast-food stieg in Moskau um 8%, in den Regionen um mehr als 11%.

Den Spitzenplatz beim Umsatzwachstum im Fast-Food-Segment erreichte die Kette Wkusno-i Totschka, das frühere McDonald‘s. Die Muttergesellschaft, Sistema PBO, konnte den Umsatz 2023 auf 155,7 Mrd. Rubel, rund 1,5 Mrd. Euro, mehr als verdoppeln. Nach dem Rückzug des amerikanischen multinationalen Konzerns eröffnete der sibirische Geschäftsmann und frühere McDonald’s-Franchise-Nehmer Alexander Gowor Anfang Juni 2022 die ersten Filialen unter dem Namen Wkusno-i-Totschka (Einfach lecker) wieder. Im vergangenen Jahr wurden alle früheren Standorte wiedereröffnet und 35neue Restaurants hinzugefügt. Auch die Wiederaufnahme des Lieferservices trug zur positiven Entwicklung bei. Die Kette expandierte aggressiv, auch in entlegene Gebiete, in denen McDonald’s zuvor nicht präsent war. Mittlerweile ist die Zahl der Filialen auf 885 in 64 russischen Regionen angewachsen. Wkusno-i-Totschka, kündigte zudem an, jährlich mindestens 50 neue Filialen eröffnen zu wollen. Angesichts der positiven Entwicklung der Gastronomie außerhalb der russischen Hauptstadt planen viele Restaurants, ihre Präsenz dort auszubauen.Das reale inflationsbereinigte Durchschnittsgehalt in Russland stieg 2023 um 7,8%, so stark wie seit 2018 nicht mehr. Damals war es um 8,5% gewachsen. Seit dem Vorsanktionsjahr 2013 haben sich die Realgehälter fast ununterbrochen positiv entwickelt, selbst im ersten Corona-Jahr 2020 und im Umbruchsjahr 2022, als das Wachstum 3,8% sowie 0,3% betrug. Im Jahr 2015, als die Folgen der ersten westlichen Sanktionen deutlich zu spüren waren, war es jedoch zu einem signifikanten Einbruch um 9% gekommen.

Wenn man sich an diesen Zahlen der russischen Statistikbehörde Rosstat orientiert, so verdiente ein russischer Beschäftigter 2023 im Schnitt real um 27% mehr als zehn Jahre früher. Seit dem Vor‑Corona-Jahr 2019 verbesserte sich die Durchschnittsentlohnung real um 7%. Noch aussagekräftiger dürfte sein, dass sich das Bruttomediangehalt pro Monat von 420 Euro im Jahr 2019 vier Jahre später um 16% auf 489 Euro vergrößerte, obwohl der Rubel in diesem Zeitraum um 26% abwertete: War ein Euro im Durchschnitt des Jahres 2019 noch 72,5 Rubel wert, waren es 2023 bereits 91,6 Rubel.
Burger Rus LLC, der Betreiber von Burger King, verzeichnete im vergangenen Jahr einen Umsatzanstieg um 8% auf 74,4 Mrd. Rubel, etwa 750 Mio. Euro. 2022 war Burger King, das im Gegensatz zu seiner Konkurrenz weiterhin unter dem internationalen Namen arbeitet, um 40% im Vergleich zu 2021 gewachsen. Zahlreiche Fast-Food-Kunden wechselten 2022 aufgrund der zeitweise geschlossenen McDonald's-Filialen zu Burger King, das durchgehend geöffnet blieb.

Das Unternehmen Unirest, früher Teil des amerikanischen Fast-Food-Imperiums „Yum! Brands“, welches in Russland KFC / Rostic's betreibt, erzielte einen Umsatz von 20,1 Mrd. Rubel, 200 Mio. Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 17% im Vergleich zu 2022.

Der McDonald‘s-Nachfolger „Einfach lecker“ erreichte 2023 mit einem Nettogewinn von rund 140 Mio. Euro einen Rekordwert. 2022 hatte das Unternehmen nach dem Rückzug von McDonald‘s mehr als 100 Mio. Euro Verlust gemacht. Experten erklären, dass die große Gewinnsteigerung außerdem durch Zahlungen von Franchisenehmern beeinflusst worden ist, die zuvor an die ausländische Muttergesellschaft von McDonald's abflossen. KFC / Rostic's erreichte 2023 ein Nettogewinnwachstum von 175% auf umgerechnet 35 Mio. Euro. Demgegenüber sank der Gewinn von Burger King um 27% gegenüber dem Vorjahr auf rund 17 Mio. Euro.
Regionen wachsen schneller als Moskau
Analysten von Check Index haben für die Zeitung Kommersant berechnet, dass die Anzahl der Bestellungen in Restaurants und Bars in Russland im Januar 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9% gestiegen ist. Fast-Food-Einrichtungen schnitten traditionell besser ab. Klassische Gastronomiebetriebe verzeichneten eine Steigerung der Einkäufe um 7%. In der Hauptstadt erhöhte sich die Zahl der Bestellungen in Restaurants und Bars im selben Zeitraum um nur 2%. Fast-Food-Restaurants steigerten ihre Bestellungen um 5%. Die Durchschnittsrechnung stieg in Moskau um 8%. In den Regionen um 11%.
Die regionalen Besucherzahlen könnten laut den Experten auch durch die eingeschränkten Möglichkeiten für Auslandsreisen beeinflusst worden sein, die teurer und komplizierter geworden sind. Viele Menschen blieben im Januar zu Hause oder reisten innerhalb des Landes, erklärt Henrik Winther, Miteigentümer der Tigrus Holding, der Muttergesselschaft von in Russland bekannten Franchise-Restaurants wie „Osteria Mario“, „Zest“ und „Shvili – Georgian Bistro“. Angesichts der positiven Entwicklung der Gastronomie auch außerhalb der russischen Hauptstadt planen viele Ketten, ihre Präsenz in den Regionen auszubauen. Jewgenij Nichipuruk, Gründer der Rakovaya Gastrobars, möchte mit Franchise-Partnern über Moskau hinaus expandieren.

Das Interesse an Gastronomieprojekten werde laut Experten nicht nur in Städten mit über einer Million Einwohnern zunehmen, sondern auch in kleineren Städten. Die Tigrus Holding erwägt, Niederlassungen in Smolensk, den Kurorten des Nordkaukasus und im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen zu eröffnen. Unirest, das die Marken Rostic's und KFC in Russland führt, sieht auch in Kleinstädten unter 100.000 Einwohnern gute Entwicklungschancen.

Krisenjahr 2022: Verkäufe und neue Konkurrenten
Im August kauften die Geschäftsleute Anton Pinsky und der bekannte Rapper Timati 159 Pizzerien, die zuvor unter der Marke Domino's Pizza geführt wurden. Die Kette wurde in „Domino Pizza“ umbenannt. Schon im Jahr 2022 übernahmen Pinsky und Timati die Anteile des amerikanischen Kaffee-Kette Starbucks in Russland. Seit dem Rückzug westlicher Fast-Food-Riesen betreten neue Akteure aus der Türkei den russischen Markt. Im Zeitraum 2023-2024 plant beispielsweise Gagawa, ein Schnellrestaurant, das auf Hühnchen spezialisiert ist, etwa 6 Mio. Euro in den Aufbau einer Restaurantkette in Russland zu investieren. Das Unternehmen zielt darauf ab, bis zu 300 neue Filialen zu eröffnen. Ein Vertreter des Unternehmens erklärte gegenüber der Wirtschaftszeitung RBC, dass sie in den nächsten zwei Jahren 25 Restaurants eröffnen möchten. Ziel der Türken ist es, in den nächsten 5 bis 10 Jahren 300 neue Standorte zu schaffen. Zusätzlich plant Gagawa bei Erreichen von 50 bis 60 Restaurants, Produktionsstätten in der Nähe von Moskau zu errichten. Derzeit betreibt das Unternehmen einen Produktionskomplex in der tatarischen Hauptstadt Kasan. Dort wird das Hauptprodukt, Hühnchen, verarbeitet und an die Restaurants geliefert. Neben den geplanten Neueröffnungen nahe Moskau soll die Expansion russische Städte wie Kasan und Nischni Nowgorod, sowie Jekaterinburg und Krasnodar umfassen.
Ebenfalls im nächsten Jahr wird Big Chefs, spezialisiert auf türkische und internationale Küche, etwa 10 neue Restaurants in Russland eröffnen. Natalija Kermedchieva, Leiterin für neue Marken bei der Vereinigung der Einkaufszentren, berichtet, dass Big Chefs bereits in anderen GUS-Staaten aktiv ist, bisher aber nicht in Russland. Das Unternehmen, das 2007 sein erstes Restaurant in Ankara eröffnete, betreibt rund 130 Standorte. Neben der Türkei sind die Restaurants auch in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und Saudi-Arabien vertreten. In den vergangenen zwei Jahren zogen sich viele der etablierten westlichen Marken vom russischen Markt zurück.

Russland im Vergleich mit GUS-Staaten
Alle Länder der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) sahen 2023 einen Anstieg der Fast-Food-Verkäufe, ausgedrückt in US-Dollar. Ein Rückgang war lediglich in Russland zu verzeichnen, bedingt durch die Abschwächung des Rubels. In Landeswährungen gibt es aber in allen Staaten ein zweistelliges Wachstum der Branche, in Russland mit 12%,in Kasachstan mit 25% und in Weißrussland mit 10,2%. Auch in Usbekistan, Armenien, Kirgisistan und Aserbaidschan wurden ähnliche Wachstumsraten festgestellt. In Armenien und Kirgisistan wird die Dynamik durch einen Anstieg der Kundenzahlen angetrieben, vor allem durch Touristen und Migranten aus Russland. Insgesamt befindet sich die öffentliche Gastronomie in Zentralasien noch in der Entwicklungsphase. Laut den Branchenanalytikern von INFOLine wird dieses Segment in den kommenden Jahren aufgrund verschiedener Faktoren stark wachsen. Zu diesen zählen das Bevölkerungswachstum in Kasachstan von 18% in den vergangenen 13 Jahren und die Entstehung neuer Gastronomieketten in der Region. Der Tourismussektor zeigt ebenfalls eine aktive Entwicklung. So stiegen die Touristenzahlen in Usbekistan um 26,6% im Vergleich zum Vorjahr, Kirgisistan verzeichnete einen fünffachen Anstieg des Toursitenstroms.Ein weiterer Faktor des Lohn- und Preiswachstums in Russland ist die seit der Corona-Krise 2020–21 zunehmend sozial orientierte Wirtschaftspolitik des Staates. Das gesetzlich vorgeschriebene Mindestgehalt ist in den vergangenen Jahren spürbar erhöht worden, von 11.280 Rubel (156 Euro) im Monat im Jahr 2019 auf 19.242 Rubel (derzeit umgerechnet 194 Euro) im laufenden Jahr. Seit 2021 wird die Höhe des gesetzlichen Mindestgehalts anhand des Mediangehalts festgelegt.

Die realen Erhöhungen des Mindestgehalts sind einer der Gründe dafür, dass die Dynamik der Löhne und Gehälter im vergangenen Jahrzehnt deutlich positiver war als die Einkommensentwicklung. Es fällt auf, dass die verfügbaren Realeinkommen der russischen Haushalte trotz der erhöhten Sozial-leistungen für einkommensschwache Familien auch 2023 noch um 1,4% unter dem Wert von 2013 lagen, obwohl sie gegenüber 2022 um 5,4% wuchsen.
Der russische Markt für Fast-Food ist im Vergleich zuden anderen GUS-Ländern reifer und um ein Vielfaches größer als der kasachische Markt, der der zweitgrößte ist. Experten der Marktanalysten von INFOLine betonen das Interesse russischer Restaurantketten und -franchises am zentralasiatischen Markt. Marken wie „Schokoladnitsa“, „Yakitoria“ und „Osteria Mario“ planen, in der Region zu expandieren. Diese Expansion verspricht höhere Einnahmen und Gewinne, da die Kosten für Miete, Material und Lohn in den Nachbarländern niedriger sind und der Wettbewerb geringer ist.

Franchise-System und Monopolisierung
Laut der russischen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ hat sich die Anzahl der Fast-Food-Franchises unter den 30 profitabelsten Franchise-Unternehmen in Russland zwischen 2022 und 2023 verringert. Während im Jahr 2022 noch sieben Fast-Food-Franchises in dieser Liste vertreten waren, darunter Dodo Pizza, Papa John's, Cofix, IL Patio, Sushi Market, Lawasch und Gelateria Plombir, sind es 2023 nur noch drei: Dodo Pizza, Cofix und Gelateria Plombir.

„Viele Anleger erwägen den Kauf einer Franchise als Alternative zum Aktienmarkt und zu Anlageinstrumenten, von denen einige in den Jahren 2022–2023 an Bedeutung verloren haben“, erklärt Michail Koltsow, Direktor der Franchising-Abteilung der Pyaterochka-Supermarktkette. „Die Gründung eines Unternehmens war schon immer eine beliebte Art der Kapitalanlage, aber Franchising ermöglicht es Ihnen, das Risiko zu reduzieren und durch ein bewährtes Geschäftsmodell eine Kapitalrendite zu erwarten.“

„Im Jahr 2023 ist die Nachfrage nach Franchises deutlich gestiegen, weil die Menschen in der aktuellen Wirtschaftslage viel mehr Angst davor haben, ins Unbekannte zu gehen“, sagt Sergeij Goncharow, Direktor der Franchising-Abteilung von Kroshka Kartoshka . „Gleichzeitig bleibt der Wunsch bestehen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Den Menschen wurde klar, dass sie in etwas investieren müssen, das offensichtlich zuverlässig und profitabel ist. Franchise-Unternehmen eignen sich hervorragend dafür.“
Eine von der Tageszeitung Kommersant veröffentlichte Studie hat jedoch offenbart, dass die Nachfrage nach Franchise-Gründungen im vierten Quartal 2023 um 8% im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. Dies sei ein Indiz für zunehmende Angst und Unsicherheit unter Unternehmern, so Jewgenij Nitschipuruk, Gründer der Gastrobar-Kette Rakovaya.

Der Rückgang ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, die das Interesse der Investoren an der Eröffnung neuer Restaurants dämpfen. Dazu gehört ein spürbarer Personalmangel, der das Geschäftsfeld weiter erschwert. Elena Perepelitsa, CEO von RestCon, weist darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt in den letzten zwei Jahren dramatisch gewandelt hat. War die Lage zuvor noch stark zugunsten der Arbeitgeber verzerrt, so sind heute die Gehaltserwartungen von Personal und mittlerem Management deutlich gestiegen, während gleichzeitig die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal abnimmt. Tatjana Kornijenko, Marketingdirektorin des Stardogs-Netzwerks, fügt hinzu, dass eine baldige Verbesserung der Situation unwahrscheinlich sei, insbesondere aufgrund der fortschreitenden Abwanderungswelle aus Zentralasien. „Es gibt mehr Besucher, aber es gibt nicht genug Arbeitskräfte. Daher müssen Unternehmer regelmäßig die Löhne des Personals wie Kassierer, Köche und Kuriere um 10–15% erhöhen, um eine unterbrechungsfreie Arbeit zu gewährleisten und die erforderliche Anzahl von Mitarbeitern im Personal zu halten.“

Unirest, der Eigentümer der Rechte an der Marke Rostic steht im Mittelpunkt bedeutender Franchise-Entwicklungen. Nachdem das amerikanische Mutterunternehmen Yum! Brands seine Geschäfte in Russland aufgegeben hatte, übernahm das von Konstantin Kotov und Andrey Oskolkov geleitete Ischewsker Franchisenehmer-Netzwerk „Smart Service“ die Geschäfte und benannte das Unternehmen in „Unirest“ um. Seit April 2023 arbeitet Unirest an der Umbenennung seiner KFC-Standorte in Rostic's, wobei die vollständige Umwandlung aller 1160 Filialen bis zum Ende des ersten Quartals 2024 abgeschlossen sein soll.

Nicht alle Franchisenehmer unterstützen die neue Markenstrategie. Hey Kay Russia LLC, das etwa 100 Filialen betreibt, hat entschieden, seine Restaurants nicht in „Rostic's“ umzubenennen und plant, mindestens bis 2035 unter dem Namen KFC zu operieren. Eine Umbenennung könnte laut Experten einen Kundenrückgang um bis zu 20% verursachen, da Rostic's bei den Verbrauchern weniger bekannt ist als die etablierte Marke KFC.

Die Expansions- und Akquisitionspläne von Unirest sind weiterhin ambitioniert. Das Unternehmen führt Verhandlungen über die Übernahme von AK Russia LLC, einem weiteren großen Franchisenehmer. Dieser Schritt könnte als Signal für andere Franchisenehmer dienen, ähnliche Verkäufe zu erwägen, besonders da viele Franchisenehmer nicht bereit sind, die hohen Lizenzgebühren für die Nutzung der Marke Rostic's zu zahlen.

Insgesamt wächst in Russland in den vergangenen Jahren nicht nur das Fast-Food-Segment, sondern auch der gesamte Gastronomiemarkt.
Quellen: Kommersant 1, 2, 3 ,4 (alle RU), CNN (EN), retail.ru 1,2,3, Forbes (alle RU)