Die russische Produktion von Alkohol wächst insbesondere bei niedrig alkoholhaltigen Getränken wie Wein oder Bier. Russen konsumieren immer weniger hochgradigen Alkohol wie Wodka in reiner Form und folgen dem globalen Trend, alkoholische Mischgetränke zu bevorzugen. In den vergangenen 10 Jahren hat sich der Anteil der Alkoholkranken um das Dreifache verringert, stieg im Krisenjahr 2022 aber zum ersten Mal seit 2010 wieder leicht an.
Russlands größte Alkoholimoprteure Die russischen Einzelhändler haben sich im Jahr 2023 als die größten Alkoholimporteure in Russland etabliert. Dies geht aus den verfügbaren Daten der Marktteilnehmer hervor, die der Wirtschaftszeitung Kommersant vorliegen. Die X5-Gruppe, die unter anderem die Supermarktketten Pyaterochka und Perekrestok betreibt, hat ihre Gesamtimporte von Wein und Spirituosen um 18 % auf 44,4 Mio. Liter erhöht. Damit war die X5-Gruppe der grüßte Alkoholimporteur vor Mercury Retail (Betreiber der Alkoholfachhandelsgeschäfte Bristol und Krasnoe & Beloye) welcher 37,9 Mio. Liter importierte. Die Supermarktkette Magnit hat seine Importe um 83% auf 28,5 Mio. Liter gesteigert. Die Zahlen beinhalten keine Importe aus Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU).
Ausländische Alkohollieferanten arbeiten mit Kunden aus Russland zumeist auf Vorauszahlungsbasis zusammen. Die X5-Gruppe sagte, dass sie das Angebot an Weinen aus Georgien, Aserbaidschan, Südafrika, Argentinien und Armenien erhöhen und gleichzeitig die Importmengen aus Europa aufrechterhalten konnte. Im Jahr 2024 plant der Marktführer außerdem, Importe aus asiatischen und lateinamerikanischen Ländern zu entwickeln.
Russischer Weinmarkt Der russische Weinmarkt wächst. Von Januar bis Mai wurden 13,3 Mio. Deziliter Traubenwein produziert, ein Anstieg von 17,2% im Vergleich zum Vorjahr. Besonders stark steigt die Produktion von Schaumweinen (Sekt, Champagner) um 28,8% auf 3,1 Mio. Dekaliter sowie der Likörweine, deren Produktion sich von einer niedrigen Basis auf 654.300 Dekaliter nahezu verdoppelte. Spitzenreiter beim Weinkonsum ist St. Petersburg mit 11 Liter pro Kopf, fast doppelt so viel wie im Landesdurchschnitt.
Insgesamt produzierten Unternehmen in der Alkoholbranche in Russland von Januar bis Mai 75,3 Mio. Dekaliter alkoholische Produkte, ausgenommen Bier – ein Anstieg von 13,5% im Vergleich zum Vorjahr. Besonders die heimische Produktion – von Schaum- und Likörweinen zeigt signifikante Zuwächse. Russische Hersteller exportierten Flaschen im Wert von 60 Mio. Euro, wobei Kasachstan als größter Abnehmer davon Flaschen im Wert von 5 Mio. Euro importierte. Zu den weiteren Top-Importeuren gehörten Georgien (4 Mio. Euro) und Aserbaidschan (3,5 Mio. Euro).
Weinimporte Die Länder der Europäischen Union haben ihre Weinlieferungen nach Russland im März 2024 auf 25.500 Tonnen erhöht. Dies stellt den höchsten Wert seit Dezember 2022 dar, als 30.000 Tonnen importiert wurden. Der Anteil der importierten Weine aus sogenannten unfreundlichen Ländern in Russland beträgt 64%. Die Preise für importierten Wein stiegen nach der Einführung neuer Zölle im August 2023 deutlich. Vor einem Jahr lag der Zoll bei 12,5%, jetzt sind es 20%. Der Verband der Winzer Russlands fordert, die Einfuhrzölle auf Wein aus NATO-Ländern auf 200% zu erhöhen und die Präferenzregelung für georgischen Wein aufzuheben. Maxim Tschmora, Leiter des Zolldienstes Russlands, erwähnte auf dem Forum „Russian Retail Week“ Anfang Juni, dass über eine weitere Erhöhung der Zölle auf diese Weine diskutiert wird.
In den vergangenen Jahrzehnten kamen etwa 50% der russischen Weinimporte aus Italien und Spanien, Frankreich spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle. Seit 2022 ändert sich diese Dynamik. Georgien steigerte seine Weinlieferungen um mehr als 60% auf 24 Mio. Liter und nimmt damit souverän den ersten Platz unter den Importeuren ein. Laut Experten könnten auch die Weinimporte aus China steigen, da das Reich der Mitte inzwischen weltweit die zweitgrößte Weinanbaufläche besitzt.
Wein-Zukunftspläne Im Rahmen einer Podiumsdiskussion am Rande des Internationalen Sankt Petersburger Wirtschaftsforums Anfang Juni zum Thema „Russischer Wein als nationaler Schatz“ wurden Maßnahmen zur Unterstützung der Branche und zur Steigerung der Attraktivität des russischen Weins diskutiert. Dmitri Kiselew, Vorsitzender des Verbandes „Föderale Selbstregulierungsorganisation der Winzer und Winzer Russlands“ und bekannter Fernsehjournalist, erklärte, dass 51% der Käufer in Russland hergestellte Weine bevorzugten.
Kirill Levin, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rosselkhozbank, wies in der Diskussion darauf hin, dass russischer Wein im Einzelhandel bereits mehr als 50% des Marktes abdeckt und in den nächsten drei Jahren einen Anteil von 70% erreichen könnte. Die Weinherstellung gilt aufgrund staatlicher Unterstützung und Wachstumspotenzial als investitionsattraktive Branche. Der Präsidentenberater Boris Titow, Besitzer der Kultmarke Abrau-Durso, sprach über die Diversifizierung der Vertriebswege, einschließlich des Exports in asiatische Märkte.
Russischer Biermarkt Die russische Bierproduktion wuchs im ersten Quartal 2024 um knapp 10%. Laut dem Dienst für Alkoholqualität, Rosalkogoltabakcontrol, wurden 169,7 Mio. Deziliter Bier produziert. Stärker als die Bierproduktion stieg lediglich die Produktion von Apfelwein und anderen leichten alkoholischen Getränken. Das Wachstum bei dieser Getränkegruppe liegt bei 12,2%. Auch der Einzelhandelsverkauf von Bier legte zu: Von Januar bis März stieg der Verkauf im Jahresvergleich um 5,3% auf 156 Mio. Deziliter.
Laut Pjotr Schelisch, dem Vorsitzenden des russischen Verbraucherverbandes, haben die führenden Hersteller die Preise um 8-10% erhöht. Der durchschnittliche Bierpreis für ein 0,5 Liter Bier beträgt rund 60 Cent. In den vergangenen zwei Jahren verließen einige ausländische Biermarken den russischen Markt, beispielsweise Heineken. Ihre Produktionsstätten wurden von russischen Herstellern übernommen und sind weiterhin in Betrieb. Der Anteil lokaler Marken liegt laut den Marktanalysten von NielsenIQ stabil bei 67%.
Deutsche Biere weiterhin beliebt Deutschland ist weiterhin der wichtigste Bierlieferant für Russland. Die deutschen Bierhersteller TCB Beverages, Oettinger und die Privatbrauerei Eichbaum dominieren den Export nach Russland. Die Lieferungen deutschen Biers beliefen sich im Vorkrisenjahr 2021 auf knapp 2,2 Mio. Hektoliter. Nach einem Rückgang im Jahr 2022 auf 1,7 Mio. Hektoliter stiegen die Exporte 2023 um 11% auf gut 1,9 Mio. Hektoliter. Damit war Russland 2021 hinter Italien das zweitwichtigste Ausfuhrland für deutsche Brauereien.
Wadim Drobiz, Direktor des Forschungszentrums für föderale und regionale Alkoholmärkte, betont, dass Bier das wichtigste alkoholische Getränk in Russland bleibe und etwa 80% des Alkoholmarktes ausmache. Andere EU-Länder wie Belgien, Spanien und Tschechien haben ihre Bierexporte nach Russland erhöht. Die Liefermengen aus China haben sich nahezu verdreifacht. Auch ohne Exporte können russische Verbraucher weiterhin deutsche Biere wie Spaten, Löwenbräu und Franziskaner trinken, da diese lokal in Russland von dem türkischen Bierkonzern Anadolu Efes in Lizenz gebraut werden.
Im Dezember 2023 gab die türkische Brauerei Anadolu Efes bekannt, dass eine Einigung mit der belgischen AB InBev erzielt wurde, um deren Minderheitsbeteiligung am russischen Joint Venture AB InBev Efes BV zu übernehmen. Nach Abschluss der Transaktion ist Anadolu Efes der alleinige Eigentümer vieler westlicher Bierlizenzen. AB InBev Efes entstand 2018 durch die Fusion von Anadolu Efes und Anheuser-Busch InBev in Russland. Seit 2019 war AB InBev Efes Marktführer auf dem russischen Biermarkt, überholte Carlsberg und erreichte im Jahr 2022 einen Umsatz von 97,5 Mrd. Rubel bei einem Nettogewinn von 12,2 Mrd. Rubel, rund 120 Mio. Euro. Anadolu Efes betreibt elf Brauereien in Russland mit 3500 Mitarbeitern.
Anfang April wurden die Zollgebühren für Bier aus sogenannten „unfreundlichen“ Ländern, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben, um das 2,5-fache erhöht. Der Einfuhrzoll steigt von 0,04 auf 0,1 Euro pro Liter. Die Erhöhung der Zölle soll dem russischen Haushalt Mehreinnahmen von rund 1,5 Mrd. Rubel, etwa 15 Mio. Euro, einbringen.
Whisky, Gin & Co Whisky, Tequila und Rum sind die Spitzenreiter bei der Verbrauchernachfrage im starken Alkoholsegment. Ihre Verkäufe haben sich in den ersten fünf Monaten des Jahres um 20,3 bis 24,6 Prozent erhöht, was deutlich über dem durchschnittlichen Marktwachstum liegt. In Russland hat sich Whisky als am schnellsten wachsende Alkoholkategorie entwickelt. Im Vergleich zum Vorjahr sind die mengenmäßigen Verkäufe um 24,6% gestiegen.
Der Gin-Konsum in Russland war in den Jahren 2017–2019 stabil bei rund 5 Mio. Liter pro Jahr. In den vergangenen fünf Jahren gab es aber einen Gin-Boom und es werden mittlerweile 25 Mio. Liter pro Jahr verkauft, von denen 19 bis 20 Mio. in Russland hergestellt werden. Branchenexperten erwarten ein weiteres Wachstum des Gin-Konsums und erklären dies mit der Beliebtheit von Gin bei jungen Menschen.
Russischer Wodkamarkt Der Verkauf von starkem Alkohol im russischen Einzelhandel stieg im Jahr 2023 um 3,6% auf 7,2 Liter pro Kopf, ein Höchstwert seit 2017. Zu starkem Alkohol gehören Wodka, Whisky, Cognac und Liköre mit einem Alkoholgehalt von über 25%. Die russische Wirtschaftszeitung Kommersant berichtet, dass die Bewohner des Fernen Ostens und Nordwestens Russlands den meisten Alkohol konsumieren. Der höchste Alkoholkonsum wurde in der an Finnland grenzenden Republik Karelien verzeichnet, mit 16,1 Liter pro Person und Jahr. Es folgen die Regionen Sachalin mit 15,1 Litern, die Republik Komi mit 14,7 Litern und das am Pazifik liegende Magadan mit 14 Litern. In Deutschland liegt der Alkoholkonsum laut dem Gesundheitsministerium bei rund 10 Litern pro Jahr und pro Person.
Wodka ist eine geschmacksneutrale und farblose Spirituose, die aus Getreide oder Kartoffeln hergestellt wird, mit einem Alkoholgehalt von rund 40%. Das Wort Wodka bedeutet in slawischen Sprachen so viel wie „Wässerchen“. In Russland macht Wodka über zwei Drittel des verkauften hochprozentigen Alkohols aus. Der Verbrauch von Wodka ging im vergangenen Jahr leicht zurück – um 0,2% auf 5,3 Liter. Im Gegensatz dazu stieg der Verkauf von Cognac um 10% auf einen Liter pro Person. Auch andere Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 25% wurden vermehrt gekauft.
„Traditionell wird der starke Alkohol am meisten in Regionen mit rauem Klima konsumiert, während in den kaukasischen, oftmals muslimischen Republiken der Alkoholkonsum wesentlich geringer ausfällt. Es ist jedoch zu bedenken, dass es noch einen Schattenmarkt für Alkohol gibt, der nicht von den offiziellen Verkaufszahlen berücksichtigt wird“, erklärt, Agvan Mikaelyan, Vorstandsmitglied von der Consulting-Firma FinExpertiza. Im vergangenen Jahr seien russische Konsumenten von Wodka auf Cognac, Rum, Gin und andere hochprozentige Getränke umgestiegen, deren Produktion im Inland spürbar zugenommen hat. Der Experte führte weiter aus, dass diese hochprozentigen Getränke überwiegend in verdünnter Form konsumiert würden und als Basis für Cocktails dienten. Der schrittweise Verzicht auf den Genuss von starkem Alkohol in reiner Form sei ein globaler Trend, dem Russland grundsätzlich folge, so der Experte.
Wodka-Exporte 2023 behielt Kasachstan den Titel des größten Importeurs von russischem Wodka. Die zentralasiatische Republik kaufte das hochprozentige Kultgetränk für 25 Mio. Euro. Insgesamt lieferten russische Hersteller Flaschen im Wert von 55 Mio. Euro in andere Länder, ein Rückgang von 58% gegenüber 2022. Israel rückte vom dritten auf den zweiten Platz der Wodkaimporteure vor: Das Land importierte im vergangenen Jahr russischen Wodka im Wert von 11 Mio. Euro. Zu den größten Importeuren gehörten auch Georgien mit 3,6 Mio. Euro und Aserbaidschan mit 3,2 Mio. Euro. 2022 exportierte Russland Wodka im Wert von 130 Mio. Euro, wobei die Hauptabnehmer europäische Länder waren, darunter Lettland, Deutschland und das Vereinigte Königreich.
Wieder etwas mehr Alkoholkranke In Russland ist die Zahl der Alkoholiker laut der Wirtschaftszeitung RBC zum ersten Mal seit 12 Jahren gestiegen. Im Krisenjahr 2022 waren 54.200 Personen von der russischen Statistikbehörde Rosstat im Bericht „Gesundheitswesen in Russland“ als alkoholabhängig gelistet. Ein kleiner Anstieg gegenüber 2021, als ein Minimum von unter 54.000 Alkoholkranken angegeben wurde. Besonders stark wuchs die Zahl der Alkoholabhängigen in ländlichen Gebieten mit 7%.
In den vergangenen Jahrzehnten hat Russland jedoch große Fortschritte im Kampf gegen übermäßigen Alkoholkonsum verzeichnet. Zwischen 2010 und 2021 sank die Zahl der neu diagnostizierten Fälle von Alkoholabhängigkeit und Alkoholpsychose um das Dreifache. Im Jahr 2015 wurden noch 103.000 solcher Fälle identifiziert; im Jahr 2019 waren es 70.900 und im Jahr 2020 nur 54.900. Gleichzeitig sank der Alkoholkonsum in Russland insgesamt von 15,7 Litern pro Jahr und Kopf 2008 auf 9 Liter 2021. Die Sterblichkeit aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum sank in diesem Zeitraum bei Männern um 39%, bei Frauen um 36%.
Ende 2023 verabschiedete die russische Regierung das Konzept zur weiteren Reduzierung des Alkoholkonsums für den Zeitraum bis 2030. Der Alkoholkonsum soll von 8,9 Liter Ethanol pro Einwohner Russlands im vergangenen Jahr auf 7,8 Liter bis Ende des Jahrzehnts reduziert werden.