Fokusanalyse

Russischer Retailmarkt

Hintergrund

Laut einer Studie der Branchenanalysten von INFOLine Analytika aus dem Sommer 2024 war der Gesamtumsatz der 20 führenden russischen Einzelhändler 2023 von 7,3 Bio. Rubel, umgerechnet 67,6 Mrd. Euro, auf 8 Bio. Rubel (74 Mrd. Euro) gewachsen – ein Anstieg von 9,6% gegenüber 2022. Gleichzeitig stieg der Gesamtgewinn der Top-20-Unternehmen um 27% auf 173 Mrd. Rubel (1,6 Mrd. Euro). Mehr als die Hälfte der russischen Bevölkerung kauft weiterhin regelmäßig in Geschäften ein, obwohl der Online-Handel zunehmend an Bedeutung gewinnt.

An der Spitze der Retailer steht die X5 Group, Eigentümer von Marken wie Pjatjorotschka, Perekrjostok und Tschischik. Das Unternehmen, im Besitz der Alfa Group um den russisch-israelischen Magnaten Michail Friedman, erzielte einen Umsatz von 3.138 Mrd. Rubel (29 Mrd. Euro) und verzeichnete ein Wachstum von 20,6%. Die britische Nachrichtenagentur Reuters zitiert den X5-CEO Igor Shechterman, der prognostiziert, dass X5 bis 2028 seinen Marktanteil auf 20% des Gesamtmarktes steigern möchte, gegenüber den aktuellen 15%. Besonders stark wächst die 2020 gegründete Discount-Kette Tschischik, die bis 2028 einen Umsatz von 1 Bio. Rubel (9,3 Mrd. Euro) erzielen soll.

Magnit folgt auf dem zweiten Platz mit einem Umsatz von 2.500 Mrd. Rubel (23,1 Mrd. Euro) und einem moderaten Wachstum von 9%. Magnit konzentriert sich zunehmend auf kleinere Formate und erschließt neue Regionen Russlands.

Die Mercury Retail Group mit ihren Marken Krasnoe & Beloe (auf Deutsch: Rot und Weiß) und Bristol behauptet Platz drei mit einem Umsatz von 1.150 Mrd. Rubel (10,6 Mrd. Euro) und einem Wachstum von 20,4%. Das Unternehmen konzentriert sich stark auf alkoholische Getränke und Discount-Formate, die in Russland weiterhin stark nachgefragt werden.

Lenta, im Mehrheitsbesitz von Severgroup des Stahl-Magnaten Alexej Mordaschow, konnte mit einem Umsatz von 615 Mrd. Rubel (5,7 Mrd. Euro) und einem Wachstum von 14,6% Platz vier sichern. Dennoch kämpfte das Unternehmen 2023 mit strukturellen Herausforderungen und einem Nettoverlust von 1,8 Mrd. Rubel (16,7 Mio. Euro) 2023.

Der Hard-Discounter Swetofor, im Besitz der Familie Schneider, bleibt mit einem Umsatz von 399,6 Mrd. Rubel (3,7 Milliarden Euro) ein bedeutender Akteur. Obwohl Swetofor nicht in die Forbes-Liste der profitabelsten Einzelhändler aufgenommen wurde, verzeichnete das Netzwerk ein stabiles Wachstum, vor allem in ländlichen Regionen.

VkusVill, geführt von Andrej Kriwenko, zeigte ein starkes Wachstum und erzielte 259,8 Mrd. Rubel (2,4 Mrd. Euro) Umsatz – ein Plus von 26,9%. Das Unternehmen setzt auf Bioprodukte und ein gesundheitsorientiertes Sortiment, das bei urbanen Kunden besonders beliebt ist. O'Key, im Besitz von Dmitrij Korschew und Dmitrij Troizkij erzielte einen Umsatz von 205,7 Mrd. Rubel (1,9 Mrd. Euro) und ein Wachstum von 2,8%.

Der Arbeitskräftemangel bleibt eine der zentralen Herausforderungen des Marktes. Viele Einzelhändler, darunter die führende X5 Group, setzen zunehmend auf Automatisierung und Robotisierung, um den Personalbedarf zu kompensieren. Gleichzeitig verändern sich die Arbeitszeitmodelle, flexible Teilzeitbeschäftigung wird stärker genutzt.

Verkauf von Selgros
Im Dezember 2023 hatte die russische Zeitung Iswestija von einem Schreiben des damaligen ersten Vizepremiers Russlands Andrej Beloussow an Ministerpräsident Michail Mischustin berichtet, in welchem vom „Risiko eines Marktrückzugs“ vonseiten der hierzulande tätiger europäischen Lebensmittelketten die Rede war. Im Frühjahr 2023 hatte bereits die finnische Einzelhandelskette Prisma Russland verlassen. Ihre 15 Märkte wurden vom führenden russischen Retailer X5 Group übernommen.

Der Pressedienst der russischen Regierung hatte damals den russischen Markt als „für ausländische Unternehmen aussichtsreich“ charakterisiert. Daher sei im Großen und Ganzen kein Rückzugsrisiko erkennbar, hieß es, auch „unfreundliche Länder“, die Sanktionen gegen Russland verhängen, weiterhin auf ausländische Firmen mit Russlandgeschäft Druck ausüben, so die russische Regierung.

Ende November 2024 hat Selgros Russland den Verkauf seiner zehn Märkte an den russischen Lebensmittelhändler und -lieferanten Arosa Logistika bekannt gegeben, einem der fünf größten Unternehmen im Bereich Horeca (Hotels, Restaurants, Catering). Die lange in Russland etablierten deutschen Großhändler Metro und Globus bleiben im Markt.

Globus lagert aus
Globus, das 19 Jahre mit eigenen Lebensmittelmärkten im russischen Markt tätig ist, hat zum Jahreswechsel sein Russlandgeschäft ausgelagert. Die 20 Märkte in Russland werden nun von der Globus Holding abgespalten und agieren ab 1. Januar 2025 unabhängig. Die entsprechende Genehmigung wurde durch die russischen Behörden erteilt. Die Globus Holding konzentriert sich künftig ausschließlich auf ihr Geschäft in Deutschland, Tschechien und Luxemburg und gibt ihre Beteiligung an den russischen Lebensmittelmärkten vollständig.

Die russischen Lebensmittelmärkte werden in eine eigene Gesellschaft überführt, an der sich die Globus-Gesellschafter unverändert beteiligen werden. In einer Pressemitteilung heißt es. „Die Entscheidung ist Teil der langfristigen Planungen der Globus-Gesellschafter. Die Abspaltung ermöglicht beiden Gesellschaften, unabhängig in ihren Märkten zu agieren, und die Geschäftsentwicklung bestmöglich sicherzustellen.“

Quellen: Forbes, Kommersant, Selgros 1, 2, Vedomosti, TASS, Izvestia, Russ. Regierung (alle RU), Reuters (EN)

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