Fokusanalyse

Russische Milchwirtschaft

Seit der Einführung des russischen Importembargos gegen Nahrungsmittel aus der Europäischen Union im Jahr 2014, das als Reaktion auf Sanktionen gegen Russland verhängt wurde, hat sich der russische Milchmarkt erheblich verändert. Die Regierung hat gezielte Maßnahmen ergriffen, um die inländische Produktion zu stärken und den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen.

Im Jahr 2023 erreichte die Milchproduktion in Russland laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS ein Volumen von 33,5 Mio. Tonnen, was einer Steigerung von etwa 0,5 Mio. Tonnen im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dieser Zuwachs ist Teil eines langfristigen Trends, unterstützt durch umfangreiche Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau bestehender Produktionskapazitäten. Besonders große Agrarholdings wie EkoNiva haben eine Schlüsselrolle bei der Steigerung der Effizienz und Produktion übernommen, während kleinere Betriebe aufgrund fehlender Ressourcen und mangelnder Investitionskraft hinterherhinken.

Russland hat in den vergangenen Jahren seine Milchproduktimporte um 32,1% reduziert, wobei Importe aus westlichen Staaten fast vollständig durch Lieferungen aus Belarus ersetzt wurden. Der Selbstversorgungsgrad Russlands stieg von 77% im Jahr 2014 auf 87% im Jahr 2023. Russlands landwirtschaftlich genutzten Fläche beträgt nur 13,2% seiner Gesamtfläche im Vergleich zu Deutschlands 47,7%.
Milchproduktion
Die russische Milchproduktion ist in den vergangene Jahren stark gestiegen. Die Käseproduktion stieg um 132%, Sahne um 205%, Vollmilchpulver um 221,8% und Magermilchpulver um 104,2%. Um diese Steigerungen zu erreichen, wurde der Ausbau von Milchviehbetrieben beschleunigt. Die Produktivität pro Kuh konnte durch den Einsatz verbesserter Fütterungstechniken gesteigert werden.

Russische Schwarzeerdegebiete
Die Schwarzerde, auf Russisch „Tschernosem“, ist eine der fruchtbarsten Bodenarten der Welt. Diese Böden sind besonders reich an organischen Stoffen und Humus, was ihnen eine namensgebende dunkle Farbe verleiht. Der Humusgehalt kann bis zu 15% betragen, wodurch Schwarzerde hervorragende Voraussetzungen für den Anbau von Getreide, Sonnenblumen, Zuckerrüben und weiteren Kulturen bietet.

In Russland erstrecken sich die Schwarzerde-Gebiete über die südlichen Teile des europäischen Landesteils. Diese Gebiete sind Teil des sogenannten „Schwarzerde-Gürtels“, der sich von der Ukraine über Russland bis nach Kasachstan zieht. In Russland findet man diese Böden hauptsächlich in den Regionen Belgorod, Kursk, Tambow, Woronesch und Lipezk.

Die Schwarzerde-Zone ist das landwirtschaftlich intensivste Gebiet des Landes, wo neben Getreide auch große Mengen an Mais, Zuckerrüben und Sonnenblumen angebaut werden. Diese Region ist besonders bedeutend für die russische Agrarwirtschaft, da sie einen der höchsten Erträge an Weizen weltweit verzeichnet. Die klimatischen Bedingungen in diesen Gebieten, mit milden Sommern und kalten Wintern, sind ideal für den Getreideanbau und die Viehwirtschaft. Die fruchtbaren Böden der zentralen Schwarzerde-Region unterstützen nicht nur die Getreideproduktion, sondern auch die Viehzucht, da das produzierte Futter und die Nebenprodukte direkt in der Tierhaltung verwendet werden. In diesen Gebieten befinden sich auch die größten Agrarunternehmen Russlands, darunter das Unternehmen EkoNiva, das in den 1990er Jahren vom Deutschen Stefan Dürr gegründet wurde.

EkoNiva - Der größte Milchproduzent Russlands
EkoNiva ist nicht nur der größte Rohmilchproduzent in Russland, sondern auch in Europa. Im Jahr 2023 erreichte das Unternehmen eine Jahresproduktion von 1,26 Mio. Tonnen Rohmilch und übertraf damit seinen Vorjahresrekord um 65.500 Tonnen. EkoNiva betreibt derzeit über 40 Viehbetriebe in 13 Regionen Russlands, darunter Voronesch, Kaluga, Kursk und Novosibirsk.
Die Modernisierung und der Ausbau von Betrieben sind Kernstrategien des Unternehmens. So wurde 2023 die Bortnikovo-Milchfarm im Moskauer Gebiet in Betrieb genommen, die über 3550 Milchkühe und eine Produktionskapazität von 34.000 Tonnen pro Jahr verfügt. EkoNiva ist vermehrt im Bereich der Milchverarbeitung aktiv. Im Jahr 2023 verarbeitete das Unternehmen 279.500 Tonnen Milchprodukte, was einem Anstieg von 70% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dazu gehören traditionelle Produkte wie Trinkmilch, Sahne, Kefir und Quark, aber auch Käse und Desserts. Besonders die Käseproduktion wurde ausgeweitet und erreichte 8300 Tonnen, eine Versiebenfachung im Vergleich zu 2022. Das Unternehmen mit deutschen Wurzeln will vermehrt Milchprodukte exportieren. Im laufenden Jahr eröffnete EkoNiva eine Repräsentanz im zentralchinesischen Xi'an, um den chinesischen Markt besser zu bedienen. Der Ausbau der Exportmöglichkeiten nach China ist Teil einer größeren Strategie, um russische Milchprodukte international zu etablieren und das Wachstum zu sichern.
Russischer Käsemarkt
Der russische Käsemarkt hat sich seit dem Jahr 2014, als das Importembargo gegen westliche Lebensmittel eingeführt wurde, rasant entwickelt. Vor 2014 war Russland stark von Käseimporten aus Europa abhängig, aber die Einschränkungen führten zu einem Schub in der heimischen Käseproduktion. Um diese Abhängigkeit zu überwinden, förderte die russische Regierung die Entwicklung der inländischen Produktionskapazitäten mit umfangreichen Investitionen. In den vergangenen zehn Jahren flossen über eine Milliarde Euro in den Aufbau und die Modernisierung von Käsereien im ganzen Land.

Ein Beispiel für diese erfolgreiche Importsubstitution ist die Einführung des Käses „Sirtaki“ durch den produzenten „Nevamilk Group“ in der Wologda-Region. Dieser lokale Ersatz für Feta-Käse hat sich zu einem Bestseller entwickelt und ist mittlerweile in über 80 russischen Regionen erhältlich.

Der russische Käsemarkt hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend konsolidiert. Große Unternehmen wie „Yugovskaya“ haben ihre Produktionskapazitäten erheblich erweitert. So produzierte Yugovskaya im Jahr 2023 etwa 47.000 Tonnen Käse, während Foodland 31.300 Tonnen beisteuerte.
EkoNiva spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle in diesem Markt. Seit 2013 hat das Unternehmen seine Käseproduktion versiebenfacht und erreichte im Jahr 2023 eine Produktionsmenge von 8300 Tonnen. EkoNiva konzentriert sich dabei nicht nur auf bekannte Käsesorten wie Mozzarella, sondern entwickelt auch neue Varianten, um die russische Käsekultur zu fördern und das Bewusstsein für heimische Produkte zu stärken. Der Konsum von Käse hat sich in den vergangenen Jahren in Russland deutlich erhöht. Seit 2014 ist der Käseverbrauch um 56% gestiegen und überschritt 2023 erstmals die Marke von einer Million Tonnen. Da der Pro-Kopf-Verbrauch bei etwa 7 kg liegt und damit deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 18 kg, sehen Marktbeobachter hierin großes Potenzial für weiteres Wachstum. Der Käseverbrauch in Deutschland liegt laut dem Statistischen Bundesamt bei 23,7 Kilogramm pro Kopf, ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 800 Gramm.
Die Produktionskosten für Käse sind in den vergangenen Jahren gestiegen, vor allem durch erhöhte Rohstoffpreise und höhere Energiekosten. Diese Faktoren belasten die Margen der Produzenten und führen zu einem intensiven Wettbewerb mit Importen, insbesondere aus Belarus, das große Mengen Käse nach Russland liefert.

Russischer Markt für Speiseeis
Im vergangenen Jahr erreichte die Eisproduktion in Russland mit 524.000 Tonnen einen neuen Rekord. Dies entspricht einer Steigerung von 13% im Vergleich zum Krisenjahr 2022. Obwohl die Preise steigen, soll der Eisverbrauch auch im laufenden Jahr wachsen, vor allem während der Sommermonate, in denen 76% der Russen mindestens einmal pro Woche Eis kaufen.

Im ersten Quartal 2024 wurden in Russland bereits 110.000 Tonnen Eis produziert, was einer Steigerung von 12% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Während der Sommermonate kaufen Russen durchschnittlich 7,3 Mal pro Monat Eis, im Winter sinkt dieser Wert auf 2,1 Mal pro Monat. Der Konsum von Eis erfolgt vor allem, um sich selbst zu verwöhnen (66%), sich in der Hitze abzukühlen (41%) oder einfach um eine süße Leckerei zu genießen (44%).

Die Preise für Speiseeis steigen aufgrund höherer Kosten für Verpackungen und Rohstoffe wie Kakaobohnen. Marktteilnehmer prognostizieren für das laufende Jahr eine Preiserhöhung um etwa 10%. Bereits im Jahr 2023 stiegen die Eispreise um durchschnittlich 14% im Vergleich zum Vorjahr, was zu einem vermehrten Konsum von günstigeren Eigenmarkenprodukten der Supermärkte führte.
Die größten Akteure auf dem russischen Eismarkt sind die Gruppe Eisbeere (ГК Айсберри), die mit einer Produktion von 71,4 Tausend Tonnen im Jahr 2023 einen Anstieg von 35,8% im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete. Die Gruppe Renna (ГК «Ренна») produzierte 55,2 Tausend Tonnen, was einem Zuwachs von 18,2% entspricht.

Der britische Konzernrieße Unilever (Инмарко) erreichte mit 40,6 Tausend Tonnen Eis eine Steigerung von 14,7%. Die Speiseeis-Sparte von Unilever ist laut Konzernaussage vom Rest des multinationalen Unternehmens ausgegliedert. Unilever hat Werbung in Russland eingestellt und den russischen Export und Import seiner Produkte gestoppt. Insgesamt verfügen die Briten laut der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft in Russland über ein Nettovermögen von rund 600 Mio. Euro, inklusive vier Fabriken. Der Großteil der Eiscremeproduktion des Unternehmens in Russland wird von Inmarko durchgeführt, das 2008 von Unilever übernommen wurde. Die Einheit stellt Magnat her, das russische Äquivalent von Magnum, und ein Twister-ähnliches Produkt namens Max sowie eine Reihe sowjetischer Eiscremes unter der Produktlinie Goldener Standard (russisch: Золотой Стандарт).

Nur wenige Unternehmen, wie „Reine Linie“ (Чистая Линия), verzeichneten einen Produktionsrückgang von 18,2%. Die Top-5-Marktteilnehmer besetzten Ende vergangenen Jahres mehr als 43% des Marktes und sorgten für 60% des Produktionswachstums der gesamten Branche. Die Top-20-Unternehmen steigerten den Konsolidierungsanteil über einen Zeitraum von fünf Jahren von 35% auf 45%. Dies belegen die Daten des Ratings der größten Eisproduzenten in Russland, erstellt von Sojusmoloko, der Nachrichtenagentur Milknews und dem Beratungsunternehmen Streda Consulting. „Das warme Jahr, die verfügbaren Rohstoffe und das Wachstum der Haushaltseinkommen im vergangenen Jahr haben den Marktteilnehmern einen Anstieg der Produktion und des Verbrauchs von Eiscreme beschert“, sagte Artjem Below, Generaldirektor der Branchenanalysten von Sojusmoloko. Für das nächste Jahr schätzt Sojusmoloko, dass das Potenzial für das Einkommenswachstum der Bevölkerung verhaltener sein wird und die Preise für Rohstoffe durch steigende Kosten beeinflusst werden.

Ein Trend ist der steigende Konsum von selbstgemachtem Eis. Im ersten Quartal 2024 stieg die Nachfrage nach Eismaschinen um ein Drittel. Der durchschnittliche Preis für Eismaschinen sank um 5% auf 3900 Rubel, rund 40 Euro, was das Interesse an hausgemachten Alternativen zum Supermarkteiß weiter beflügelt. Die Eisexporte nach China haben im ersten Quartal 2024 einen starken Anstieg verzeichnet, auf über 276 Tonnen. Dies entspricht einer Versechsfachung gegenüber dem Vorjahr.

Hören Sie mehr zum russischen Milchmarkt in unseren Podcastepisoden mit Ekaterina Dürr von EkoNiva und dem deutschen Milchanalysten Andreas Allerberger.

Quellen: Milchtrends, Destatis, Swissinfo (EN), Dairynews (EN) Thebullvine (EN) Kommersant (RU), Agrotrend (RU), Foodmarket (RU), Sojusmoloko 1, 2, 3 (RU), TASS (RU)