Fokusanalyse

Wintershall und OMV verlieren Rechte an russischen Gasfeldern

Am 19. Dezember hat der russische Präsident Wladimir Putin die Gründung neuer Unternehmen angeordnet, um die Kontrolle über wichtige Gasfelder wie Juschno-Russkoje und Teile der Achimow-Lagerstätten des Urengoi-Feldes zu übernehmen. Diese Entscheidung hat direkte Auswirkungen auf deutsche und österreichische Energieunternehmen und wird als Reaktion auf das jüngste EU-Sanktionspaket gesehen, das unter anderem ein Bezugsverbot von Diamanten aus Russland umfasst.

Betroffene Unternehmen und Anteile
Das deutsche Unternehmen Wintershall Dea und die österreichische OMV, bisherige Aktionäre in diesen Projekten, haben ihre Anteile verloren. Wintershall hielt 35% des Joint Venture „Severneftgazprom“ für das Juschno-Russkoje-Feld, die OMV seit 2017 25%. Gazprom die restlichen 40%. Wintershall Dea und Gazprom waren außerdem jeweils gleichberechtigte Aktionäre (je 50%) von Achimgaz, einer Firma, die für Gasfelder in Nowy-Urengoi verantwortlich ist. Die Dekrete Putins sehen vor, dass alle Rechte und Pflichten von den Joint Ventures auf die neu gegründeten russischen Unternehmen übertragen werden. Russische Aktionäre erhalten Anteile an diesen neuen Unternehmen, während die Anteile der ausländischen Unternehmen auf die Neugründungen übergehen und anschließend von Unternehmen wie SOGAZ JSC und Gas Technologies erworben werden sollen.

Alle Aktivitäten mit russischer Beteiligung, einschließlich der Beteiligung von Wintershall Dea an der Gaspipeline Nord Stream sowie der Gemeinschaftsunternehmen mit Gazprom, sollen bis Mitte 2024 rechtlich getrennt werden. Die Beteiligungen von OMV und Wintershall Dea an den Projekten in der Region Jamal-Nenets werden auf neu gegründete russische Gesellschaften übertragen. Der Erlös aus dem Verkauf der Anteile wird auf Sonderkonten der bisherigen ausländischen Eigentümer überwiesen, und alle bisher gültigen Unternehmensverträge verlieren mit der Unterzeichnung des Dekrets ihre Gültigkeit.

Die OMV hatte bereits im Frühjahr 2022 eine Milliarde Euro an Wertberichtigung für das Juschno Russkoje-Feld vorgenommen. Eine weitere Milliarde Euro an Wertberichtigung betraf die nie in Betrieb genommene Ostseepipeline Nord Stream 2. Die OMV ist mit der Detailprüfung der Ankündigung Putins befasst und analysiert derzeit die Folgen. Der Chemiekonzern BASF, Mehrheitseigentümer der ebenfalls betroffenen Wintershall Dea, meldete für 2022 einen Nettoverlust, der hauptsächlich auf die Wintershall Dea AG in Russland zurückzuführen ist.

Wintershall Dea, Europas größtes Öl- und Gasunternehmen, mit 72,7% im Besitz des BASF-Konzerns, hatte bereits im Januar 2023 seinen Rückzug aus Russland angekündigt. Wintershall Dea Entstand im Mai 2019 durch den Merger von zwei deutschen Traditionsfirmen: der Wintershall Holding Gmbh und der deutsche Erdoel AG (Dea). OMV hatte schon früher seine Beteiligung am Juschno-Russkoje-Feld zur strategischen Überprüfung gestellt. Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea, erklärte im Januar 2023: „Eine Fortführung unseres Geschäfts in Russland ist nicht haltbar. Die Joint Ventures wurden de facto wirtschaftlich enteignet.“ BASF verzeichnete für das Geschäftsjahr 2022 einen Fehlbetrag von rund 1,4 Milliarden Euro, hauptsächlich bedingt durch Abschreibungen auf Wintershall Dea.

Rückblick: Deutsch-Russische Energiekooperation
Die deutsch-russische Energiepartnerschaft begann im Kalten Krieg, als 1973 erstmals sibirisches Gas in die Bundesrepublik floss, eine Initiative maßgeblich gefördert von Willy Brandt. Trotz US-Widerstand unter Präsident Ronald Reagan, unterzeichnete die Regierung Schmidt 1980 ein Abkommen für langfristige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion.

2005 unterschrieb die Bundesregierung eine Absichtserklärung zum Bau von Nord Stream 1. Die Pipeline mit einer jährlichen Kapazität von 55 Mrd. Kubikmeter wurde 2011 in Betrieb genommen. 2015 vereinbarte die Bundesregierung unter Angela Merkel den Bau von Nord Stream 2. Im selben Jahr kaufte Gazprom ein Viertel der deutschen Erdgasspeicher, einschließlich des größten Speichers in Rehden.

Wintershall Dea startete 1992 die Arbeit in Russland. Das Unternehmen ist an Projekten in Westsibirien und Südrussland beteiligt, insbesondere am Achimgaz-Projekt mit Gazprom, das 2003 gegründet wurde und 2011 die kommerzielle Produktion aufnahm. Bis 2019 wurden aus der Achimov-Formation 35 Mrd. Kubikmeter Gas und 15 Mio. Kubikmeter Kondensat gefördert. Deutschland war der größte Abnehmer von russischem Gas und Russland der mit Abstand größte Gaslieferant Deutschlands.

Die Bedeutung der Gasfelder
Das Juschno-Russkoje-Feld, gelegen im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen, östlich von Nowy Urengoi, schätzt man auf Reserven von über 1 Billion Kubikmetern Gas und über 50 Millionen Tonnen Öl und Gaskondensat. Die Auslegungskapazität beträgt 25 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Das Urengoi-Feld, ebenfalls in dieser Region, nördlich von Neu-Urengoi, hat geschätzte Gesamtreserven von 16 Billionen Kubikmetern Gas. Der Bergbau wird auf schwer zugänglichen Achimov-Lagerstätten in einer Tiefe von 3,5 bis 4 Tausend Metern durchgeführt. An fünf Standorten beträgt die geplante Produktionskapazität 37 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Diese Felder sind von strategischer Bedeutung für die russische Gasversorgung und waren bisher wichtige Pfeiler der deutsch-russischen Energiepartnerschaft, da das Gas unter anderem durch die Nord Stream Pipelines nach Deutschland floss.

Russische Perspektive: Keine Sanfte Verstaatlichung
Laut dem russischen Portal Neftegaz.ru gehen die russischen Behörden in der Situation um das Juschno-Russkoje-Feld und Achim Development härter vor als bei der Umsetzung ähnlicher Regelungen im Jahr 2022 bei den Projekten Sachalin-1 und Sachalin-2. Während beim Sachalin-2-Projekt ausländische Aktionäre wie Mitsui und Mitsubishi ihre Anteile behalten durften, Shell jedoch den Verkauf seines Anteils ablehnte, wird die Beschlagnahmung der Anteile westlicher Unternehmen an den Gasfeldern Juschno-Russkoje und den Achimov-Projekten als „klassische Verstaatlichung“ gesehen.

Quellen: RBC, Süddeutsche Zeitung, Reuters, Handelsblatt, Der Standard, BPB
2023-12-21 14:22