Fokusanalyse

Jüngste US-Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor

Das Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministeriums hat in der vergangenen Woche mehr als 50 zusätzliche russische Finanzinstitute mit Blocking-Sanktionen belegt. Mit ihnen dürfen seit dem 21. November 2024 US-amerikanische Unternehmen, Banken und Staatsbürger keine Transaktionen mehr durchführen, es sei denn, es handelt sich um solche, die notwendig sind, um im Rahmen entsprechender Generallizenzen die laufenden Geschäfte bis zum 20. Dezember 2024 einzustellen oder sich von bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der Bank zu trennen.

Auch die Aktivitäten diplomatischer Auslandsvertretungen, einiger internationaler Organisationen sowie Zahlungen im Zusammenhang mit dem Agrarhandel und der Gesundheitsfürsorge sind vom Transaktionsverbot ausgenommen. Eine weitere Ausnahme gilt bis zum 28. Juni 2025 für Geschäfte, die mit dem Energieprojekt Sachalin II verbunden sind. Das vor der gleichnamigen russischen Insel im Ochotskischen Meer hergestellte Flüssigerdgas (LNG) wird größtenteils nach Japan verkauft.

Parallel zur Sanktionierung der einzelnen russischen Banken warnte das OFAC „ausländische Jurisdiktionen und Finanzinstitute“ davor, sich dem von der russischen Zentralbank betriebenen Zahlungsnachrichtensystem SPFS anzuschließen. Ein Beitritt zu dem russischen SWIFT-Pendant werde ab sofort als „Red Flag“ gewertet und zum Anlass genommen, um „aggressiver“ gegen die betreffenden ausländischen Institute vorzugehen. Das OFAC forderte internationale Banken zudem dazu auf, ihr Engagement bei Instituten zu überprüfen, die bereits Teil des SPFS-Netzwerkes seien, da diese als „Kanäle zur Umgehung der Russlandsanktionen“ dienen könnten.

Unter den von der Maßnahme betroffenen Geldhäusern ist die Gazprombank am wichtigsten, nicht nur weil es sich bei ihr um das drittgrößte Kreditinstitut Russlands handelt, sondern auch wegen ihrer zentralen Rolle bei der Abrechnung für das nach Europa gelieferte russische Erdgas. Auch sechs ausländische Tochterbanken der Gazprombank sind unter das Verbot gefallen: die GPB International SA in Luxemburg, die GPB Financial Services Hong Kong Limited, die GPB Financial Services Limited und die GPB-DI Holdings Limited in Zypern, die Gazprombank (Switzerland) Ltd in der Schweiz und die GPB Africa and Middle East Pty Ltd in Südafrika.

Alle zehn Banken (oben in der Grafik) sind bereits von den USA sanktioniert.

Sanktionsfolgen für Energieimporteure in Europa
Laut dem Rechtsanwalt Douglas Jacobson aus Washington, D.C., der sich auf internationalen Handel spezialisiert, hätte die US-Regierung lange gezögert, die für grenzüberschreitende Energiegeschäfte besonders wichtige Gazprombank zu sanktionieren, weil das „Nebenwirkungen“ auf Europa verursache. Wenn der künftige US-Präsident Donald Trump „eine andere Haltung einnehmen möchte“, wäre er befugt, die Maßnahme rückgängig zu machen, so Jacobson weiter.

Durch den Ausschluss der Gazprombank aus dem internationalen Zahlungsverkehr könnten „einige Transaktionen“ unterbrochen werden, so Energiestrategin Florence Schmit von der Rabobank im niederländischen Utrecht. Das könnte „zu Verzögerungen und sogar zu Kürzungen der Gaslieferungen führen“, warnt die Expertin. Denn die Gazprombank spiele nach wie vor eine Schlüsselrolle bei der Abwicklung der Zahlungen für russische Gasexporte nach Europa.

Verzögerungen oder Unterbrechungen jeglicher Art könnten sich auf die Gaspreise in Europa auswirken und „das ohnehin schon enge Zeitfenster für russische Gaslieferungen durch die Ukraine im neuen Jahr schließen“, sagte Schmit.


Für Ungarns Außenminister Péter Szijjártó seien die Gazprombank-Sanktionen ein „Angriff auf die Souveränität“ seines Landes, das beträchtliche Mengen russischen Erdgases importiert. Auch die Energiesicherheit anderer mitteleuropäischer Länder sei in Gefahr, so Szijjártó, der auf Österreich und die Slowakei anspielen dürfte. Der drastische Schritt der USA erhöhe das Risiko, dass die Versorgung Europas mit russischem Gas frühzeitig unterbrochen werden könnte, so der Diplomat. „Wir verfügen über einen Erdgasvorrat von sechs Monaten in unseren Erdgasspeichern und die nächste Zahlungsverpflichtung für Erdgas wird erst einen Monat später fällig“, versicherte er.

Die ungarische Regierung bespreche die Situation mit den Energieministern der Türkei, Bulgariens und Serbiens, die einen „sehr sicheren, sehr zuverlässigen und sehr stabilen“ Gastransit gewährleisteten, so Szijjártó weiter. Gemeinsam mit diesen Ländern sowie mit Aserbaidschan, das ein wichtiges Gasexportland ist, würde Ungarn eine Lösung finden, um die Sicherheit seiner Energieversorgung zu gewährleisten, zeigte er sich zuversichtlich.

Auswirkungen auf die russische Wirtschaft
Svitlana Taran vom Brüsseler Think-Tank European Policy Centre zufolge sei die Gazprombank „eine sehr, sehr wichtige Bank für die russische Wirtschaft“. Alle Transaktionen, in die das Geldhaus involviert sei, würden nun genauer geprüft werden. „Selbst andere Länder, die sich nicht an die westlichen Sanktionen halten, werden nun vorsichtiger sein und [möglicherweise] beschließen, keine Transaktionen mit [der Gazprombank] durchzuführen“, sagte Taran gegenüber dem Nachrichtenportal Euractiv.

Die Gazprombank-Sanktionierung, die bereits zu einer spürbaren Abwertung des Rubel geführt hat, könnte „die russische Finanzarchitektur dramatisch verändern“, so Wladislaw Inosemzew, Mitbegründer und Senior Fellow am Center for Analysis and Strategies in Europe in Nikosia auf Zypern. Durch die Maßnahme würden „die westlichen Sanktionen gegen das russische Bankensystem fast so universell wie die Sanktionen gegen russische Luftfahrtunternehmen“, urteilt der Ökonom. „Wie ich von meinen russischen Quellen höre, scheint dies der wichtigste Schlag für die Fähigkeit Russlands zu sein, seine Wirtschaft aufrechtzuerhalten, seit dem europäischen Ölembargo, das im Januar 2023 in Kraft trat“, so Inosemzew.

Es sei nicht möglich, ein Land wie Russland „vollständig auszusperren“, kommentierte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow. Auch wenn es etwas Zeit in Anspruch nehmen könnte, würden Lösungen gefunden werden, damit internationale Kunden für russisches Gas zahlen könnten.

Peskow ließ erkennen, dass Russland versuchen werde, seine Gasexporte in diejenigen europäischen Länder aufrechtzuerhalten, die daran interessiert seien. Trotzdem scheinen Analysten wie beispielsweise Arne Lohmann Rasmussen, Chefanalyst bei Global Risk Management in Kopenhagen, eine „vorzeitige Einstellung“ der Lieferungen für möglich zu halten. Sollte dieser Fall eintreffen, könnte dies bei einer hohen Nachfrage, insbesondere wenn die Mitteltemperatur stark sinke, Europa den Winter „mit alarmierend niedrigen Gasreserven beenden“ lassen, schätzt Rasmussen.

Edward Fishman, ein ehemaliger US-Beamter, der jetzt als Wissenschaftler an der Columbia University in New York tätig ist, vertritt die Meinung, dass die US-Sanktionen gegen die Gazprombank nicht die letzte Maßnahme der Biden-Administration in puncto der Energiesanktionen gegen Russland sein würden. Er bezeichnete sie als einen „sehr großen Schritt“, der ein ernstzunehmender Versuch der Regierung des aus dem Amt scheidenden US-Präsidenten Joe Biden sei, Russlands Energieeinnahmen zu unterhöhlen.


Beschränkungen für Bankkunden
Die Sanktionierung der Gazprombank durch das US-Finanzministerium habe keinen Einfluss auf ihren Betrieb, heißt es in der offiziellen Stellungnahme des Geldinstituts vom vergangenen Donnerstag. Die Gazprombank, alle ihre Systeme und Büros funktionierten normal. Es sei weiterhin möglich, am Schalter und bei Automaten der Bank Geld in Rubel und in Fremdwährungen „im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen“ abzuheben und einzuzahlen. Auch die mobile App stehe den Kunden weiter zur Verfügung.

Innerhalb Russlands könnten alle von der Bank ausgegebenen Karten, einschließlich der Karten ausländischer Zahlungssysteme, nach wie vor uneingeschränkt zum Bezahlen der Einzelhandelskäufe sowie an Geldautomaten genutzt werden, kommentiert das Geldhaus weiter. Am Freitag verschickte es aber auch folgende Nachricht an seine Kunden: „Ab dem 21. November kann es im Ausland zu Schwierigkeiten beim Einsatz von Union Pay-Karten kommen. Wenn Sie sich außerhalb Russlands aufhalten, empfehlen wir Ihnen, Bargeld zu verwenden.“

Transaktionen mit den Karten des chinesischen Bezahlsystems, die die Gazprombank in den vergangenen zwei Jahren im großen Stil emittiert hat, würden inzwischen von Banken in der Türkei, China, Indien, Vietnam, Thailand, Usbekistan, Kasachstan, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen für Russen relevanten Ländern abgelehnt, berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS.

Finanzexperten wie etwa Dmitrij Wischnjakow raten denjenigen Russen, die auch künftig im Ausland einkaufen oder Dienstleistungen ausländischer Lieferanten bezahlen möchten, außerhalb Russlands ein Konto bei einer Bank zu eröffnen oder ein ausländisches Cyberwallet zu nutzen. Dafür kämen vor allem postsowjetische Länder wie Belarus, Kasachstan, Usbekistan oder Kirgisistan in Frage.

Quellen: OFAC 1, 2, 3, 4, 5 (EN), Banki.ru (RU), Reuters (EN), Finanzmarktwelt, Bloomberg, Peter Szijjarto, Euractiv, Forbes (EN), Interfax, Gazprombank, RBC, Tass, Kommersant(alle RU)