Fokusanalyse

Russisch-amerikanische Wirtschaftsbeziehungen

Die Handelsbeziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten sind 2023 auf einem Tiefpunkt angelangt, mit einem Warenaustausch von 4,6 Mrd. US-Dollar. Dabei dominieren jetzt bei den russischen Exporten Dünger (1,4 Mrd.), Uran (1,2 Mrd.) und Platin (1,1 Mrd.). Noch 2020 stellten Ölprodukte den größten Anteil der russischen Ausfuhren in die USA. Öl war jahrzehntelang der Exportschlager in den Wirtschaftsbeziehungen Russlands mit den USA.
Das russisch-amerikanische Handelsvolumen schrumpfte im Jahre 2023 sanktionsbedingt auf weniger als ein Viertel des Umfangs von vor zwei Jahrzehnten. Im Jahre 2005 hatte es noch bei 19,2 Mrd. US-Dollar gelegen. Im Jahre 2010 war der Warenaustausch auf 23,4 Mrd. Dollar gestiegen. Fünf Jahre später lag er noch bei 20,9 Mrd. Dollar. Bis zum Beginn der umfassenden Sanktionen des Jahres 2022 wuchs das Handelsvolumen nur noch geringfügig.

Amerikanische Direktinvestitionen
Kennzeichnend für die Krise der Wirtschaftsbeziehungen ist auch die Entwicklung der amerikanischen Direktinvestitionen in Russland. Diese lagen im Jahre 2000 bei umgerechnet 1,15 Mrd. Dollar und wuchsen innerhalb von sechs Jahren bis 2006 auf 11,37 Mrd. Dollar. Ihren Höhepunkt erreichten die USA-Direktinvestitionen im Jahre 2009 mit 20,8 Mrd. Dollar. Bis 2014 sanken die US-Investments zwischen Kaliningrad und Wladiwostok auf 9,1 Mrd. Dollar. Trotz der Sanktionen des Jahres 2014 stiegen die US-Investitionen danach auf 14,2 Mrd. im Jahre 2019. Doch nach den jüngsten Sanktionen seit 2022 verzeichnen die Direktinvestitionen im Jahre 2023 einen steilen Absturz auf 7,7 Mrd. Dollar.
Russische Uran-Lieferungen nach Amerika
Dennoch blieb Russland auch nach 2022 Lieferant für strategisch wichtige Güter in die USA. Das gilt vor allem für Uran-Importe aus Russland, aber auch für Platin. Zwar hat US-Präsident Joseph Biden im Mai 2024 den Import von Uran aus Russland in die Vereinigten Staaten verboten, mit Wirkung vom 12. August 2024 an. Doch die amerikanische Regierung hat sich für die Fortsetzung von Uran-Importen eine Hintertür geöffnet. Einfuhren von Uran sind erlaubt, sofern es keinen „alternativen Verkäufer“ gibt oder wenn der Import im „nationalen Interesse“ ist, was beim Betrieb von Kernkraftwerken offensichtlich aus Sicht der Regierung der Fall ist. Russland ist seit Jahrzehnten der Hauptexporteur von Uran in die Vereinigten Staaten. Das Land gehört neben Kanada, Australien, Kasachstan und dem inzwischen mit Russland befreundeten Niger zu den weltweit größten Förderländern von Uran. Die USA brauchen Uran für ihre Atomkraftwerke, um die Klimawende voranzutreiben und den Anteil fossiler Brennstoffe für die Energiegewinnung zu senken. Daher erwarben die USA von Russland im Jahre 2023 Uran im Wert von 1,19 Mrd. US-Dollar.
Verboten haben die Vereinigten Staaten im April 2024 auch Importe von Nickel, Kupfer und Aluminium aus Russland. Die drei Metalle stellten jahrzehntelang einen beträchtlichen Anteil an den russischen Exporten in die Vereinigten Staaten. Auch für diese Import-Sanktionen haben sich die amerikanischen Behörden jedoch pragmatische Ausnahmeregelungen geschaffen, wenn es um „humanitäre Ziele“ geht und um „nationale Interessen“.

Handel mit nicht sanktionierten Gütern
Trotz der Beschränkungen wuchsen die Exporte aus den USA nach Russland im Mai 2024 verglichen mit dem Monat des Vorjahres um 41%. Der Anstieg erklärt sich dadurch, dass Russland deutlich mehr Impfstoffe, Lebensmittel, Medikamente und medizinische Geräte aus Amerika einführte als früher. Auch importierten die Russen mehr amerikanische Schuhe. Das ergab einen Anstieg um das 2,6-fache. Zugleich verdoppelten sich die Importe von Tierfutter aus den USA, für die es keinerlei Sanktionen gibt.

Handelsbeschränkungen gegen russische Unternehmen und Waren hatten bereits vor dem Februar 2022 einen erheblichen Umfang. Im Januar 2021 galten Sanktionen der USA gegen 742 Personen und Firmen in der Russischen Föderation. Nur gegen Iran verhängten die USA mehr Sanktionen. Das mit Abstand größte Paket von Sanktionen der USA gegen Russland aber wurde nach dem 24. Februar 2022 in Kraft gesetzt. Eine wesentliche Steigerung des russisch- amerikanischen Handels wird nicht möglich sein, solange der militärische Konflikt in der Ukraine nicht durch eine vertragliche Regelung beendet ist.

Die Ausfuhrverbote der USA sind weitreichend und betreffen nicht nur Hightech, Energieträger und Rohstoffe. Sie umfassten neben technologischen Produkten wie Computern auch Waren des täglichen Bedarfs wie Alkohol, Damentaschen, Parfüm, Juwelierwaren und Armbanduhren.
Geschichte der amerikanisch-russischen Handelsbeziehungen
Dabei hat der russisch-amerikanische Handel eine lange und bewegte Geschichte mit Höhepunkten, welche die Welt verändert haben. Die Anfänge dieser Beziehungen gehen auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück. Im Jahre 1799 schuf Zar Pawel I. per Ukas eine monopolartige „Russisch-Amerikanische Kompagnie“. Diese Aktiengesellschaft betrieb Geschäfte in Alaska, das damals zu Russland gehörte. Anfangs ging es vor allem um Pelzhandel. Im 19. Jahrhundert folgte der bis dahin größte russisch-amerikanische Deal. Das Zarenreich verkaufte im Jahre 1867 Alaska für 7,2 Mio. US-Dollar an die Vereinigten Staaten.

Nach der russischen Revolution von 1917 waren zwischenstaatliche Beziehungen beider Länder unterbrochen, die USA verhängten damals die ersten Sanktionen gegen Russland. Zu einer stärkeren Entwicklung des Handels zwischen beiden Ländern kam es erst wieder, nachdem die USA 1933 unter Präsident Franklin Delano Roosevelt diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion aufnahmen. In den Jahren darauf wurde die Sowjetunion Großkunde für amerikanische Fabriken und für Dienstleistungen amerikanischer Ingenieure und Architekten. Zu den mit technologischer US-Hilfe errichteten Betrieben gehörten auch sowjetische Großunternehmen wie das Stahlwerk in Magnitogorsk, das im Krieg gegen Hitlerdeutschland für die Rüstungsindustrie tätig war.

Seit 1924 organisierte vor allem die Amtorg Trading Corporation in den USA den Handel zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten. Dabei ging es vor allem um den Import von Holz, Pelzen, Flachs und Kaviar nach Amerika. Einer der erfolgreichsten Geschäftsleute im Russland-Handel war der amerikanische Großunternehmer Armand Hammer (1898–1990), der unter anderem die Einfuhr von Fordson-Traktoren nach Russland aushandelte. Zu Warenlieferungen aus den USA in beispiellosem Umfang kam es während des Zweiten Weltkrieges. Im Rahmen der Land-Lease-Vereinbarungen lieferten die Amerikaner 400.000 Jeeps und Lkw, 12.000 gepanzerte Fahrzeuge, 11.400 Flugzeuge und 1,75 Mio. Tonnen Lebensmittel – insgesamt Waren im Wert von 11 Mrd. Dollar.

Der Kalte Krieg brachte eine Wende zulasten des Handels. So schufen die USA 1949 gemeinsam mit Verbündeten einen Koordinierungsausschuss für multilaterale Exportkontrollen (Cocom), der die Ausfuhr von Hochtechnologien an die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten verhindern sollte. Dennoch wurden in den Siebzigerjahren US-Unternehmen in der Sowjetunion tätig, unter anderem Pepsi-Cola.
McDonald's und ExxonMobil investieren
Mit dem Beginn von Wirtschaftsreformen in der späten Sowjetunion unter dem Generalsekretär Michail Gorbatschow investierten amerikanische Großunternehmen in sowjetischen Großstädten. So eröffnete im Januar 1990 die Fast-Food-Kette McDonald's ihr erstes Restaurant in Moskau am Puschkin-Platz.

Danach wuchs der russisch-amerikanische Handel kontinuierlich. Im Jahre 2011 lag das bilaterale Handelsvolumen zwischen beiden Ländern bei rund 43 Mrd. US-Dollar. Noch 2016 waren 3000 US-amerikanische Unternehmen in Russland tätig. Dazu gehörte auch der Ölkonzern ExxonMobil, der am Förderprojekt Sachalin I beteiligt war. Nach 2022 zogen sich ExxonMobil und andere US-Konzerne vom russischen Markt zurück.

Präsidentschaftskandidaten zu Russland und Sanktionen
Der Ausgang der amerikanischen Präsidentenwahlen am 5. November dürfte in jedem Fall Auswirkungen auf das Sanktionsregime und den russisch-amerikanischen Handel haben. Die Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, Kamala Harris sprach sich für eine fortgesetzte Unterstützung der Ukraine aus, was auch eine Fortsetzung der Sanktionen einschließt. Harris warf dem Kandidaten der Republikaner, Donald Trump, vor, dieser wolle eine „Aufgabe“ der Ukraine. Sie vertrat im Wahlkampf die These: „Wenn Donald Trump Präsident wäre, würde Putin jetzt in Kiew sitzen“.

Donald Trump äußerte sich zum Ukraine-Konflikt, er würde „die Sache besser regeln, wenn ich Präsident wäre“. Ohne Details zu nennen, behauptete Trump, er habe „einen sehr exakten Plan, wie man die Ukraine und Russland stoppt“. Trump plädierte für einen diplomatischen Umgang mit Russland, das „Napoleon und Hitler geschlagen“ habe. Offen ist dabei, ob die von ihm präferierte Perspektive einer Verhandlungslösung in der Ukraine auch eine Aufhebung oder Reduzierung von Sanktionen beinhalten würde. Damit bleibt die Aussicht auf eine Verbesserung der amerikanisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen auch für den Falle eines Sieges des Kandidaten Trump vage.

Quellen: Frankfurter Rundschau, Forbes (RU), RBC (RU), RIA Novosti (RU), Kommersant (RU), Vedomosti (RU), Financial Times (EN), Welt, Times (EN), Merkur, Al Jazeera (EN)

Trump und Harris zu Russland, Ukraine und Sanktionen

Donald Trump
„Was wir mit den Sanktionen tun, ist, dass wir alle von uns wegdrängen. Ich bin also kein Freund von Sanktionen. (…) In Bezug auf den Iran waren Sanktionen sehr nützlich. (…) Diese Haltung habe ich auch gegenüber China zum Ausdruck gebracht, und Russland befindet sich in einer ähnlichen Lage.“ (Bloomberg, 16.07.2024)

„Sie verlieren den Iran, sie verlieren Russland. China versucht, seine Währung zur dominierenden Währung zu machen. (…) Sanktionen gegen Länder wie Russland schwächen Dollar. (….) Durch die Konflikte mit diesen Ländern verliert der Dollar seine Vormachtstellung.“ (The New Republic, 05.09.2024)

„Es ist immer wieder Russland, Russland, Russland. Aber sie schauen nicht auf China und sie schauen nicht auf den Iran. Sie schauen auf Russland. Ich weiß nicht, was mit dem armen Russland los ist. (…) Ich kannte Putin, ich kannte ihn gut. Kürzlich hat er Kamala unterstützt. Er unterstützte Kamala. Ich war sehr, sehr beleidigt darüber. (...) Ich denke, die Unterstützung wurde vielleicht mit einem Lächeln ausgesprochen und war nicht ernst gemeint.“ (Merkur, 09.09.2024, Trump auf einer Wahlkundgebung)

„Biden hat China und Russland vereint. Das ist eine Schande. Ich werde sie wieder voneinander trennen. Ich glaube, das kann ich machen. (…) Sie bezeichnen mich gerne als Freund Putins, sagen, dass ich für Russland gearbeitet habe und ein russischer Spion war. Diese Menschen sind krank. (…) Nord Stream 2 ist die größte Gaspipeline der Welt, die sich von Russland nach Deutschland erstreckt. Ich habe sie zerstört. Niemand außer mir konnte das tun. Ich habe die Pipeline gestoppt.“ (Tucker Carlson Network, 01.11.2024)

„Wenn ich Präsident wäre, würde ich den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. (…) Dieser Deal wäre einfach. (…) Es hat viel zu tun mit Geld, es hat viel zu tun mit Militärhilfe, die wir liefern. (…) Ich würde jedem Einzelnen von ihnen, Putin und Selensky, bestimmte Dinge sagen, die ich dem Rest der Welt nicht sagen würde, und deshalb kann ich Ihnen nicht viel mehr sagen.“ (Times, ZDF, 08.04.2024, Podcast seines ehemaligen Beraters Sebastian Gorka im März)

Kamala Harris
„Wenn Donald Trump Präsident wäre, würde Putin jetzt in Kiew sitzen und den Rest Europas im Visier haben, angefangen mit Polen. (…) Warum sagen Sie den 800.000 polnischen Amerikanern hier in Pennsylvania nicht, wie schnell Sie um der Gunst willen (den Krieg, Anm. d. Red.) aufgeben würden und was Sie von einer Freundschaft mit einem Diktator halten, der Sie zum Mittagessen verspeisen würde.“ (Welt, 11.09.2024)

„Trump ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf“, sagte die Politikerin beim mehrtägigen Friedensgipfel zum Krieg in der Ukraine.“ (Spiegel, 15.06.2024)

Medien zu Russland- und Sanktionsaussagen von Trump und Harris
„Kein Land aber muss mit solcher Sorge auf den 5. November schauen wie die Ukraine. Für sie ist der Wahlausgang von existenzieller Bedeutung. Harris hat versichert, sie werde das überfallene Land auch weiter unterstützen. Trump hingegen hat sich festgelegt, soweit er überhaupt zu Festlegungen neigt, den Krieg in kürzester Zeit zu beenden. Und nicht nur in Kiew wird befürchtet, dass das am Ende zu Putins Bedingungen erfolgen würde. (…) Ohne massive US-Hilfe wird die Ukraine den Krieg verlieren. Kein anderes Land kann in die Lücke gehen, auch Deutschland, der zweitgrößte Unterstützer, nicht, und schon gar nicht jetzt, da sich hier Hilfsmüdigkeit ausbreitet und prorussische Parteien im Osten Wahlen gewinnen. Die letzte Hoffnung, auf die sich die ukrainische Führung derzeit stützt, ist die Annahme, Trump wolle auf keinen Fall als Loser dastehen, als Verlierer. Bilder triumphierender russischer Truppen, die in Kiew einmarschieren, Videos von Millionen Flüchtlingen, die sich nach Westen aufmachen, ließen den Präsidenten schlecht aussehen. Es gibt deshalb Spekulationen, Trump könnte versuchen, Putin mit Drohungen zu einem halben Einlenken zu bewegen. Aber auch das wären keine erfreulichen Aussichten.“ (Die Zeit, 29.10.2024)

„Was die Frage angeht, wie Putin zu Verhandlungen gezwungen werden kann, wenn er glaubt, dass seine Streitkräfte auf dem Vormarsch sind, schlägt der republikanische Sprecher für nationale Sicherheit im Repräsentantenhaus Mike Waltz vor, dass Trump damit drohen könnte, die russische Wirtschaft durch eine Senkung der Öl- und Gaspreise zu ruinieren. ‚Der Präsident versteht sehr wohl, wie man Druck ausübt und wir erzeugen einen enormen wirtschaftlichen Druck auf Russland‘, sagt er. ‚Der erste Schritt wäre, nach Trumps Worten: 'drill, baby, drill'. Man überschwemmt die Welt mit billigerem, saubererem US-Öl und -Gas. Man drückt den Preis.‘ (…) Trump und sein Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance haben wiederholt ihren Wunsch geäußert, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Die Frage ist nur, wie. Eine seltene Einsicht kam im September, als Vance die Idee eines eingefrorenen Konflikts skizzierte, mit autonomen Regionen auf beiden Seiten einer entmilitarisierten Zone – mit Kiew in der diplomatischen Schwebe, außerhalb der Nato. (…) Laut einem langjährigen Trump-Berater könnte eine Blaupause für die Beendigung des Krieges eine Neuauflage der gescheiterten Minsker Vereinbarungen von 2014 und 2015 sein. Sie sollten die Kämpfe in der Ostukraine zwischen den ukrainischen Streitkräften und den damaligen von Russland unterstützten Separatisten beenden. Diese Pakte sahen einen Plan vor, der die territoriale Integrität der Ukraine bewahrte und gleichzeitig autonome Zonen schaffte. Die Vereinbarungen wurden jedoch niemals umgesetzt.“ (Financial Times, 28.10.2024)

„Während Harris’ außenpolitische Strategie insgesamt auf Erhalt ausgelegt ist, wird Trumps Strategie wahrscheinlich revisionistisch sein. Die Demokraten werden weiterhin versuchen, den Zerfall der alten Weltordnung zu bremsen und unter günstigen Umständen den Prozess sogar umzukehren. Die Republikaner ihrerseits werden versuchen, das Maximum aus dem Möglichen herauszuholen, indem sie die unvermeidbaren Veränderungen in für sie günstige Bahnen lenken. Harris ist eine entschiedene Befürworterin der Globalisierung, Trump hingegen ist durchaus bereit, sich der Anti-Globalisierungsbewegung nicht nur anzuschließen, sondern sie auch anzuführen. Während Harris der Förderung liberaler Werte im Ausland Priorität einräumt, gibt es für Trump keinen prinzipiellen Unterschied zwischen ‚Demokratien‘ und ‚Autokratien‘.“ (Rossiskaja Gaseta, 30.10.2024)

„Harris spricht von einem starken Militär, hat aber keine Vorschläge gemacht, wie dieses angesichts der zunehmenden Bedrohungen wieder erneuert werden könnte. Wenn sie einen inneren Harry Truman in sich trägt, der der Öffentlichkeit die Notwendigkeit einer besseren Verteidigung erklären würde, dann haben wir dafür noch keinen Beweis gesehen. Sollte sie gewinnen, werden Wladimir Putin und Xi Jinping ihren Eifer schnell auf die Probe stellen. Sie scheint auf diesen Test nicht vorbereitet.“ (Wall Street Journal, 30.10.2024)

„Donald Trump hat in seinem Interview mit Tucker Carlson in Bezug auf Nord Stream 2, China und Russland einiges zum Besten gegeben. Es lohnt sich nicht, in seinen Worten Umrisse der Zukunft zu suchen. Er ist ein schillernder Populist und Wichtigtuer, der gern die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Jetzt ist für Trump die goldene Zeit gekommen. Jetzt kann er sehr viel erzählen, damit das Publikum ihm zuhört und über seine Aussagen und Prophezeiungen spricht. Bei Kamala Harris gilt genau das Gegenteil. Sie möchte in aller Ruhe den Wahlkampf über die Bühne bringen, in aller Ruhe ein Präsidentenmandat von den amerikanischen Wählern bekommen und sich dann vier Jahre lang in den Räumlichkeiten des Weißen Hauses vor den Wählern verstecken. Sowohl China als auch Russland interessieren sie wenig. Das ist nach außen hin deutlich sichtbar. Aber die Spielregeln zwingen sie dazu, in aller Öffentlichkeit aufzutreten. Und das tut sie. Sie tut es, ehrlich gesagt, ziemlich schlecht.“ (Rossiskaja Gaseta, 01.11.2024)

„Ein deutscher Spitzenpolitiker, der gerade in den USA war, berichtete über seine Gespräche in Washington: ‚Alle sagen mir, dass sie Harris wählen – und Trump gewinnen wird.‘ Sollte das geschehen, stehen der Welt düstere Jahre bevor. Trump sieht in der Europäischen Union keinen Partner, sondern einen Rivalen, den er mit Strafzöllen belegen will. Er könnte der Nato den Rücken kehren und das Verteidigungsbündnis zu einem Papiertiger machen, weil die europäischen Mitglieder nicht in der Lage wären, den amerikanischen Nuklearschirm zu ersetzen. Trump hat mehr als deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, die Ukraine länger mit Waffenlieferungen zu unterstützen – was im Zweifel heißt, dass Wladimir Putin der Ukraine seine Bedingungen für einen Frieden diktieren kann.“

„Vor allem aber spricht vieles dafür, dass die Vereinigten Staaten, die sich über so viele Jahrzehnte als Verteidiger der Demokratie und des Rechtsstaates verstanden haben, in das Lager der Autokratien wechseln könnte. Trump hat schon häufig seine Bewunderung für das Rechtssystem Chinas geäußert, in dem Drogenhändler nach kurzem Prozess vor einem Erschießungskommando landen. Trumps Lieblingspolitiker in Europa heißt Viktor Orbán, der Ungarn in eine illiberale Demokratie verwandelt hat, in der Gerichte und Medien weitgehend nach der Pfeife des Ministerpräsidenten tanzen.“ (Spiegel, 01.11.2024)

„Für Trump, den Geschäftsmann und Entertainer, ist die Logik, nach der die internationale Ordnung funktioniert, nicht primär militärisch, sondern ökonomisch. (…) In Trumps Sicht ist die Welt nach Staaten organisiert, die entweder mächtig sind und starke Anführer haben oder schwach sind. Die Schwachen müssen sich unterordnen, den Starken Tribut zollen, und die Starken tun nun einmal, was ihnen gefällt. Dabei organisieren die Staaten ihre Interessen mithilfe von Abkommen, ähnlich wie dies Unternehmen tun. (…) Biden ist für Trump ein schwacher Anführer, Putin, Xi oder der nordkoreanische Führer Kim Jong Un sind für ihn hingegen stark und damit interessante Partner für Abkommen, bei denen wirtschaftliche und politische Vorteile verhandelt, Herrschaftsbereiche abgegrenzt und Konflikte vermieden werden.“ (Neue Zürcher Zeitung, 25.10.2024)

„Fast monatlich“ seien neue US-Sanktionen gegen Russland verhängt worden, „und zwar unter den verschiedensten Vorwänden, von rein politischen Gründen bis hin zu Erwägungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs“. Trump habe zwar einige der schärfsten Maßnahmen hinausgezögert, ihnen letztlich aber zugestimmt oder sie in leicht abgeänderter Form selbst eingebracht. So habe er dann behaupten können, dass ‚noch nie ein Präsident so hart gegen Russland vorgegangen‘ sei wie er selbst.“(Merkur, 17.7.2024)

„Wladimir Putin erinnert sich laut eigenen Aussagen nicht daran, dass Donald Trump ihm jemals mit einem Schlag auf Moskau gedroht habe. ‚Es ist nutzlos, Russland zu bedrohen ... aber ich erinnere mich nicht an ein solches Gespräch mit Trump‘, sagte der russische Präsident während einer Pressekonferenz beim BRICS-Gipfel in Kasan, Russland.“ (Focus, 25.10.2024)

„Im Februar sagte der Republikaner, er werde Russland dazu ermutigen, mit jedem ‚säumigen‘ Land, das seinen Beitrag noch nicht geleistet habe, ‚was immer es möchte‘ zu machen. (…) Man könnte meinen, Trump ist einfach in Wahlkampfstimmung. Allerdings könnte vor dem nächsten Nato-Gipfel über eine höhere Abgabe für das Nato-Verteidigungsbudget diskutiert werden, die höchstwahrscheinlich bei 2,5% oder 3% liegen würde. Dieser mögliche Schritt lässt sich auf Russlands Aggression gegen die Ukraine zurückführen. In der Zwischenzeit deuten Trumps Liebe fürs Rampenlicht, seine Neigung zu Chaos und Entscheidungen in letzter Minute darauf hin, dass die jährlichen Nato-Gipfeltreffen unter seiner Präsidentschaft wohl kaum reibungslos verlaufen werden.“ (The Guardian, 29.10.2024)