Fokusanalyse

Goldmarkt in Russland und weltweit

In einem zunehmend komplexen und von immer mehr Unsicherheiten geprägten geopolitischen und finanziellen Umfeld wächst das Interesse sowohl von Staaten als auch von aus verschiedensten Teilen der Welt stammenden Investoren an Gold als sicherer Anlage.

Davon zeugen die von der London Bullion Market Association (LBMA) festgelegten Weltmarktpreise für Gold, die seit zehn Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Hatte Gold 2015 im Schnitt 1160 US‑Dollar je Feinunze gekostet, so waren es gestern 2666 Dollar, das heißt 2,3-mal mehr. Allein im Verlauf des vergangenen Jahres stieg der Goldpreis um 35%, von 1976 Dollar im vierten Quartal 2023 auf 2662 Dollar ein Jahr später.
Die meisten Finanzmarktexperten wie beispielsweise der Chefanalytiker der Schweizer Großbank UBS Giovanni Staunovo prognostizieren, dass die Marktunsicherheit mit der am 20. Januar bevorstehenden Amtseinführung von Donald Trump als nächstem US-Präsidenten anhalten könnte.

In Zeiten von schnell steigenden Preisen würden nationale Währungen an Wert verlieren, da ihre Kaufkraft sinke. Unter solchen Bedingungen werde Gold zu einem „sicheren Hafen“, erklärt der Vizepräsident der Jekaterinburger Investmentgesellschaft Solotaja plata, Alexej Wjasowskij. „Im Gegensatz zu Geld, das in unbegrenzter Menge gedruckt werden kann, sind die Goldreserven begrenzt, und seine Gewinnung ist schwierig und ebenfalls begrenzt“, schreibt er. Dies trage dazu bei, dass das gelbe Metall auch bei wirtschaftlicher Instabilität und steigender Inflation seinen Wert behalte.

Als Beispiel führt der Experte die Situation an den Märkten im Jahr 2008 an, als die Zentralbanken während der Finanzkrise begannen, massiv Geld zu drucken“, um die Wirtschaft anzukurbeln. Damals stiegen die Goldpreise von 800 auf 1900 Dollar pro Unze, da die Anleger Schutz vor möglicher Inflation suchten. „Dies wiederholte sich während der Corona-Epidemie, und auch das aktuelle Rekordwachstum ist keine Ausnahme“, so Wjasowskij.

Struktur des globalen Goldmarktes
Dem Londoner Branchenverband World Gold Council (WGC) zufolge legten 2023 allein die Zentralbanken 1050 Tonnen Gold an. Dabei handelte es sich um den historisch zweithöchsten jährlichen Wert, welcher das Allzeithoch von 1082 Tonnen im Jahr 2022 nur knapp unterbot. Nach diesen Rekordzahlen wird Gold von den Zentralbanken weiterhin als unverzichtbare Reservewährung betrachtet. Laut der jüngsten Umfrage zu den Goldreserven der Zentralbanken, die der WGC zwischen Februar und April 2024 durchführte, beabsichtigten 20 von insgesamt 70 befragten Zentralbanken, ihre Goldreserven binnen eines Jahres zu erhöhen.

Das war der höchste Wert seit Beginn dieser Umfrage im Jahr 2018. Die Kauf-Pläne waren „hauptsächlich durch den Wunsch motiviert, eine Neuausrichtung mit Blick auf die Erreichung eines bevorzugten strategischen Goldbestände-Niveaus, die inländische Goldproduktion sowie finanzmarktbezogene Bedenken einschließlich höherer Krisenrisiken und steigender Inflation vorzunehmen“, fasst der WGC die Umfrageergebnisse zusammen.

Die Zentralbanken waren 2023 zum zweitwichtigsten Kundensegment für Gold nach der Schmuck-branche geworden, die 2191 Tonnen, also immer noch die 2,1-fache Menge Gold verbrauchte. Private Anleger, die 945 Tonnen kauften, hatten die Währungshüter aber erstmals auf Platz drei der Nachfrage verdrängt. Mikrochiphersteller und andere Hightech-Unternehmen bildeten die viertwichtigste Goldkundengruppe, die 305 Tonnen nachfragte. Insgesamt hatte der globale Goldmarkt 2023 ein Volumen von 4490 Tonnen.

In den ersten drei Quartalen 2024 belief sich die weltweite Nachfrage nach Gold auf 3259 Tonnen, um 3% weniger als im Januar – September 2023. Die Zentralbanken erwarben im 9-Monats-Zeitraum 694 Tonnen Gold, um 17% weniger als im Vorjahr. Somit fielen sie wieder hinter privaten Anlegern zurück, die ihre Goldinvestitionen um 22% auf 834 Tonnen aufstockten. Schmuckhersteller kauften auch in den betrachteten neun Monaten am meisten Gold, 1488 Tonnen, was aber zum Vorjahr einen Rückgang um 7% bedeutet. Technologiefirmen bestellten mit 244 Tonnen um 9% mehr Gold als ein Jahr zuvor.

Die Goldmarktanteile der vier Segmente waren im Januar – September 2024 also wie folgt: Schmuckindustrie 46%, private Investoren 26%, Zentralbanken 21% und Hightech-Branche 7%. In den ersten drei Quartalen 2023 hatten ihre Werte bei 48%, 20%, 25% sowie 7% gelegen.

Goldreserven der Russischen Zentralbank
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die weltweit vorhandenen nationalen Goldreserven auf ca. 36.000 Tonnen. Zwei Drittel dieses Goldes werden von den Zentralbanken dieser zehn Länder gehalten: USA, Deutschland, Italien, Frankreich, Russland, China, Schweiz, Japan, Indien und Niederlande. Laut dem WGC summierten sich die Reserven dieser zehn Länder zur Jahresmitte 2024 auf rund 24.000 Tonnen.
Russland verfügte vor einem halben Jahr über Goldreserven von ca. 2300 Tonnen, deren Wert sich laut der Russischen Zentralbank auf knapp 175 Mrd. Dollar bezifferte. Der Anteil von Gold an den gesamten Devisenreserven Russlands betrug damals 29%. Seitdem ist er zum 1. Dezember 2024 auf 32% und der Goldreserven-Wert um 14% auf 198 Mrd. Dollar gestiegen. Einen Monat früher hatte er sogar 208 Mrd. Dollar erreicht. Damit war zum ersten Mal die 200-Milliarden-Dollar-Marke geknackt worden. Der Goldanteil an den Devisenreserven liegt in Russland aktuell so hoch wie seit 1999 nicht mehr.

Das russische Wirtschaftsportal RBC hat berechnet, dass Russland zwischen 2013 und 2023 seine nationalen Goldreserven stärker ausgebaut hat als jedes andere Land. Der Zuwachs lag in den zehn Jahren bei 1298 Tonnen. Chinas Goldreserven wurden in dem Zeitraum um 1181 Tonnen größer. Die Türkei wurde um 424 Tonnen Gold reicher, Polen um 256 Tonnen und Indien um 246 Tonnen.

Goldproduktion und -verbrauch in Russland
Das Land, das gegenwärtig am meisten Gold fördert, ist China. Seine Produktionsmenge lag 2023 bei 370 Tonnen. Russland und Australien teilten sich mit einer Fördermenge von jeweils 310 Tonnen den zweiten Platz. Die russische Produktion von raffiniertem Gold aus mineralischen Rohstoffen war nach einer Wachstumsphase von mehr als zehn Jahren im Jahr 2022 auf 309 Tonnen gesunken, was 4% unter dem Niveau von 2021 liegt. 2023 belief sie sich auf 310 Tonnen.
Mit Stand vom 1. Januar 2023 beliefen sich die russischen Goldreserven nach vorläufigen Angaben des Rohstoff- und Umweltministeriums auf 16.417 Tonnen, die in 5674 Lagerstätten enthalten waren. Die wichtigsten Goldvorkommen Russlands befinden sich in Sibirien und im Fernen Osten. Auf sie entfallen 86% der russischen Gesamtreserven an Gold.

Die zentralsibirische Region Krasnojarsk ist mit einem Anteil von 19% an der gesamten Goldproduktion Russlands führend. Die zweitwichtigste Goldförderregion ist die Teilrepublik Sacha (Jakutien) in Ostsibirien mit einem Anteil von 16% an der Gesamtproduktion, die im Jahr 2022 das fernöstliche Gebiet Magadan (14%) überholte.
Der größte Goldproduzent Russlands ist das Unternehmen Poljus mit Hauptsitz in Moskau. Es stellt ein Viertel der russischen Gesamtproduktion und besitzt 38% der bilanzierten Reserven. Der zweitgrößte russische Goldproduzent mit einem Anteil von 9% ist der Konzern Polymetal International, der 2023 seine Zentrale von der im Ärmelkanal liegenden Insel Jersey in die kasachische Hauptstadt Astana verlegte. Weitere wichtige Hersteller mit einem Marktanteil von je 7% sind UGMK mit Firmensitz im Jekaterinburger Vorort Werchnjaja Pyschma und die Moskauer Highland Gold-Gruppe.

Im Jahr 2022 belief sich der Goldverbrauch in Russland auf mehr als 140 Tonnen. Die Nachfrage der Bevölkerung nach Goldbarren lag bei 75 Tonnen. Sie wurde durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf den Kauf von Goldbarren durch Privatpersonen sowie die Befreiung deren Verkaufs von der Einkommenssteuer für die Jahre 2022 und 2023 begünstigt. 23 Tonnen Gold wurden von der russischen Schmuckindustrie verbraucht. Das waren um ein Fünftel weniger als 2021, was Experten auf höhere Preise für die Endprodukte sowie Änderungen der Verbraucherpräferenzen zugunsten der Investitionskäufe zurückführen. Die Zentralbank beschaffte 2022 netto 31 Tonnen und der staatliche Edelmetallverwahrer Gochran 12 Tonnen Gold.

Quellen: LBMA, Reuters, RBC 1, 2, World Gold Council 1, 2, 3, Russ. Zentralbank, Ministerium für Ökologie und natürliche Ressourcen RF