
Der russische Onlinehandel hat in den vergangenen Jahren eine steile Wachstumskurve hingelegt. Dieser Erfolg geht Hand in Hand mit einem schnellen Lieferservice, den weder verwöhnte Großstädter noch die Menschen in den russischen Regionen missen wollen. Ob mit dem Auto, zu Fuß oder mit dem E-Bike an Passanten vorbeiziehend – Zusteller gehören inzwischen vielerorts in Russland zum vertrauten Stadtbild. Die hohe Nachfrage schlägt sich auch in den Gehältern der Kuriere nieder – manche Kritiker sprechen sogar von einer Marktanomalie.
Reger Onlinehandel
In russischen Metropolen gehört der Lieferservice längst zum Alltag. Neu ist, dass auch die russischen Regionen zunehmend in den Genuss von Online-Bestellungen kommen. Nach Angaben des russischen Versanddienstleisters Nord Delivery stieg zum Beispiel im 3. Quartal 2024 die Zahl der Bestellungen in Moskau um 21% gegenüber dem Vorjahreszeitraum, in den Millionenmetropolen (St. Petersburg ausgenommen) waren es im Schnitt 47%. Die fleißigsten Besteller gab es jedoch in den russischen Regionen, in denen ein Plus von 64% verzeichnet wurde. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr russlandweit 781 Mio. Bestellungen getätigt (+32%).
Der russische Online-Lebensmittelmarkt belief sich 2024 auf 1,28 Bio. Rubel (13,9 Mrd. Euro) gegenüber 917,5 Mrd. (9,8 Mrd. Euro) im Vorjahr, belegen Zahlen des Datenanalysten Infoline. Zum Vergleich: In Deutschland betrug das Marktvolumen dieses Segments 12,5 Mrd. Euro, wie aus Daten des Unternehmensberaters Imarc Group für 2024 hervorgeht.
Spitzenreiter unter den russischen Online-Lebensmittelhändlern ist Samokat, der seinen Umsatz auf 248,9 Mrd. (2,7 Mrd. Euro, +50,5%) steigern konnte. Gefolgt von X5 Digital, der Online-Sparte der Х5 Group, zu der die russischen Lebensmittelketten Pjatjorotschka, Perekrjestok und Tschischik gehören: Der Umsatz des Unternehmens betrug 217,3 Mrd. Rubel (2,3 Mrd. Euro, +61%). Kuper (ehemals Sbermarket) steht an dritter Stelle und erwirtschaftete im vergangenen Jahr 204,2 Mrd. Rubel (2,2 Mrd. Euro, +23,3%). Platz vier geht an die Biolebensmittel-Kette VkusVill mit 189,5 Mrd. Rubel (2,03 Mrd. Euro, +35,4%) und Platz fünf an Yandex Lavka und Yandex Market, die zusammen auf 137,5 Mrd. Rubel (1,5 Mrd. Euro, +59,2%) kommen.
Schnell muss es gehen
Im Schnitt gaben die Verbraucher im vergangenen Jahr 1700 Rubel (18 Euro) für Online-Lebensmittel pro Bestellung aus, belegt das Finanzportal Platforma OFD. Das Segment Express-Bestellungen, die zehn Minuten bis zu einer Stunde dauern können, zeigte sich besonders umsatzstark: 256 Mrd. Rubel (2,7 Mrd. Euro) und somit ein Anstieg von 42,2% gegenüber 2023.
Heutzutage legen Verbraucher großen Wert auf schnellen Lieferservice. Laut einer Studie von Data Insight geben 70% der Befragten an, dass schneller Lieferservice für sie Priorität habe. 24% sind sogar bereit, für eine Express-Zustellung tiefer in die Tasche zu greifen. Um näher an den Kunden zu sein und Online-Bestellungen in Windeseile liefern zu können, bauen die Internethändler ihr Dark-Store-Netz aus. Dabei handelt es sich um Distributionszentren, in denen Lebensmittel und Waren fürs Internet-Shopping gelagert werden. Samokat habe im vergangenen Jahr seine Online-Lagerflächen um 550 auf 2300 erhört, Yandex Lavka um 46 auf 550, schreibt der Marktanalyst Tadviser.
Essenslieferungen gehören ebenfalls zu einem wichtigen Segment der Lieferdienste. Nach Angaben der russischen Wirtschaftszeitung RBC betrug das Volumen der Online-Gastronomie im vorigen Jahr 648,7 Mrd. Rubel (7 Mrd. Euro, +30). Im Pandemiejahr 2020, einem Schlüsseljahr sowohl für Onlinehandel als auch Lieferdienste, betrug der Umsatz in diesem Segment 266,2 Mio. Rubel (2,9 Mrd. Euro) und somit weniger als die Hälfte des heutigen Marktvolumens.
Traumjob Zusteller?
Schon seit geraumer Zeit sorgen Zusteller mit ihren Gehältern für Schlagzeilen. Mitte März berichtete das Stellenportal SuperJob, dass die Löhne der Moskauer Kuriere um 41% gestiegen sind. Demnach liegt der Medianlohn der Zusteller in der russischen Hauptstadt bei 130.000 Rubel (1430 Euro) im Monat. Damit verdienten die Lieferboten besser als Fachkräfte mit Hochschulabschluss, deren Medianlohn in Moskau 105.000 Rubel (1150 Euro) betrage, schrieb das Portal und gab als Hauptgrund die hohe Nachfrage im boomenden E-Commerce-Sektor bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel an. Nach Angaben des größten russischen Carsharing-Anbieters Delimobil fehlen in der Branche zurzeit über 200.000 Kuriere.
Laut Yandex betrug das monatliche Durchschnittseinkommen der Kuriere im vergangenen Jahr 91.700 Rubel (987 Euro). In Deutschland liegt das Durchschnittsgehalt eines Zustellers im Online-Lieferservice bei 1764 Euro. Branchenspezialisten weisen darauf hin, dass das Einkommen der Lieferboten stark an die Zahl der geleisteten Lieferungen gekoppelt ist. Ein fleißiger Zusteller verdiene bei VkusVill 5000 bis 7000 Rubel pro Tag (54 bis 75 Euro), teilte das Unternehmen mit. Sein Anteil an einer Bestellung variiere zwischen 90 und 350 Rubel (1 bis 3,7 Euro). VkusVill beschäftigt nach eigenen Angaben 18.000 Zusteller – das sind 20% mehr als Anfang 2024. Viele Lieferboten sind Migranten aus den mit Russland benachbarten mittelasiatischen Ländern. Nach Schätzungen des russischen Ministeriums für Industrie und Handel waren im vergangenen Dezember nicht weniger als 1,5 Mio. Kuriere hautberuflich oder als Nebenverdienst in Russland tätig.
„Anomal“ vs. marktbedingt
Die „anomal hohen Gehälter“ in Russland für unqualifiziertes Personal würden zu einer „Degradierung von Humankapital“ führen, kritisierte SuperJob-Präsident Alexej Sacharow. Dem widerspricht der Verband der Internethändler AKIT: Zusteller sei kein vollwertiger Beruf, sondern ein vorübergehender Zuverdienst, der von hoher Fluktuation geprägt sei, erklärt der Verband. Im Vergleich zu traditionellen Berufen gebe es in diesem Job keine Aufstiegschancen, womit er für studierte Fachkräfte unattraktiv sei, geben Experten zu bedenken.
Der Präsident des russischen Spediteur- und Lieferdienstverbandes MAKS, Alexander Mitjukow, prognostiziert auch für dieses Jahr eine anhaltende Zusteller-Nachfrage. Innerhalb der Lieferdienstbranche verschärfe sich der Wettbewerb um Arbeitskräfte, das habe auch steigende Kosten für die Gewinnung und Bindung von Zustellern zur Folge, erklärt der Experte. Nach seiner Auffassung müssten diese Kosten allerdings wirtschaftlich sinnvoll sein. „Hier ein Gleichgewicht zu finden ist eine schwierige Aufgabe, die die Unternehmen 2025 zu lösen haben werden“, resümiert er.
Quellen: Tadviser 1, 2, RBC 1, 2, New Retail (alle RU) Stellenanzeigen.de, IMARC Group
Reger Onlinehandel
In russischen Metropolen gehört der Lieferservice längst zum Alltag. Neu ist, dass auch die russischen Regionen zunehmend in den Genuss von Online-Bestellungen kommen. Nach Angaben des russischen Versanddienstleisters Nord Delivery stieg zum Beispiel im 3. Quartal 2024 die Zahl der Bestellungen in Moskau um 21% gegenüber dem Vorjahreszeitraum, in den Millionenmetropolen (St. Petersburg ausgenommen) waren es im Schnitt 47%. Die fleißigsten Besteller gab es jedoch in den russischen Regionen, in denen ein Plus von 64% verzeichnet wurde. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr russlandweit 781 Mio. Bestellungen getätigt (+32%).
Der russische Online-Lebensmittelmarkt belief sich 2024 auf 1,28 Bio. Rubel (13,9 Mrd. Euro) gegenüber 917,5 Mrd. (9,8 Mrd. Euro) im Vorjahr, belegen Zahlen des Datenanalysten Infoline. Zum Vergleich: In Deutschland betrug das Marktvolumen dieses Segments 12,5 Mrd. Euro, wie aus Daten des Unternehmensberaters Imarc Group für 2024 hervorgeht.
Spitzenreiter unter den russischen Online-Lebensmittelhändlern ist Samokat, der seinen Umsatz auf 248,9 Mrd. (2,7 Mrd. Euro, +50,5%) steigern konnte. Gefolgt von X5 Digital, der Online-Sparte der Х5 Group, zu der die russischen Lebensmittelketten Pjatjorotschka, Perekrjestok und Tschischik gehören: Der Umsatz des Unternehmens betrug 217,3 Mrd. Rubel (2,3 Mrd. Euro, +61%). Kuper (ehemals Sbermarket) steht an dritter Stelle und erwirtschaftete im vergangenen Jahr 204,2 Mrd. Rubel (2,2 Mrd. Euro, +23,3%). Platz vier geht an die Biolebensmittel-Kette VkusVill mit 189,5 Mrd. Rubel (2,03 Mrd. Euro, +35,4%) und Platz fünf an Yandex Lavka und Yandex Market, die zusammen auf 137,5 Mrd. Rubel (1,5 Mrd. Euro, +59,2%) kommen.
Schnell muss es gehen
Im Schnitt gaben die Verbraucher im vergangenen Jahr 1700 Rubel (18 Euro) für Online-Lebensmittel pro Bestellung aus, belegt das Finanzportal Platforma OFD. Das Segment Express-Bestellungen, die zehn Minuten bis zu einer Stunde dauern können, zeigte sich besonders umsatzstark: 256 Mrd. Rubel (2,7 Mrd. Euro) und somit ein Anstieg von 42,2% gegenüber 2023.
Heutzutage legen Verbraucher großen Wert auf schnellen Lieferservice. Laut einer Studie von Data Insight geben 70% der Befragten an, dass schneller Lieferservice für sie Priorität habe. 24% sind sogar bereit, für eine Express-Zustellung tiefer in die Tasche zu greifen. Um näher an den Kunden zu sein und Online-Bestellungen in Windeseile liefern zu können, bauen die Internethändler ihr Dark-Store-Netz aus. Dabei handelt es sich um Distributionszentren, in denen Lebensmittel und Waren fürs Internet-Shopping gelagert werden. Samokat habe im vergangenen Jahr seine Online-Lagerflächen um 550 auf 2300 erhört, Yandex Lavka um 46 auf 550, schreibt der Marktanalyst Tadviser.
Essenslieferungen gehören ebenfalls zu einem wichtigen Segment der Lieferdienste. Nach Angaben der russischen Wirtschaftszeitung RBC betrug das Volumen der Online-Gastronomie im vorigen Jahr 648,7 Mrd. Rubel (7 Mrd. Euro, +30). Im Pandemiejahr 2020, einem Schlüsseljahr sowohl für Onlinehandel als auch Lieferdienste, betrug der Umsatz in diesem Segment 266,2 Mio. Rubel (2,9 Mrd. Euro) und somit weniger als die Hälfte des heutigen Marktvolumens.
Traumjob Zusteller?
Schon seit geraumer Zeit sorgen Zusteller mit ihren Gehältern für Schlagzeilen. Mitte März berichtete das Stellenportal SuperJob, dass die Löhne der Moskauer Kuriere um 41% gestiegen sind. Demnach liegt der Medianlohn der Zusteller in der russischen Hauptstadt bei 130.000 Rubel (1430 Euro) im Monat. Damit verdienten die Lieferboten besser als Fachkräfte mit Hochschulabschluss, deren Medianlohn in Moskau 105.000 Rubel (1150 Euro) betrage, schrieb das Portal und gab als Hauptgrund die hohe Nachfrage im boomenden E-Commerce-Sektor bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel an. Nach Angaben des größten russischen Carsharing-Anbieters Delimobil fehlen in der Branche zurzeit über 200.000 Kuriere.
Laut Yandex betrug das monatliche Durchschnittseinkommen der Kuriere im vergangenen Jahr 91.700 Rubel (987 Euro). In Deutschland liegt das Durchschnittsgehalt eines Zustellers im Online-Lieferservice bei 1764 Euro. Branchenspezialisten weisen darauf hin, dass das Einkommen der Lieferboten stark an die Zahl der geleisteten Lieferungen gekoppelt ist. Ein fleißiger Zusteller verdiene bei VkusVill 5000 bis 7000 Rubel pro Tag (54 bis 75 Euro), teilte das Unternehmen mit. Sein Anteil an einer Bestellung variiere zwischen 90 und 350 Rubel (1 bis 3,7 Euro). VkusVill beschäftigt nach eigenen Angaben 18.000 Zusteller – das sind 20% mehr als Anfang 2024. Viele Lieferboten sind Migranten aus den mit Russland benachbarten mittelasiatischen Ländern. Nach Schätzungen des russischen Ministeriums für Industrie und Handel waren im vergangenen Dezember nicht weniger als 1,5 Mio. Kuriere hautberuflich oder als Nebenverdienst in Russland tätig.
„Anomal“ vs. marktbedingt
Die „anomal hohen Gehälter“ in Russland für unqualifiziertes Personal würden zu einer „Degradierung von Humankapital“ führen, kritisierte SuperJob-Präsident Alexej Sacharow. Dem widerspricht der Verband der Internethändler AKIT: Zusteller sei kein vollwertiger Beruf, sondern ein vorübergehender Zuverdienst, der von hoher Fluktuation geprägt sei, erklärt der Verband. Im Vergleich zu traditionellen Berufen gebe es in diesem Job keine Aufstiegschancen, womit er für studierte Fachkräfte unattraktiv sei, geben Experten zu bedenken.
Der Präsident des russischen Spediteur- und Lieferdienstverbandes MAKS, Alexander Mitjukow, prognostiziert auch für dieses Jahr eine anhaltende Zusteller-Nachfrage. Innerhalb der Lieferdienstbranche verschärfe sich der Wettbewerb um Arbeitskräfte, das habe auch steigende Kosten für die Gewinnung und Bindung von Zustellern zur Folge, erklärt der Experte. Nach seiner Auffassung müssten diese Kosten allerdings wirtschaftlich sinnvoll sein. „Hier ein Gleichgewicht zu finden ist eine schwierige Aufgabe, die die Unternehmen 2025 zu lösen haben werden“, resümiert er.
Quellen: Tadviser 1, 2, RBC 1, 2, New Retail (alle RU) Stellenanzeigen.de, IMARC Group