Fokusanalyse

Russischer Pharmamarkt

Der russische Markt für Arzneimittel erreichte im vergangenen Jahr ein Volumen von 2,2 Bio. Rubel, umgerechnet 24 Mrd. Euro. Nominal waren das um 60% mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Real, also unter der Berücksichtigung der Inflation, wuchs der Markt zwischen 2019 und 2023 um 24%. Nachdem der Anteil importierter Medikamente im ersten Corona-Jahr 2020 wertmäßig von 70% auf 56% sowie nach Packungen von 40% auf 31% zurückgegangen war, sind diese Werte recht stabil geblieben. 2023 lagen sie laut dem Moskauer Analysedienst AlphaRM bei 55% bzw. 31%.

Der russische Markt für Arzneimittel erreichte im vergangenen Jahr ein Volumen von 2,2 Bio. Rubel, umgerechnet 24 Mrd. Euro. Nominal waren das um 60% mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Real, also unter der Berücksichtigung der Inflation, wuchs der Markt zwischen 2019 und 2023 um 24%. Nachdem der Anteil importierter Medikamente im ersten Corona-Jahr 2020 wertmäßig von 70% auf 56% sowie nach Packungen von 40% auf 31% zurückgegangen war, sind diese Werte recht stabil geblieben. 2023 lagen sie laut dem Moskauer Analysedienst AlphaRM bei 55% bzw. 31%.

Öffentliche Beschaffungen und Apothekenvertrieb
Bei öffentlichen Beschaffungen von Arzneimitteln war im zweiten Corona-Jahr 2021 der bisherige Höchstwert erreicht worden, ca. 950 Mrd. Rubel, was damals 11 Mrd. Euro entsprach. 2021 und 2022 wurde besonders viel Geld für Medikamente zur Behandlung von Covid-19 in staatlichen Krankenhäusern ausgegeben. Der Anteil der öffentlich finanzierten Arzneimittelausgaben war von 32% im Jahr 2018 auf 42% drei Jahre später geklettert. Inzwischen hat er sich normalisiert und belief sich von Januar bis Juli dieses Jahres laut dem Moskauer Branchenanalytiker DSM Group auf nur noch 29%, um fünf Prozentpunkte weniger als in den ersten sieben Monaten 2023.

Trotz des Ausgabensprunges bei staatlichen Beschaffungen während Corona entwickelte sich der Vertrieb von Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln sowie Parapharmazeutika an Apotheken zwischen 2019 und 2023 insgesamt dynamischer als das öffentliche Marktsegment. Laut AlphaRM belief sich die jährliche Zuwachsrate in diesem Zeitraum auf 14%. Nach Angaben der DSM Group wuchs der Pharma-Einzelhandelsmarkt von Januar bis Juli 2024 zum Vorjahr um 16% auf 1,1 Bio. Rubel, umgerechnet 12 Mrd. Euro. Das Gesamtjahresergebnis könnte dementsprechend zwei Bio. Rubel (20 Mrd. Euro) betragen, so die aktuellen Prognosen.

Immer mehr Apotheken
Ein Indikator für die hohe Dynamik im Pharma-Einzelhandel ist die wachsende Zahl der Apotheken, die den russischen Patienten zur Verfügung stehen. Waren 2019 landesweit 64.000 Apotheken in Betrieb, so lag die Apothekenzahl im vergangenen Jahr bei 79.000, d.h. um 23% höher. Im ersten Halbjahr stieg sie um weitere 2% auf 82.000. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren hatte es in Russland 55.000 Apotheken gegeben, also um ein Drittel weniger als heute.
In Apotheken sind in den vergangenen Jahren mehr Arzneimittel der höheren Preisklassen verkauft worden. Der Anteil von Medikamenten mit einem Preis von mehr als 1000 Rubel (aktuell 9,5 Euro) an den Gesamtverkäufen der Apotheken wuchs von 28% im Jahr 2022 auf 30% in 2023 sowie auf 34% in den ersten sieben Monaten 2024. Auch der Anteil von Medikamenten, die zwischen 500 und 1000 Rubel (4,8 – 9,5 Euro) kosteten, stieg an: Hatte er 2022 bei 28% und 2023 bei 29% gelegen, so erhöhte er sich von Januar bis Juli 2024 auf 30%. Auf Medikamente, die zwischen 100 und 500 Rubel (1– 4,8 Euro) kosteten, entfielen in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur noch 32%, nach 36% im Jahr 2023 sowie 38% in 2022.

Die fortschreitende Verschiebung der Nachfrage zugunsten teurerer Medikamente liegt einerseits an der insgesamt größer werdenden Kaufkraft der Russen, deren Medianeinkommen wächst. Ein anderer Grund für den Trend ist die Inflation, auch wenn die Preise für Pharmazeutika nach Aussagen russischer Behördenvertreter, etwa des stellvertretenden Gesundheitsministers Sergej Glagolew, langsamer steigen als die Preise im Warenkorb, die das Statistikamt Rosstat für die Inflationsberechnung erhebt.

Originalpräparate und Generika
2023 belief sich das Volumen des russischen Marktes für Originalmedikamente auf 1,4 Bio. Rubel, umgerechnet 15 Mrd. Euro, während der Umsatz mit Generika, also Nachahmungen von Erstanbieterpräparaten, bei 843 Mrd. Rubel (9 Mrd. Euro) lag. Auf Originalpräparate entfielen 62% sowie auf Nachahmerpräparate 38% des Gesamtmarktes. Da der Generikaumsatz im Zeitraum von 2019 bis 2023 mit 17% schneller stieg als der Umsatz mit Originalpräpaten mit 12% pro Jahr, lag der Gesamtmarktanteil von Generika 2023 um vier Prozentpunkte höher als 2019. Die AlphaRM-Analytiker weisen in ihrem jüngsten Jahresbericht darauf hin, dass die Umstellung von Originalpräparaten auf Generika bei Hormonpräparaten (außer Sexualhormonen), antimikrobiellen Medikamenten zur systemischen Anwendung sowie Arzneimitteln zur Behandlung von Störungen der Sinnesverarbeitung besonders ausgeprägt war.

Dass sich das Generikageschäft in den vergangenen Jahren insgesamt besser entwickelte als das Originalpräparate-Segment, führen Experten auf den Wertverfall des Rubel zurück, der Importe von Originalmedikamenten weniger erschwinglich macht, sowie auf die zuletzt verstärkte Förderung der einheimischen Pharmahersteller, die sich in der Regel auf Generika spezialisieren. Dank zahlreicher Produktionsanläufe und Markteintritte gelang es der russischen Generikaindustrie, den Umsatz im Zeitraum von 2019 bis 2023 durchschnittlich um 29% pro Jahr zu steigern, während die Verkäufe von ausländischen Generika um 10% jährlich zunahmen. In der Folge kontrollieren einheimische Hersteller inzwischen wertmäßig 45% sowie in Packungen 69% des russischen Generikamarktes.

Die Rangliste der zehn größten Generika-Hersteller in Russland sah 2023 wie folgt aus:

  1. Ozon Pharmazewtika, 2001 in Russland gegründet, Jahresumsatz 38 Mrd. Rubel (412 Mio. Euro)
  2. KRKA, 1954, Slowenien, 36 Mrd. Rubel (395 Mio. Euro)
  3. Binnopharm Group, 2020, Russland, 33 Mrd. Rubel (364 Mio. Euro)
  4. BIOCAD, 2001, Russland, 31 Mrd. Rubel (337 Mio. Euro)
  5. Teva, 1935, Israel, 28 Mrd. Rubel (301 Mio. Euro)
  6. Dr. Reddy’s, 1984, Indien, 25 Mrd. Rubel (276 Mio. Euro)
  7. STADA (Nischpharm), 1895, Deutschland, 23 Mrd. Rubel (253 Mio. Euro)
  8. VERTEX, 1999, Russland, 23 Mrd. Rubel (247 Mio. Euro)
  9. Pharmstandard, 2003, Russland, 21 Mrd. Rubel (231 Mio. Euro)
  10. Akrikhin, 1936, Russland, 21 Mrd. Rubel (224 Mio. Euro)

AlphaRM rechnet damit, dass der russische Generikamarkt auch künftig schneller wachsen dürfte als der Originalpräparatemarkt, und zwar um 18% gegenüber 7% jährlich im Zeitraum von 2023 bis 2030. Wenn sich diese Prognose bewahrheitet, wird der Generikamarkt ab 2029 größer sein als der Markt für Originalmedikamente. 2030 könnte der Generikaumsatz 2,8 Bio. Rubel umfassen, 3,5-mal mehr als 2023. Der Wert des Originalpräparatemarktes könnte in sechs Jahren 2,2 Bio. Rubel betragen, um 57% mehr als im vergangenen Jahr.
Pharma-Importe
Obwohl sich der Anteil der ausländischen Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel sowie Parapharmazeutika am russischen Gesamtmarkt seit 2020 kaum verändert hat, wurden 2023 laut DSM Group mit 13,3 Mrd. US-Dollar wertmäßig um ein Viertel mehr Güter dieser Kategorien importiert als im ersten Corona-Jahr mit 10,6 Mrd. US-Dollar. Der Pharmamarkt wuchs zwischen 2020 und 2023 insgesamt um 26% auf 2,6 Bio. Rubel, sein Dollarwert vergrößerte sich in diesem Zeitraum aber nur um 7% auf 30 Mrd. US-Dollar.
Nach dem 2022 erreichten Höchstwert von 15,2 Mrd. US-Dollar gingen die Arzneimittelimporte 2023 um 13% zurück. Die Anzahl importierter Packungen stieg aber um 5% auf knapp 1,8 Mrd. Stück. Das bedeutet, dass der durchschnittliche Packungspreis sank, obwohl der Rubel zum Dollar um ein Fünftel abwertete. Dies deutet auf die wachsende Bedeutung von Herkunftsländern hin, die günstigere Medikamente liefern, beispielsweise Indien.

Laut DSM Group entfielen 2022 auf westliche Länder noch zwei Drittel der russischen Pharma-Importe. Deutschland führte mit 18%, oder 2,7 Mrd. US-Dollar. Die Schweiz und die USA folgten mit jeweils 9%, oder 1,3 Mrd. US-Dollar, auf Platz zwei und drei. Der Gesamtwert der Pharmaimporte aus dem Westen belief sich auf rund 10 Mrd. US-Dollar. Laut dem Statistischen Bundesamt lieferte Deutschland 2022 pharmazeutische und ähnliche Erzeugnisse im Wert von 3,1 Mrd. Euro nach Russland. 2023 waren es mit 2,3 Mrd. Euro um 26% weniger.
In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres war der deutsche Konzern Bayer Spitzenreiter auf dem russischen Pharmamarkt. Sein Umsatz in Russland belief sich in diesem Zeitraum auf 36 Mrd. Rubel (367 Mio. Euro) und sein Marktanteil lag bei knapp 4%. Dicht dahinter folgte der seit Februar unter dem Namen „Nischpharm“ firmierende deutsche Generikahersteller STADA (365 Mio. Euro, Marktanteil ebenfalls 4%). Servier (Frankreich) belegte mit 308 Mio. Euro Umsatz den dritten, Abbott (USA, 291 Mio. Euro) den vierten sowie OTC Pharm (Russland, 269 Mio. Euro) den fünften Platz. Sie besaßen einen Marktnteil von jeweils 3%.

Quellen: Alpharm, DSM Group, Interfax, Pharmavestnik (alle RU), Statistisches Bundesamt