
2024 wuchs die russische Wirtschaft erneut viel stärker als fast alle Beobachter vor einem Jahr erwartet hatten. Inzwischen gehen die meisten Experten davon aus, dass sich die erstmals Anfang September von der russischen Regierung veröffentlichte Wachstumsprognose von 3,9% weitgehend bestätigen dürfte. Allerdings rechnet die große Mehrheit der Beobachter damit, dass sich Russlands Wirtschaft in den Jahren 2025 und 2026 deutlich stärker abkühlen wird als die russische Regierung in ihrer Haushaltsplanung mit Wachstumsraten von 2,5% im Jahr 2025 und 2,6% im Jahr 2026 annimmt.
Aber selbst wenn das Wachstum 2025 auf nur noch rund 1,5% sinken sollte, kann man wohl wie einige russische Analysten von einer „sanften Landung“ der überhitzten russischen Konjunktur sprechen. Umstritten ist, ob die Wirtschaft 2026 wieder mehr Fahrt aufnehmen wird. Das Konjunkturforschungsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften (IEF RAS) prognostiziert zwar, dass der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts schon 2026 fast wieder 3% erreicht. Bei der jüngsten Analysten-Umfrage der russischen Zentralbank erwarteten die Teilnehmer aber für 2026 im Durchschnitt nur 1,7% Wachstum. Viele meinen, der russische „Militärkeynesianismus“ habe inzwischen seine Grenzen erreicht, zumindest was die Steigerung des Wachstums durch höhere Rüstungsausgaben betrifft.
Nachstehend Hinweise auf aktuelle Einschätzungen der russischen Wirtschaft von bekannten deutschen und russischen Experten (Felix Jaitner, Katharina Bluhm, Alexandra Prokopenko und Nikolai Kulbaka), ergänzt durch eine Übersicht der Prognosen zur Entwicklung des russischen Bruttoinlandsprodukts bis 2026.
Wirtschaftspolitik und Militärausgaben
Der Berliner Politikwissenschaftler Felix Jaitner, Autor des Buches „Russland – Ende einer Weltmacht“ will den Militärkeynesianismus in Russland nicht allein als Konjunkturprogramm zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage verstanden wissen. Er sieht die stark gestiegenen Militärausgaben auch als Teil einer langfristigen politischen Strategie zur Stärkung der Stellung Russlands in der sich bildenden „multipolaren Weltordnung“.
Im Kern beschreibe der Militärkeynesianismus eine staatlich gelenkte makroökonomische Politik, die darauf abzielt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch höhere Militärausgaben zu steigern, schreibt Jaitner in seinem Artikel „Putins Kurswechsel“ im IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts hat Russland seine Militärausgaben verdreifacht. Allein auf den Verteidigungshaushalt entfallen 40% der Staatsausgaben, verglichen mit 14 bis 16% vor 2022. Die steigende Industrieproduktion treibt die russische Volkswirtschaft aus der jahrelangen Stagnation. Im Jahr 2023 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 3,6%.“
Felix Jaitner stellt heraus, dass die Diskussion über den Militärkeynesianismus als Teil eines Konfliktes zwischen „Nationalkonservativen“ und „Neoliberalen“ in der russischen Elite zu sehen ist. Der Militärkeynesianismus sollte nicht auf wirtschaftspolitische Maßnahmen in Konfliktzeiten reduziert werden, so Jaitner. Er ist vielmehr Teil einer langfristigen politischen Strategie, die insbesondere von nationalkonservativen Fraktionen in der russischen Elite vertreten wird und darauf abzielt, die starke Abhängigkeit des Landes vom Rohstoffexport zu verringern und somit den russischen Einfluss auf die sich herausbildende multipolare Weltordnung zu stärken.
Seit dem Beginn des Ukraine-Konfliktes habe die russische Regierung partiell ihre traditionell monetaristische Finanzpolitik aufgegeben. „Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, die höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen oder die Ersetzung des Einheitssteuersatzes (flat tax) zugunsten eines progressiven Systems wurden von den Wortführern des neoliberalen Lagers, wie der Zentralbankchefin Elvira Nabiullina, stark kritisiert, konnten aber nicht verhindert werden. Stattdessen wurde das national-konservative Lager durch die Ernennung des Verteidigungsministers Andrei Beloussow weiter gestärkt“, führt Jaitner aus.
Keine langfristig wirksame Industriepolitik
Im Podcast „Zaren. Daten. Fakten“ der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer diskutierte Felix Jaitner Thesen seines Buches mit Thomas Baier. Dabei äußerte er sich am Schluss auch zu den Perspektiven der russischen Wirtschaft.
Jaitner meint, „kurzfristig“ sei es möglich, dass Russland seinen eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Kurs fortsetzen kann, zumal die staatlichen Ausgaben ja auch den Konsum „befeuern“ und damit rückwirkend auch wieder die Industrieproduktion antreiben. Allerdings seien die Kosten der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine sowie die Kosten der „Entkoppelung“ der russischen Wirtschaft vom Westen extrem hoch.
„Mittelfristig“, in den nächsten 4 bis 5 Jahren, hält es Jaitner aber für möglich, dass sich der Aufschwung der russischen Wirtschaft erschöpft. Es sei keine langfristige industriepolitische Strategie, die derzeit verfolgt werde, da sich die Wirtschaft einseitig auf die Entwicklung der Rüstungsindustrie konzentriere, die aber kein „Innovationstreiber“ sei. Jaitner hält es für dringend erforderlich, dass die russische Führung stattdessen die Entwicklung von Konsumgütern vorantreibt, die einen breiten Innovationsprozess auslösen könnte. Das sei aber nicht erkennbar.
Aber selbst wenn das Wachstum 2025 auf nur noch rund 1,5% sinken sollte, kann man wohl wie einige russische Analysten von einer „sanften Landung“ der überhitzten russischen Konjunktur sprechen. Umstritten ist, ob die Wirtschaft 2026 wieder mehr Fahrt aufnehmen wird. Das Konjunkturforschungsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften (IEF RAS) prognostiziert zwar, dass der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts schon 2026 fast wieder 3% erreicht. Bei der jüngsten Analysten-Umfrage der russischen Zentralbank erwarteten die Teilnehmer aber für 2026 im Durchschnitt nur 1,7% Wachstum. Viele meinen, der russische „Militärkeynesianismus“ habe inzwischen seine Grenzen erreicht, zumindest was die Steigerung des Wachstums durch höhere Rüstungsausgaben betrifft.
Nachstehend Hinweise auf aktuelle Einschätzungen der russischen Wirtschaft von bekannten deutschen und russischen Experten (Felix Jaitner, Katharina Bluhm, Alexandra Prokopenko und Nikolai Kulbaka), ergänzt durch eine Übersicht der Prognosen zur Entwicklung des russischen Bruttoinlandsprodukts bis 2026.
Wirtschaftspolitik und Militärausgaben
Der Berliner Politikwissenschaftler Felix Jaitner, Autor des Buches „Russland – Ende einer Weltmacht“ will den Militärkeynesianismus in Russland nicht allein als Konjunkturprogramm zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage verstanden wissen. Er sieht die stark gestiegenen Militärausgaben auch als Teil einer langfristigen politischen Strategie zur Stärkung der Stellung Russlands in der sich bildenden „multipolaren Weltordnung“.
Im Kern beschreibe der Militärkeynesianismus eine staatlich gelenkte makroökonomische Politik, die darauf abzielt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch höhere Militärausgaben zu steigern, schreibt Jaitner in seinem Artikel „Putins Kurswechsel“ im IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts hat Russland seine Militärausgaben verdreifacht. Allein auf den Verteidigungshaushalt entfallen 40% der Staatsausgaben, verglichen mit 14 bis 16% vor 2022. Die steigende Industrieproduktion treibt die russische Volkswirtschaft aus der jahrelangen Stagnation. Im Jahr 2023 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 3,6%.“
Felix Jaitner stellt heraus, dass die Diskussion über den Militärkeynesianismus als Teil eines Konfliktes zwischen „Nationalkonservativen“ und „Neoliberalen“ in der russischen Elite zu sehen ist. Der Militärkeynesianismus sollte nicht auf wirtschaftspolitische Maßnahmen in Konfliktzeiten reduziert werden, so Jaitner. Er ist vielmehr Teil einer langfristigen politischen Strategie, die insbesondere von nationalkonservativen Fraktionen in der russischen Elite vertreten wird und darauf abzielt, die starke Abhängigkeit des Landes vom Rohstoffexport zu verringern und somit den russischen Einfluss auf die sich herausbildende multipolare Weltordnung zu stärken.
Seit dem Beginn des Ukraine-Konfliktes habe die russische Regierung partiell ihre traditionell monetaristische Finanzpolitik aufgegeben. „Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, die höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen oder die Ersetzung des Einheitssteuersatzes (flat tax) zugunsten eines progressiven Systems wurden von den Wortführern des neoliberalen Lagers, wie der Zentralbankchefin Elvira Nabiullina, stark kritisiert, konnten aber nicht verhindert werden. Stattdessen wurde das national-konservative Lager durch die Ernennung des Verteidigungsministers Andrei Beloussow weiter gestärkt“, führt Jaitner aus.
Keine langfristig wirksame Industriepolitik
Im Podcast „Zaren. Daten. Fakten“ der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer diskutierte Felix Jaitner Thesen seines Buches mit Thomas Baier. Dabei äußerte er sich am Schluss auch zu den Perspektiven der russischen Wirtschaft.
Jaitner meint, „kurzfristig“ sei es möglich, dass Russland seinen eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Kurs fortsetzen kann, zumal die staatlichen Ausgaben ja auch den Konsum „befeuern“ und damit rückwirkend auch wieder die Industrieproduktion antreiben. Allerdings seien die Kosten der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine sowie die Kosten der „Entkoppelung“ der russischen Wirtschaft vom Westen extrem hoch.
„Mittelfristig“, in den nächsten 4 bis 5 Jahren, hält es Jaitner aber für möglich, dass sich der Aufschwung der russischen Wirtschaft erschöpft. Es sei keine langfristige industriepolitische Strategie, die derzeit verfolgt werde, da sich die Wirtschaft einseitig auf die Entwicklung der Rüstungsindustrie konzentriere, die aber kein „Innovationstreiber“ sei. Jaitner hält es für dringend erforderlich, dass die russische Führung stattdessen die Entwicklung von Konsumgütern vorantreibt, die einen breiten Innovationsprozess auslösen könnte. Das sei aber nicht erkennbar.
Zugespitzter Konflikt mit Zentralbank
Der Frage „Was wird aus Russlands Militärkeynesianismus?“ geht auch Katharina Bluhm, Proffesorin am Osteuropa-Institut der Freien Universtität Berlin, in einem Beitrag für „Makroskop“ nach. Die Autorin des Buches „Russland und der Westen. Ideologie, Ökonomie und Politik seit dem Ende der Sowjetunion“ sieht wie Felix Jaitner die Diskussion über die russische Wirtschaft als Symptom für Konflikte innerhalb der russischen Elite. Den Befürwortern immer höherer Militärausgaben stünden die Zentralbank und das Finanzministerium als Anhänger von Prinzipien einer „konservativen Geld- und Fiskalpolitik“ gegenüber. Der Konflikt zwischen diesen Fraktionen habe sich zugespitzt. Dabei stehe insbesondere die Geldpolitik der russischen Zentralbank im Fokus.
Katharina Bluhm verweist darauf, dass die Zentralbank im Oktober ihren Leitzins auf 21% angehoben hat, den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten. Bei einer Inflationsrate von 8,6% habe der Realzins im Oktober 12,4% erreicht. Er sei damit einer der weltweit höchsten. Die Zinsentscheidung der Zentralbank signalisiert, „dass ihre Geldpolitik die Ausgaben der Regierung nicht auf unbestimmte Zeit zu stützen bereit ist, wenn dies zu einem nachhaltigen Anstieg der Inflation führt“, so Bluhm.
Der Frage „Was wird aus Russlands Militärkeynesianismus?“ geht auch Katharina Bluhm, Proffesorin am Osteuropa-Institut der Freien Universtität Berlin, in einem Beitrag für „Makroskop“ nach. Die Autorin des Buches „Russland und der Westen. Ideologie, Ökonomie und Politik seit dem Ende der Sowjetunion“ sieht wie Felix Jaitner die Diskussion über die russische Wirtschaft als Symptom für Konflikte innerhalb der russischen Elite. Den Befürwortern immer höherer Militärausgaben stünden die Zentralbank und das Finanzministerium als Anhänger von Prinzipien einer „konservativen Geld- und Fiskalpolitik“ gegenüber. Der Konflikt zwischen diesen Fraktionen habe sich zugespitzt. Dabei stehe insbesondere die Geldpolitik der russischen Zentralbank im Fokus.
Katharina Bluhm verweist darauf, dass die Zentralbank im Oktober ihren Leitzins auf 21% angehoben hat, den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten. Bei einer Inflationsrate von 8,6% habe der Realzins im Oktober 12,4% erreicht. Er sei damit einer der weltweit höchsten. Die Zinsentscheidung der Zentralbank signalisiert, „dass ihre Geldpolitik die Ausgaben der Regierung nicht auf unbestimmte Zeit zu stützen bereit ist, wenn dies zu einem nachhaltigen Anstieg der Inflation führt“, so Bluhm.


Das Moskauer Center for Macroeconomic Analysis And Short term Forecasting (CMASF) rechnet in seiner „Analyse makro-ökonomischer Trends“ vom 19. Dezember vor, dass der Realzins in Russland im November 2024 noch nahe an seinem historischen Höchstwert lag. Die Differenz zwischen dem nominalen Leitzins von 21% und dem jährlichen Anstieg des Indexes der Verbraucherpreise von 8,9% verringerte sich im November nur geringfügig auf 12,1%.
Erhöhung der Militärausgaben
Zum aktuellen Stand des Konfliktes zwischen den Anhängern einer „konservativen Geld- und Fiskalpolitik“ und den Befürwortern höherer Militärausgaben meint Frau Professor Bluhm: Der Haushaltsentwurf für die Jahre 2025 bis 2027 zeige, dass sich die Zentralbank und das Finanzministerium nicht gegen die Befürworter von Militärausgaben durchgesetzt habe und eine weitere Ausweitung der Militärausgaben nicht stoppen konnte.
„Der Druck, die Inflations- und Haushaltsziele zu erreichen, wird jedoch zu erheblichen Kürzungen der Ausgaben für zivile Bereiche führen – vor allem bei den Sozialausgaben, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben und deren Kürzung die Regierung bisher vermieden hat“, fügt Bluhm hinzu.
Auch Alex Isakov, Bloomberg-Ökonom für Russland und Mittel- und Osteuropa, meinte kürzlich, Putin könne Russland nicht länger „sowohl Kanonen als auch Butter“ garantieren.
An der Wende zur Stagnation
Die Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko konstatiert in einer am 20. Dezember veröffentlichten Analyse, dass Russlands Wirtschaftswachstum in den letzten beiden Jahren zwar mit beneidenswert hohen Raten gewachsen sei. 2023 sei das Bruttoinlandsprodukt um 3,6% und 2024 voraussichtlich um 4% gestiegen. Gleichzeitig meint sie aber, dass Russland jetzt eine „unumkehrbare Wende hin zu einer wirtschaftlichen Stagnation“ erlebe.
Erhöhung der Militärausgaben
Zum aktuellen Stand des Konfliktes zwischen den Anhängern einer „konservativen Geld- und Fiskalpolitik“ und den Befürwortern höherer Militärausgaben meint Frau Professor Bluhm: Der Haushaltsentwurf für die Jahre 2025 bis 2027 zeige, dass sich die Zentralbank und das Finanzministerium nicht gegen die Befürworter von Militärausgaben durchgesetzt habe und eine weitere Ausweitung der Militärausgaben nicht stoppen konnte.
„Der Druck, die Inflations- und Haushaltsziele zu erreichen, wird jedoch zu erheblichen Kürzungen der Ausgaben für zivile Bereiche führen – vor allem bei den Sozialausgaben, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben und deren Kürzung die Regierung bisher vermieden hat“, fügt Bluhm hinzu.
Auch Alex Isakov, Bloomberg-Ökonom für Russland und Mittel- und Osteuropa, meinte kürzlich, Putin könne Russland nicht länger „sowohl Kanonen als auch Butter“ garantieren.
An der Wende zur Stagnation
Die Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko konstatiert in einer am 20. Dezember veröffentlichten Analyse, dass Russlands Wirtschaftswachstum in den letzten beiden Jahren zwar mit beneidenswert hohen Raten gewachsen sei. 2023 sei das Bruttoinlandsprodukt um 3,6% und 2024 voraussichtlich um 4% gestiegen. Gleichzeitig meint sie aber, dass Russland jetzt eine „unumkehrbare Wende hin zu einer wirtschaftlichen Stagnation“ erlebe.

Prokopenko betont auch, dass die rasche Ausweitung der Staatsausgaben für den „militärisch-industriellen Komplex“ der Hauptmotor für Russlands Wirtschaftswachstum gewesen sei. Inzwischen schwäche sich das Wachstum in vielen Wirtschaftsbereichen jedoch ab. Sie verweist auf folgende aktuelle Konjunkturtrends:
„Bis zum dritten Quartal 2024 verlangsamte sich das BIP-Wachstum gegenüber dem Vorjahresquartal auf 3,1%, nachdem es im zweiten Quartal noch 4,1% erreicht hat. Die mit der Rüstungsproduktion verbundenen Industrien wachsen zwar weiterhin. Ihr Wachstumstempo liegt aber weit unter dem Niveau des Vorjahres.
Andere Sektoren schwächeln: Die Rohstoffindustrie sieht sich aufgrund niedrigerer Kohlenwasserstoff-Exportpreise und Produktionskürzungen der OPEC+ mit einem Rückgang der Produktion konfrontiert. Auch die Produktion in der Landwirtschaft hat an Dynamik verloren. Der Einzelhandel bleibt ein seltener Lichtblick, der von den Verbraucherausgaben getragen wird. Umfragen deuten jedoch auf eine Verlangsamung der Geschäftsaktivitäten und steigende Inflationserwartungen sowohl bei Unternehmen als auch bei Haushalten hin.“
Schwacher Rubel, steigende Inflation
Laut Prokopenko sind die Grenzen der Produktionskapazität der russischen Wirtschaft deutlich erkennbar. Die Industrieanlagen seien zu 81% ausgelastet. 73% der Unternehmen meldeten einen Mangel an verfügbaren Arbeitskräften. Die Arbeitslosigkeit habe mit 2,3% einen Rekordtiefstand erreicht, schätzungsweise 1,6 Mio. Stellen seien nicht besetzt.
Da die russische Binnenwirtschaft die staatlich angetriebene Nachfrage nicht befriedigen könne, wird die russische Wirtschaft, so Prokopenko, stärker von Importen abhängig. Dies wiederum erhöhe die Nachfrage nach Fremdwährungen. Der Rubel gerate so unter Abwertungsdruck und treibe die Inflation an.
„Bis zum dritten Quartal 2024 verlangsamte sich das BIP-Wachstum gegenüber dem Vorjahresquartal auf 3,1%, nachdem es im zweiten Quartal noch 4,1% erreicht hat. Die mit der Rüstungsproduktion verbundenen Industrien wachsen zwar weiterhin. Ihr Wachstumstempo liegt aber weit unter dem Niveau des Vorjahres.
Andere Sektoren schwächeln: Die Rohstoffindustrie sieht sich aufgrund niedrigerer Kohlenwasserstoff-Exportpreise und Produktionskürzungen der OPEC+ mit einem Rückgang der Produktion konfrontiert. Auch die Produktion in der Landwirtschaft hat an Dynamik verloren. Der Einzelhandel bleibt ein seltener Lichtblick, der von den Verbraucherausgaben getragen wird. Umfragen deuten jedoch auf eine Verlangsamung der Geschäftsaktivitäten und steigende Inflationserwartungen sowohl bei Unternehmen als auch bei Haushalten hin.“
Schwacher Rubel, steigende Inflation
Laut Prokopenko sind die Grenzen der Produktionskapazität der russischen Wirtschaft deutlich erkennbar. Die Industrieanlagen seien zu 81% ausgelastet. 73% der Unternehmen meldeten einen Mangel an verfügbaren Arbeitskräften. Die Arbeitslosigkeit habe mit 2,3% einen Rekordtiefstand erreicht, schätzungsweise 1,6 Mio. Stellen seien nicht besetzt.
Da die russische Binnenwirtschaft die staatlich angetriebene Nachfrage nicht befriedigen könne, wird die russische Wirtschaft, so Prokopenko, stärker von Importen abhängig. Dies wiederum erhöhe die Nachfrage nach Fremdwährungen. Der Rubel gerate so unter Abwertungsdruck und treibe die Inflation an.

Als Fazit hält Alexandra Prokopenko das von Russland entwickelte „neue Wirtschaftsmodell“ nicht für geeignet, die chronischen Probleme, die die russische Wirtschaft seit langem plagten, zu lösen. Das erreichte Wirtschaftswachstum und die niedrige Arbeitslosigkeit vermittelten nur eine „Illusion von Stabilität“. Russlands Wirtschaftsmodell sei mit drei grundlegenden Hindernissen konfrontiert: dem Arbeitskräftemangel, erschöpften Produktionskapazitäten und stagnierenden Exporterlösen aufgrund der Sanktionen.
Prokopenko erwartet, dass die anhaltende Abhängigkeit vom Militärsektor die russische Wirtschaft in eine „Stagnationsfalle“ treibt, die durch geringes Wachstum und chronische interne Ungleichgewichte gekennzeichnet sei. Einen „plötzlichen Zusammenbruch“ wie in den 1990er Jahren hält sie jedoch in Russland für unwahrscheinlich.
Skepsis gegenüber Wachstumsaussichten
Zu den Skeptikern hinsichtlich der Wachstumsaussichten der russischen Wirtschaft in den nächsten Jahren gehört auch der russische Ökonom Nikolai Kulbaka. Der Grund für das Scheitern des Militärkeynesianismus in Russland liege darin, dass er nur dann gut funktioniere, wenn es viele freie Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte gebe, sagt er in einem Gespräch mit der russischen Journalistin Tatiana Rybakova im Internet-Magazin „Russia Post“.
Ein klassisches Beispiel dafür seien die USA. Dort hätten mit den Rüstungsausgaben während des Zweiten Weltkriegs Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte eingesetzt werden können, die seit der „Großen Depression“ nicht mehr genutzt worden seien.Doch in Russland habe es schon vor 2022 in der Industrie keine großen freien Kapazitäten gegeben. Die Arbeitslosigkeit sei seit einem Jahrzehnt stetig gesunken. Zuletzt habe es bei einer Arbeitslosenquote von 2,3% praktisch keine Arbeitslosigkeit mehr gegeben.
Wirtschaftliche Folgen
Laut Kulbaka kann man hinsichtlich der Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Konfliktes durch russische Unternehmen die folgenden drei Phasen unterscheiden:
BRICS+-Staaten begannen, die westlichen Sanktionen zu befolgen, da sie nicht selbst sanktioniert werden wollten. Es wurde klar, dass sie eher auf der Seite des Westens standen. Die russische Wirtschaft erkannte, dass Investitionen aus dem Osten ausblieben, ebenso wie die Lieferung von Technologie. Nur einige Teile konnten noch auf Umwegen beschafft werden. Darüber hinaus erschwerten die Finanzsanktionen die Abwicklung von Zahlungen.
Arbeitskräftemangel
Nikolai Kulbaka hebt den Mangel an Arbeitskräften als das vielleicht größte Problem der russischen Wirtschaft hervor. Er sei „katastrophal“, obwohl die Zahl der Arbeitskräfte im „militärisch-industriellen Komplex“ nach seiner Einschätzung „nicht massiv“ zugenommen habe. Er gehe davon aus, dass die dort vorhandenen Arbeitskräfte eher gezwungen würden, länger zu arbeiten.
Die Erwerbsbevölkerung Russlands wird nach Angaben Kulbakas jedes Jahr aus demografischen Gründen um 300.000 bis 400.000 sinken. Der Ukraine-Konflikt nehme dem Arbeitsmarkt jeden Monat weitere 20.000 bis 30.000 Arbeitskräfte weg (im Jahr also bis zu 360.000).
Der Mangel an Arbeitskräften habe die Löhne in die Höhe getrieben, folgert Kulbaka. Das bedeute für die Unternehmen geringere Gewinne. Die Schuldenlast der Unternehmen wachse. Man dürfe nicht vergessen, dass viele Unternehmen schon vor dem Konflikt hoch verschuldet gewesen seien.
Der Arbeitskräftemangel in der Wirtschaft wird laut Kulbaka zudem durch ein anhaltendes Vorgehen gegen die Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften verschärft, obwohl Migranten in einigen Branchen, wie etwa im Baugewerbe, den größten Teil der Belegschaft stellten. Es sei unmöglich, sie durch russische Staatsbürger zu ersetzen.
Als Fazit sieht Kulbaka die russische Wirtschaft an einem wichtigen Wendepunkt. Alle bisherigen Wachstumsmotoren seien erschöpft, negative Faktoren begännen gerade erst zu wirken. Er erwarte aber dennoch „derzeit keine großen Implosionen“.
Wachstumsprognosen
Im gerade begonnenen Jahr 2025 wird Russlands starkes Wirtschaftswachstum laut im Januar veröffentlichten Analysten-Umfragen der Wirtschaftszeitung Vedomosti und der Nachrichtenagentur RIA Novosti um rund zwei Drittel auf nur noch rund 1,3% sinken. Ende Dezember erwarteten die Analysten bei Umfragen im Durchschnitt kaum mehr Wachstum für 2025 (Interfax-Umfrage: +1,5%; Reuters-Umfrage: +1,6%).
Diesen Umfrageergebnissen entsprechen auch den Einschätzungen der fünf führenden deutschen Konjunkturinstitute. Ihre Mitte Dezember veröffentlichten Winterprognosen für das Wachstum der russischen Wirtschaft im Jahr 2025 reichen von 1,3 bis 1,7%. Die bekanntesten russischen Forschungsinstitute erwarten im neuen Jahr nur wenig mehr Wachstum. Das Moskauer „Center for Macroeconomic Analysis and Short-term Forecasts (CMASF) prognostiziert in seiner „Basisversion der Prognosen für 2024 bis 2027“, dass der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts 2025 nur noch 1,5 bis 1,8% erreichen dürfte.
Das „Institute of Economic Forecasting of the Russian Academy of Sciences“ (IEF RAS) rechnet in diesem Jahr mit einem Rückgang des Wachstums auf 2,0%. Der Konjunkturexperte Sergei Drobyschewski meint in einer Mitte Dezember veröffentlichten Stellungnahme zur Konjunkturentwicklung 2024/2025, im wahrscheinlichsten Szenario könne 2025 ein Wachstum von 2,1% erreicht werden.
Quellen: Russ. Zentralbank 1, 2, Vedomosti (RU), Russia’s Economic Gamble (EN), Bloomberg (EN), Finmarket (RU), Prime (RU), Interfax (EN), Podcast „Zaren. Daten. Fakten“, Makroskop, CMASF (RU)
Autor des Artikels: Klaus Dormann, langjähriger Analytiker der Ruhrgas AG
Prokopenko erwartet, dass die anhaltende Abhängigkeit vom Militärsektor die russische Wirtschaft in eine „Stagnationsfalle“ treibt, die durch geringes Wachstum und chronische interne Ungleichgewichte gekennzeichnet sei. Einen „plötzlichen Zusammenbruch“ wie in den 1990er Jahren hält sie jedoch in Russland für unwahrscheinlich.
Skepsis gegenüber Wachstumsaussichten
Zu den Skeptikern hinsichtlich der Wachstumsaussichten der russischen Wirtschaft in den nächsten Jahren gehört auch der russische Ökonom Nikolai Kulbaka. Der Grund für das Scheitern des Militärkeynesianismus in Russland liege darin, dass er nur dann gut funktioniere, wenn es viele freie Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte gebe, sagt er in einem Gespräch mit der russischen Journalistin Tatiana Rybakova im Internet-Magazin „Russia Post“.
Ein klassisches Beispiel dafür seien die USA. Dort hätten mit den Rüstungsausgaben während des Zweiten Weltkriegs Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte eingesetzt werden können, die seit der „Großen Depression“ nicht mehr genutzt worden seien.Doch in Russland habe es schon vor 2022 in der Industrie keine großen freien Kapazitäten gegeben. Die Arbeitslosigkeit sei seit einem Jahrzehnt stetig gesunken. Zuletzt habe es bei einer Arbeitslosenquote von 2,3% praktisch keine Arbeitslosigkeit mehr gegeben.
Wirtschaftliche Folgen
Laut Kulbaka kann man hinsichtlich der Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Konfliktes durch russische Unternehmen die folgenden drei Phasen unterscheiden:
- In der ersten Hälfte des Jahres 2022 hatten die Unternehmen das Gefühl, dass der Konflikt nicht lange dauern wird. Also beeilten sie sich, davon zu profitieren und die durch den Wegzug von westlichen Unternehmen und sanktionierte Einfuhren entstandenen Marktnischen zu besetzen. Ausscheidende ausländische Unternehmen hinterließen Produktionsressourcen.
- Doch schon nach der Mobilisierung im Herbst 2022 wurde den Unternehmen klar, dass sich der Konflikt länger hinziehen würde. Damit begann die zweite Phase. Aus der staatlichen Haushaltsplanung gewannen die Unternehmen den Eindruck, dass enorm hohe Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit nur für 2023 und 2024 vorgesehen waren. In dieser Phase überschwemmten „Haushaltsspritzen“ die Wirtschaft mit Geld: Die Löhne stiegen, die Inflation und die Kosten stiegen, aber auch die Gewinne. Ende 2023/Anfang 2024 meinten viele Ökonomen, der militärische Keynesianismus funktioniere, weil es viele Aufträge gab, die Länder des globalen Südens auf der Seite Russlands standen, die Sanktionen überwunden waren und die umgeleiteten Logistikketten in Gang kamen.
- Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 begann diese Stimmung in der Wirtschaft in einer dritten Phase jedoch zu kippen. Zu diesem Zeitpunkt fing die Zentralbank an, zur Bekämpfung der Inflation ihren Leitzins „aggressiv“ anzuheben.
BRICS+-Staaten begannen, die westlichen Sanktionen zu befolgen, da sie nicht selbst sanktioniert werden wollten. Es wurde klar, dass sie eher auf der Seite des Westens standen. Die russische Wirtschaft erkannte, dass Investitionen aus dem Osten ausblieben, ebenso wie die Lieferung von Technologie. Nur einige Teile konnten noch auf Umwegen beschafft werden. Darüber hinaus erschwerten die Finanzsanktionen die Abwicklung von Zahlungen.
Arbeitskräftemangel
Nikolai Kulbaka hebt den Mangel an Arbeitskräften als das vielleicht größte Problem der russischen Wirtschaft hervor. Er sei „katastrophal“, obwohl die Zahl der Arbeitskräfte im „militärisch-industriellen Komplex“ nach seiner Einschätzung „nicht massiv“ zugenommen habe. Er gehe davon aus, dass die dort vorhandenen Arbeitskräfte eher gezwungen würden, länger zu arbeiten.
Die Erwerbsbevölkerung Russlands wird nach Angaben Kulbakas jedes Jahr aus demografischen Gründen um 300.000 bis 400.000 sinken. Der Ukraine-Konflikt nehme dem Arbeitsmarkt jeden Monat weitere 20.000 bis 30.000 Arbeitskräfte weg (im Jahr also bis zu 360.000).
Der Mangel an Arbeitskräften habe die Löhne in die Höhe getrieben, folgert Kulbaka. Das bedeute für die Unternehmen geringere Gewinne. Die Schuldenlast der Unternehmen wachse. Man dürfe nicht vergessen, dass viele Unternehmen schon vor dem Konflikt hoch verschuldet gewesen seien.
Der Arbeitskräftemangel in der Wirtschaft wird laut Kulbaka zudem durch ein anhaltendes Vorgehen gegen die Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften verschärft, obwohl Migranten in einigen Branchen, wie etwa im Baugewerbe, den größten Teil der Belegschaft stellten. Es sei unmöglich, sie durch russische Staatsbürger zu ersetzen.
Als Fazit sieht Kulbaka die russische Wirtschaft an einem wichtigen Wendepunkt. Alle bisherigen Wachstumsmotoren seien erschöpft, negative Faktoren begännen gerade erst zu wirken. Er erwarte aber dennoch „derzeit keine großen Implosionen“.
Wachstumsprognosen
Im gerade begonnenen Jahr 2025 wird Russlands starkes Wirtschaftswachstum laut im Januar veröffentlichten Analysten-Umfragen der Wirtschaftszeitung Vedomosti und der Nachrichtenagentur RIA Novosti um rund zwei Drittel auf nur noch rund 1,3% sinken. Ende Dezember erwarteten die Analysten bei Umfragen im Durchschnitt kaum mehr Wachstum für 2025 (Interfax-Umfrage: +1,5%; Reuters-Umfrage: +1,6%).
Diesen Umfrageergebnissen entsprechen auch den Einschätzungen der fünf führenden deutschen Konjunkturinstitute. Ihre Mitte Dezember veröffentlichten Winterprognosen für das Wachstum der russischen Wirtschaft im Jahr 2025 reichen von 1,3 bis 1,7%. Die bekanntesten russischen Forschungsinstitute erwarten im neuen Jahr nur wenig mehr Wachstum. Das Moskauer „Center for Macroeconomic Analysis and Short-term Forecasts (CMASF) prognostiziert in seiner „Basisversion der Prognosen für 2024 bis 2027“, dass der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts 2025 nur noch 1,5 bis 1,8% erreichen dürfte.
Das „Institute of Economic Forecasting of the Russian Academy of Sciences“ (IEF RAS) rechnet in diesem Jahr mit einem Rückgang des Wachstums auf 2,0%. Der Konjunkturexperte Sergei Drobyschewski meint in einer Mitte Dezember veröffentlichten Stellungnahme zur Konjunkturentwicklung 2024/2025, im wahrscheinlichsten Szenario könne 2025 ein Wachstum von 2,1% erreicht werden.
Quellen: Russ. Zentralbank 1, 2, Vedomosti (RU), Russia’s Economic Gamble (EN), Bloomberg (EN), Finmarket (RU), Prime (RU), Interfax (EN), Podcast „Zaren. Daten. Fakten“, Makroskop, CMASF (RU)
Autor des Artikels: Klaus Dormann, langjähriger Analytiker der Ruhrgas AG