Fokusanalyse

Russisches Öl: Sinkende Exporte, mehr Einnahmen

Obwohl die russischen Ölexporte 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 2,2% auf 295 Mio. Tonnen zurückgingen, stiegen die Öleinnahmen im gleichen Zeitraum um mehr als 26% auf 11,1 Bio. Rubel (aktueller Umrechnungswert: 110 Mrd. Euro). Der Anstieg ist vor allem auf den schwachen Rubel zurückzuführen. Russland generiert mehr Einnahmen aus Ölverkäufen bei einem schwachen Rubel, da Öl in US-Dollar gehandelt wird und die Umrechnung in Rubel dadurch einen höheren Rubelbetrag ergibt, was die Einnahmen in der Landeswährung steigert.

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit hat der scheidende US-Präsident Joe Biden die Sanktionen gegen die russische Energiebranche verschärft. Im Fokus stehen dabei 183 Schiffe, die für den Transport von russischem Öl genutzt werden. Die sogenannte „Schattenflotte“, bestehend aus Tankern, die unter nicht westlichen Flaggen fahren, umfasst Schätzungen zufolge zwischen 400 und 1.400 Schiffe. Beispielsweise haben indische Raffinerien, die einen Großteil russischen Rohöls weiterverarbeiten, angekündigt, dass sie künftig nicht mehr mit den von den Sanktionen betroffenen Schiffen arbeiten werden.

Unter den großen russischen Ölkonzernen verzeichnete Tatneft 2024 mit einem Rückgang von 7,5% auf 7,98 Mio. Tonnen den stärksten Einbruch. Auch Lukoil und Rosneft meldeten sinkende Liefermengen. Gazprom Neft war der einzige große Exporteur, dessen Lieferungen im vergangenen Jahr um 2,7% auf 18 Mio. Tonnen stiegen.

Ölpreisprognosen
Laut Renaissance Capital, einer Investmentbank des Milliardärs Michail Prochorow, wird der Ölpreis 2025 für russisches Urals-Rohöl bei in einem mittleren Szenario bei 65 Dollar pro Barrel liegen. Ein pessimistisches Szenario sieht einen Rückgang auf 30 Dollar vor, während ein optimistisches Szenario die Preise bei 80 Dollar pro Barrel veranschlagt. Der vom russischen Finanzministerium festgelegte Mindestpreis, um die Staatsausgaben zu finanzieren, beträgt 60 Dollar pro Barrel, wie Oleg Kusmin, Chefvolkswirt von Renaissance Capital, erklärt.

Die Analysten von Goldman Sachs prognostizieren für die Nordseeölsorte Brent 2025 einen durchschnittlichen Preis von 76 Dollar pro Barrel bei einer Handelsspanne zwischen 70 und 85. Aktuell liegt der Abschlag von Urals-Öl zu Brent-Öl laut unterschiedlichen Schätzungen zwischen 5 und 15 Dollar. Die amerikanische Energy Information Administration (EIA) geht von einem Rückgang des Brent-Preises auf 74 Dollar im Jahr 2025 aus, was auf ein erwartetes Überangebot zurückzuführen ist.

Eine Verringerung des Exportpreises um 10 Dollar pro Barrel hätte laut Schätzungen von Konstantin Simonow, Leiter des Nationalen russischen Fonds für Energiesicherheit, einen Verlust von 25 Mrd. Dollar pro Jahr für Russland zur Folge, dies entspräche knapp 7% der gesamten russischen Exporte.

Ölförderkosten im Vergleich
Laut der Dallas Federal Reserve benötigen US-Ölproduzenten im Durchschnitt 64 Dollar pro Barrel, um neue Quellen profitabel zu betreiben. Bei Preisen unter 50 Dollar könnten viele US-Unternehmen gezwungen sein, ihre Produktion einzustellen, wie es während der Ölkrisen von 2014 bis 2016 und 2020 der Fall war. Im Vergleich dazu belaufen sich die Produktionskosten in Russland laut der staatlichen Rossijskaja gazeta auf etwa 17 Dollar pro Barrel für bestehende Quellen. In Russland liegt die Steuerlast auf die Ölförderung bei bis zu 75% des Finanzergebnisses, während die Produzenten in den USA nur rund 25% an Gewinnsteuern zahlen. Im Nahen Osten, insbesondere in Saudi-Arabien, liegen die Produktionskosten mit etwa 10 Dollar pro Barrel am niedrigsten.

Trumps Öl-Plan
Der sogenannte „3-3-3-Plan“, des neuen US-Finanzminister Scott Bessent sieht vor, das Haushaltsdefizit der USA bis 2028 auf 3% des Bruttoinlandsprodukts zu senken, das BIP-Wachstum durch Deregulierung auf 3% zu steigern und die US-Energieproduktion um 3 Mio. Barrel Öl pro Tag zu erhöhen. Die Ölproduktion der USA stieg 2024 um 2,6% auf einen neuen Rekordwert von 13,2 Mio. Barrel pro Tag. Laut dem Wall Street Journal ist ein neuer Ölboom in den USA unwahrscheinlich, da viele Produzenten nach der Blütezeit des Schieferölbooms bankrottgingen und sich nun auf Kostensenkungen konzentrieren. Der realistischere Hebel, um den Ölpreis zu senken, sei, Saudi-Arabien zu einer Produktionssteigerung zu bewegen.

Die freie Produktionskapazität Saudi-Arabiens liegt laut Wall Street Journal bei etwa drei Millionen Barrel pro Tag. Saudi-Arabien benötigt jedoch einen Ölpreis von über 90 Dollar pro Barrel, um seinen Haushalt auszugleichen und infrastrukturelle Großprojekte wie die Fußballweltmeisterschaft zu finanzieren.

Quellen: The Wall Street Journal (EN), Financial Times (EN), Goldman Sachs (EN), U.S. Energy Information Administration (EN), Reuters (EN), Vedomosti (RU), Energeticheskaya politika (RU), Kommersant (RU), OilCapital (RU), Rossiyskaya gazeta (RU)