
Was die Chancen von Frauen im Wirtschaftsleben betrifft, muss sich Russland im globalen Vergleich nicht verstecken. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) bewertete die „wirtschaftliche Teilhabe“ von Frauen in Russland besser als etwa in den Vereinigten Staaten, der Schweiz oder Dänemark. Das war 2021, als die WEF-Studie „Global Gender Gap Report“ Russland zuletzt berücksichtigte. In dieser Subkategorie des Index landete das Land auf Platz 25 von rund 156 Ländern. Wegen des schlechten Abschneidens bei der politischen Teilhabe reichte es im Gesamtindex nur für Platz 81.
In der jüngsten WEF-Studie von Mitte 2024 ist Russland erneut nicht vertreten. Sie ergab im Vergleich zum Vorjahr kaum noch Fortschritte bei der weltweiten Gleichstellung von Frauen. Der „Gender Gap“, also die Teilhabe-Lücke von Frauen an den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, verkleinerte sich minimal um 0,1 Prozentpunkte. Der Grad der Gleichstellung stieg entsprechend von 68,5% auf 68,6%, konstatieren die Autoren der Studie.
Über das Abschneiden Russlands in internationalen Rankings und insbesondere die Anteile der Frauen in Führungspositionen haben wir vor einem Jahr in der Fokusanalyse „Frauen in der Chefetage“ informiert, deren Inhalte aktuell bleiben.
Keine Frau hat das vergangene Jahr in Russland stärker geprägt als die Präsidentin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina. Um der Inflation Herrin zu werden, setzte sie auf eine immer straffere Geldpolitik. Ihr schärfstes Schwert war der Leitzins, den sie seit Mitte 2023 von 7,5% auf aktuell 21% anhob, den höchsten Wert seit der Einführung des Leitzinses 2013. Als Zentralbankchefin sei sie „Weltklasse“, wie ein Kolumnist des US-Wirtschaftsportals Bloomberg sie im Februar lobte. Ihre Geldpolitik habe dazu beigetragen, dass die russische Wirtschaft angesichts „beispielloser westlicher Sanktionen“ nicht zusammengebrochen, sondern sogar gewachsen ist. Auf die zunehmenden Klagen aus der Wirtschaft und vor allem der Industriellen, deren Kredite dadurch immer teurer wurden, nahm sie keine Rücksicht, jedenfalls bis Ende des Jahres. Bei der Zentralbanksitzung am 20. Dezember verzichtete sie auf die allseits erwartete erneute Zinserhöhung. Zuvor hatte sie nicht nur der einflussreiche Rostec-Chef Sergej Tschemesow frontal angegriffen, Kritik kam auch von Premierminister Michail Mischustin und vermeintlichen Verbündeten wie Sberbank-Präsident German Gref. Schließlich signalisierte Präsident Wladimir Putin persönlich, dass es nun genug sei mit immer höheren Zinsen.
Hinter Nabiullina haben zwei weitere Frauen jahrelang das Handeln der russischen Zentralbank geprägt. Im vergangenen Herbst haben beide beinahe zeitgleich das Haus verlassen. Xenia Judajewa war seit Nabiullinas Amtsantritt 2013 ihre erste Stellvertreterin, ab 2023 fungierte sie nur noch als Beraterin. Im November trat sie ihre neue Stelle als russische Vertreterin beim Internationalen Währungsfonds an. Wenige Tage später verließ auch Olga Skorobogatowa die Zentralbank, in der sie bis zuletzt erste Vorsitzende war. Wie Judajewa gilt sie als eine der Architektinnen des heutigen russischen Finanzsystems. Skorobogatowa wechselt zur zweitgrößten russischen Bank VTB. Als erste Vizepräsidentin wird sie für die strategische Entwicklung und die Digitalprojekte der Staatsbank verantwortlich sein. Heute sind mit Dmitrij Tulin und Wladimir Tschistjuchin zwei Männer die beiden Stellvertreter von Nabiullina.
Auch für die erfolgreichste Unternehmerin Russlands, Tatjana Kim, war 2024 ein Jahr der Prüfungen. Die Gründerin des „russischen Amazons“ Wildberries errang unter ihrem Heiratsnamen Bakaltschuk über ihre Heimat hinaus Berühmtheit. So kürte sie das US-Wirtschaftsmagazin Forbes im vergangenen Sommer mit einem geschätzten Vermögen von 7,4 Mrd. Dollar zur sechstreichsten „Selfmade-Milliardärin“ weltweit. In Russland gilt sie seit vielen Jahren als die reichste Frau des Landes. Dieser Status schien in Gefahr, als sie mit Wildberries eine Fusion mit einem ungleich kleineren Anbieter von Außenwerbung einging. Im gleichzeitigen Rosenkrieg mit ihrem Ex-Mann Wladislaw kam es sogar zu Schießereien mit Todesopfern. Wir haben das alles in der Fokusanalyse „Das Drama um Wildberries“ aufgeschrieben.
Die Befürchtungen scheinen sich bisher nicht bewahrheitet zu haben. Nachdem das Vermögen von Tatjana Kim zwischenzeitlich um mehrere Milliarden Dollar geschrumpft war, bewertete das russische Forbes es Anfang 2025 wieder mit 7,4 Mrd. Dollar, wohl auch wegen des rasant wachsenden Wildberries-Umsatzes. Im 1. Halbjahr 2024 schätzten ihn die Analysten von Infoline auf 1,48 Bio. Rubel (15,4 Mrd. Euro), womit der Onlinehändler die Supermarktkette Magnit überholte (1,44 Bio.) und nur noch hinter dem russischen Einzelhandels-Primus X5 Group lag, der 1,84 Bio. Rubel (19,2 Mrd. Euro) umsetzte.
Auch X5, eines der größten Privatunternehmen des Landes, wird von einer Frau geleitet. Jekaterina Lobatschowa ist seit März 2022 die Präsidentin der Gruppe, zu der die Supermarktketten Perekrjostok und Pjatjorotschka gehören. Zu den weiteren Wirtschafts-Kapitäninnen in Russland gehören Inessa Galaktionowa, die Präsidentin des führenden russischen Mobilfunkanbieters MTS, Anna Akinschina, CEO des größten Wohnbauunternehmens des Landes GK Samoljot und Julia Gadliba, CEO des Versicherers Renaissance. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen, das zu den größten seiner Branche in Russland gehört, sieben von zehn Führungspositionen mit Frauen besetzt. / WEF 1, 2, Bloomberg (EN), Business-gazeta, Finance Magnates, Banki.ru, T-J, Forbes 1, 2 (alle RU)
🔎 Mehr über Frauen in Führungspositionen in Russland erfahren Sie in unserem Wirtschaftsmagazin Impuls 1/2024.
In der jüngsten WEF-Studie von Mitte 2024 ist Russland erneut nicht vertreten. Sie ergab im Vergleich zum Vorjahr kaum noch Fortschritte bei der weltweiten Gleichstellung von Frauen. Der „Gender Gap“, also die Teilhabe-Lücke von Frauen an den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, verkleinerte sich minimal um 0,1 Prozentpunkte. Der Grad der Gleichstellung stieg entsprechend von 68,5% auf 68,6%, konstatieren die Autoren der Studie.
Über das Abschneiden Russlands in internationalen Rankings und insbesondere die Anteile der Frauen in Führungspositionen haben wir vor einem Jahr in der Fokusanalyse „Frauen in der Chefetage“ informiert, deren Inhalte aktuell bleiben.
Keine Frau hat das vergangene Jahr in Russland stärker geprägt als die Präsidentin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina. Um der Inflation Herrin zu werden, setzte sie auf eine immer straffere Geldpolitik. Ihr schärfstes Schwert war der Leitzins, den sie seit Mitte 2023 von 7,5% auf aktuell 21% anhob, den höchsten Wert seit der Einführung des Leitzinses 2013. Als Zentralbankchefin sei sie „Weltklasse“, wie ein Kolumnist des US-Wirtschaftsportals Bloomberg sie im Februar lobte. Ihre Geldpolitik habe dazu beigetragen, dass die russische Wirtschaft angesichts „beispielloser westlicher Sanktionen“ nicht zusammengebrochen, sondern sogar gewachsen ist. Auf die zunehmenden Klagen aus der Wirtschaft und vor allem der Industriellen, deren Kredite dadurch immer teurer wurden, nahm sie keine Rücksicht, jedenfalls bis Ende des Jahres. Bei der Zentralbanksitzung am 20. Dezember verzichtete sie auf die allseits erwartete erneute Zinserhöhung. Zuvor hatte sie nicht nur der einflussreiche Rostec-Chef Sergej Tschemesow frontal angegriffen, Kritik kam auch von Premierminister Michail Mischustin und vermeintlichen Verbündeten wie Sberbank-Präsident German Gref. Schließlich signalisierte Präsident Wladimir Putin persönlich, dass es nun genug sei mit immer höheren Zinsen.
Hinter Nabiullina haben zwei weitere Frauen jahrelang das Handeln der russischen Zentralbank geprägt. Im vergangenen Herbst haben beide beinahe zeitgleich das Haus verlassen. Xenia Judajewa war seit Nabiullinas Amtsantritt 2013 ihre erste Stellvertreterin, ab 2023 fungierte sie nur noch als Beraterin. Im November trat sie ihre neue Stelle als russische Vertreterin beim Internationalen Währungsfonds an. Wenige Tage später verließ auch Olga Skorobogatowa die Zentralbank, in der sie bis zuletzt erste Vorsitzende war. Wie Judajewa gilt sie als eine der Architektinnen des heutigen russischen Finanzsystems. Skorobogatowa wechselt zur zweitgrößten russischen Bank VTB. Als erste Vizepräsidentin wird sie für die strategische Entwicklung und die Digitalprojekte der Staatsbank verantwortlich sein. Heute sind mit Dmitrij Tulin und Wladimir Tschistjuchin zwei Männer die beiden Stellvertreter von Nabiullina.
Auch für die erfolgreichste Unternehmerin Russlands, Tatjana Kim, war 2024 ein Jahr der Prüfungen. Die Gründerin des „russischen Amazons“ Wildberries errang unter ihrem Heiratsnamen Bakaltschuk über ihre Heimat hinaus Berühmtheit. So kürte sie das US-Wirtschaftsmagazin Forbes im vergangenen Sommer mit einem geschätzten Vermögen von 7,4 Mrd. Dollar zur sechstreichsten „Selfmade-Milliardärin“ weltweit. In Russland gilt sie seit vielen Jahren als die reichste Frau des Landes. Dieser Status schien in Gefahr, als sie mit Wildberries eine Fusion mit einem ungleich kleineren Anbieter von Außenwerbung einging. Im gleichzeitigen Rosenkrieg mit ihrem Ex-Mann Wladislaw kam es sogar zu Schießereien mit Todesopfern. Wir haben das alles in der Fokusanalyse „Das Drama um Wildberries“ aufgeschrieben.
Die Befürchtungen scheinen sich bisher nicht bewahrheitet zu haben. Nachdem das Vermögen von Tatjana Kim zwischenzeitlich um mehrere Milliarden Dollar geschrumpft war, bewertete das russische Forbes es Anfang 2025 wieder mit 7,4 Mrd. Dollar, wohl auch wegen des rasant wachsenden Wildberries-Umsatzes. Im 1. Halbjahr 2024 schätzten ihn die Analysten von Infoline auf 1,48 Bio. Rubel (15,4 Mrd. Euro), womit der Onlinehändler die Supermarktkette Magnit überholte (1,44 Bio.) und nur noch hinter dem russischen Einzelhandels-Primus X5 Group lag, der 1,84 Bio. Rubel (19,2 Mrd. Euro) umsetzte.
Auch X5, eines der größten Privatunternehmen des Landes, wird von einer Frau geleitet. Jekaterina Lobatschowa ist seit März 2022 die Präsidentin der Gruppe, zu der die Supermarktketten Perekrjostok und Pjatjorotschka gehören. Zu den weiteren Wirtschafts-Kapitäninnen in Russland gehören Inessa Galaktionowa, die Präsidentin des führenden russischen Mobilfunkanbieters MTS, Anna Akinschina, CEO des größten Wohnbauunternehmens des Landes GK Samoljot und Julia Gadliba, CEO des Versicherers Renaissance. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen, das zu den größten seiner Branche in Russland gehört, sieben von zehn Führungspositionen mit Frauen besetzt. / WEF 1, 2, Bloomberg (EN), Business-gazeta, Finance Magnates, Banki.ru, T-J, Forbes 1, 2 (alle RU)
🔎 Mehr über Frauen in Führungspositionen in Russland erfahren Sie in unserem Wirtschaftsmagazin Impuls 1/2024.