Fokusanalyse

Inflation sinkt, BIP lahmt: Russische Manager erwarten Wirtschaftsrückgang

Hintergrund

„Stagflation“ – mit diesem Schlagwort, einer Zusammensetzung der Worte Stagnation und Inflation, fassen einige Analysen die aktuelle Konjunktursituation in Russland zusammen. Tatsächlich ist das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2025 gegenüber dem vierten Quartal 2024 gesunken. Im zweiten Quartal dürfte es im Vergleich zum Vorquartal allenfalls geringfügig gestiegen sein.

Inflation bleibt hoch, geht aber langsam zurück

Laut offiziellen Daten der russischen Statistikbehörde Rosstat beschleunigte sich der Anstieg der Verbraucherpreise im ersten Quartal 2025 auf 10,3%. Im zweiten Quartal lag die jährliche Inflationsrate bei 9,4%. Im dritten Quartal wird ein weiterer Rückgang auf 8,5% erwartet, bis Ende des Jahres auf 6 bis 7%.

Im Vergleich zum Vorquartal ist die saisonbereinigte Quartalsinflation (aufs Jahr hochgerechnet) bereits stark gesunken: Im ersten Quartal 2025 lag sie bei 8,2%, im zweiten bei nur noch 4,8%. Die Zentralbank strebt für Ende 2026 eine Inflationsrate von 4%an. In ihrer Basisprognose heißt es: „Die jährliche Inflation wird angesichts der aktuellen Geldpolitik und der Rückkehr der Wirtschaft zu einem ausgewogenen Wachstumskurs im Jahr 2026 wieder das Zielniveau von 4% erreichen und sich danach dort stabilisieren.“

Investitionen auf Eis: Hohe Zinsen, niedrige Zuversicht

Der Leitzins liegt aktuell bei 18%. Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche verweist auf Umfragen, in denen Unternehmen angeben, dass der Leitzins höchstens 15% betragen dürfe, damit sie Investitionen überhaupt wieder in Erwägung ziehen. Der Wirtschaftsexperte rechnet mit mindestens zwei weiteren Leitzinssenkungen im laufenden Jahr.

Allerdings würden diese Maßnahmen laut Astrov nicht sofort greifen: Die Zentralbank selbst gehe davon aus, dass der volle Effekt von Leitzinssenkungen erst mit einer Verzögerung von sechs bis neun Monaten spürbar werde. Gleichzeitig zeigt sich Astrov skeptisch, ob das von der Regierung für 2025 geplante Haushaltsdefizit von 1,7% des Bruttoinlandsprodukts eingehalten werden kann. Er rechnet mit hoher Wahrscheinlichkeit damit, dass die Defizitquote auf über 2% steigen wird.

Ein weiteres Zeichen für die wirtschaftliche Abkühlung in Russland liefern die S&P Global Manufacturing PMI für Russland: Im Juli 2025 lag der Managerindex bei nur noch 47,0 Punkten, nach 47,5 im Juni. Damit bleibt das verarbeitende Gewerbe in der Kontraktionszone. Auch der Dienstleistungssektor schwächelt: Der PMI lag im Juli bei 48,6 Punkten, was die stärkste Schrumpfung seit Juni 2024 bedeutet. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der PMI-Wert für das verarbeitende Gewerbe im Juli 49,1 Punkten.

2026: Schwächeres Wachstum bei stabilisierter Inflation

Für das Gesamtjahr 2025 erwartet die russische Zentralbank laut ihrer mittelfristigen Prognose ein BIP-Wachstum von nur 1 bis 2%, ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren (2023: +4,1%; 2024: +4,3%). Laut einer Analysten-Umfrage der britischen Nachrichtenagentur Reuters vom Juli 2025 prognostizieren die befragten russischen und internationalen Wirtschaftsforscher für das Gesamtjahr ein BIP-Wachstum von 1,5%. Für das kommende Jahr 2026 rechnet die Zentralbank sogar nur noch mit einem Zuwachs von 0,5 bis 1,5%. Damit droht Russland in eine wirtschaftliche Stagnation abzugleiten.

Der Analyst Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik kommentierte die veröffentlichten Wirtschaftszahlen am 13. August so: „Um das für 2025 in den Haushaltsprognosen angesetzte Jahreswachstum von 2,5% zu erreichen, müsste das russische BIP von jetzt bis Jahresende um fast 5% wachsen. Setzt sich der aktuelle Trend fort, würde das Jahreswachstum 2025 lediglich 0,7% betragen.“

Quellen: Ostwirtschaft.de (DE), PMI, CBR (EN)