Fokusanalyse

Deutsche Prognosen zu Russlands Wirtschaftswachstum

Hintergrund

Die fünf führenden deutschen Konjunkturforschungsinstitute veröffentlichten Mitte Juni ihre Sommerprognosen für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft und der Weltwirtschaft. Für Russlands Konjunkturentwicklung erwarten die deutschen Institute im Durchschnitt nur noch 1% Wachstum. Im April prognostizierten sie in ihrer Gemeinschaftsdiagnose, dass Russlands Wirtschaftswachstum 2025 noch 2% erreichen wird.

Spannweite der Prognosen für 2025 vergrößert

Von den fünf Instituten rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin für 2025 mit dem stärksten Wirtschaftswachstum in Russland. Es senkte seine Prognose im Vergleich zum Frühjahr nur minimal von 1,6% auf 1,5%. Das Essener RWI Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung blieb mit 1,3% als einziges der Institute bei seiner Wachstumsprognose vom Frühjahr.

Ihre Wachstumsprognosen deutlich gesenkt haben hingegen das IWH Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung Halle von 2% auf 1% und das Kieler Institut für Weltwirtschaft von 1,5% auf 0,8%. Am stärksten senkte das Münchner ifo Institut seine Prognose für Russlands Wirtschaftswachstum und zwar von +1,9% auf nur noch +0,4%.

Sechs Monate vor dem Ende des Jahres 2025 reicht die Spanne der Wachstumsprognosen der fünf deutschen Institute für das Jahr 2025 jetzt also von +0,4% (ifo Institut) bis +1,5% (DIW Berlin). Sie hat sich damit seit dem Frühjahr nicht verringert, sondern von 0,7 Prozentpunkten auf 1,1 Prozentpunkte vergrößert.

Prognosen für 2026 unterscheiden sich wenig

Über die Entwicklung der Gesamtwirtschaft in Russland im nächsten Jahr sind sich die Institute aber weitgehend einig. Gleich vier Institute erwarten 2026 ein Wirtschaftswachstum von 1% (DIW, IWH, RWI) oder 0,9% (ifo). Das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnet hingegen damit, dass sich Russlands Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr von 0,8% auf 0,5% abschwächt.

Das Münchner ifo Institut hob seine Prognose für 2026 jetzt stark an. Vor drei Monaten hatte es für 2025 noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1,9% erwartet, gleichzeitig aber im nächsten Jahr mit einer Rezession in Russland gerechnet (-0,8%). Jetzt erwartet das ifo Institut, dass der Konjunkturabschwung in Russland früher wirksam wird. Schon 2025 werde das Wachstum auf nur noch 0,4% einbrechen. 2026 werde es sich dann auf 0,9% beschleunigen.

IfW Kiel: Russlands Wirtschaft an der Kapazitätsgrenze

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das seine Wachstumsprognose für 2025 auf 0,8% halbierte, sieht die russische Wirtschaft „an der Kapazitätsgrenze“. Durch die Umstellung auf Militärproduktion würden sich zunehmend Engpässe bemerkbar machen, hieß es im Konjunkturbericht von IfW Kiel. Auch die hohen Zinsen – der Leitzins lag seit Oktober bei 21% und wurde erst Anfang Juni leicht auf 20% reduziert – würden sowohl Konsumausgaben als auch militärische Investitionen bremsen.

RWI: Russlands Leistungsbilanzüberschuss beträchtlich

Das Essener RWI geht in seinem Konjunkturbericht Frühsommer 2025 näher auf die außenwirtschaftliche Entwicklung Russlands im ersten Quartal 2025 ein. Sowohl die Ausfuhren als auch die Einfuhren seien wertmäßig etwas gesunken: Der Wert russischer Waren- und Dienstleistungsexporte sei zwischen Januar und März gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4% geschrumpft. Ausschlaggebend sei vor allem die schwächere Entwicklung der Ölexporte gewesen: Verschärfte Sanktionen der USA und der EU gegen russische Öllieferungen verteuerten die Transporte und zwangen Russland zu noch höheren Preisnachlässen.

Die Importe von Waren und Dienstleistungen sanken im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal um 3%. Ausschlaggebend war laut RWI ein deutlicher Rückgang der Importe von Maschinen, Ausrüstung und Transportmitteln. Letztere litten zusätzlich unter einer kräftigen Anhebung der Recyclinggebühren für Importfahrzeuge zu Jahresbeginn. Zuwächse verzeichneten dagegen die Importsegmente Lebensmittel sowie touristische Dienstleistungen. Der Leistungsbilanzüberschuss lag im Zeitraum Januar bis März etwas unter dem Vorjahreswert, blieb aber beträchtlich, so die Analysten des Essener RWI.

Lesen Sie den ganzen Artikel von Klaus Dormann, dem ehemaligen Analysten für Ruhrgas und E.On, exklusiv auf ostwirtschaft.de.