Fokusanalyse

Wirtschaftsinstitut hebt Russland-Prognose an

Hintergrund

Die wirtschaftlichen Perspektiven Russlands für 2026 werden vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) deutlich optimistischer eingeschätzt als von anderen führenden Konjunkturforschungsstellen. Als Grund gibt das Institut die außenpolitische Neuausrichtung der USA unter Präsident Trump an. Trotz bestehender Unsicherheiten bleibt das Fazit des Instituts erstaunlich: Russlands Wachstum werde 2026 wieder ansteigen.

Positiver als russisches Wirtschaftsministerium

Während andere Institute wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank oder das BOFIT-Institut der finnischen Zentralbank für 2026 mit einem Rückgang des Wachstums gegenüber 2025 rechnen, prognostiziert das WIIW für Russland ein Wirtschaftswachstum von 2,5%. Damit korrigiert das Institut seine eigene Frühjahrsprognose vom Februar um 0,9% nach oben. Diese neue Einschätzung liegt sogar leicht über der Prognose des russischen Wirtschaftsministeriums, das im sogenannten „Basisszenario“ von 2,4% ausgeht.

Für 2025 bleibt das Bild jedoch verhalten: Auch das Wiener Institut rechnet mit einer Abkühlung auf 2,0% – nach 4,3% im Vorjahr. Damit bewegt sich das Institut im Mainstream der aktuellen Prognosen. Doch der entscheidende Unterschied liegt im Ausblick für das Folgejahr. Während das BOFIT-Institut nur noch mit 1% Wachstum rechnet und das ifo-Institut aus München sogar einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 0,8% vorhersagt, prognostiziert das WIIW einen wirtschaftlichen Aufschwung.

Entspannung mit den USA als Wachstumshebel

Die Grundlage für diesen Optimismus sieht das Wiener Institut in der Annäherung zwischen Russland und den USA unter Präsident Trump. Wasily Astrov, Russlandexperte des WIIW, verweist auf die „nur noch halbherzig“ umgesetzten US-Sanktionen. Ein möglicher Waffenstillstand oder ein Friedensabkommen in der Ukraine habe das Potenzial, die russische Isolation durch die USA endgültig zu beenden. Selbst ohne offizielles Abkommen könnten Kapital und Technologie aus den USA wieder nach Russland zurückkehren, mit Nachahmungseffekten in Japan, Südkorea und Taiwan.

In der Pressemitteilung wird auch auf erste wirtschaftliche Reaktionen hingewiesen: Im „Windschatten von Trumps Kurswechsel in der Ukraine“ werde bereits über gemeinsame Projekte in der Arktis gesprochen. Zudem erwägen koreanische Firmen wie Hyundai oder Samsung eine Rückkehr in den russischen Markt, LG hat die Produktion in Moskau bereits wieder aufgenommen.

Gleichzeitig entgegnet Astrov dem Argument, dass ein Friedensabkommen der russischen Konjunktur schaden könnte, da staatliche Militärausgaben entfallen würden. Zwar würden Zahlungen an Soldaten und deren Angehörige zurückgehen, doch dies könne durch neue Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen kompensiert werden.

Im Gespräch mit der Deutschen Welle beleuchtet Astrov weitere zentrale Faktoren zur russischen Wirtschaft. Die hohe Rüstungsproduktion sei unter anderem möglich, weil Russland vergleichsweise geringe Staatsschulden habe, rund 15% des BIP. Darüber hinaus sei Russland in der Lage, „kritische Inputs“ wie Halbleiter-Chips weiterhin über Umwege zu importieren. Die Rubel-Aufwertung der vergangenen Wochen erklärt der Experte so: Das Vertrauen in eine geopolitische Entspannung mit den USA habe die russische Währung gestärkt, möglicherweise aber etwas voreilig, wie Astrov einschränkt.

Astrov erwartet keinen massiven Einbruch der russischen Wirtschaft nach einer Einstellung der Kampfhandlungen – zu viele Waffenbestände müssten wieder aufgefüllt werden, was die Industrie weiter auslaste. Schwieriger werde es bei den staatlichen Gehältern für Soldaten. Diese könnten stark gekürzt werden und damit den privaten Konsum belasten. Entscheidend sei, ob der russische Staat andere Ausgabenprioritäten finde, etwa in Bildung oder Infrastruktur, so Astrov.

Ölpreis-Einbruch: Wann wird es kritisch?

Laut Astrov wäre ein Ölpreis unter 40 Dollar pro Barrel für die russische Wirtschaft problematisch, da ein Drittel der russischen Haushaltseinnahmen aus dem Energiesektor stammt. Zwar ist ein durchschnittlicher Ölpreis von 60 Dollar pro Barrel verkraftbar, aber der Staatshaushalt komme dennoch unter Druck, und das Defizit erhöht sich. Das russische Finanzministerium revidierte Anfang Mai seine Haushaltsplanung aufgrund der gesunkenen Öleinnahmen. Das erwartete Haushaltsdefizit 2025 steigt von ursprünglich 1,17 Bio. Rubel, umgerechnet 12,6 Mrd. Euro, auf 3,79 Bio. Rubel, rund 41 Mrd. Euro. Dies entspricht einer Defizitquote von 1,7% des BIP. Ursprünglich waren nur 0,5% geplant. Das Wirtschaftsministerium erwartet für das Gesamtjahr einen durchschnittlichen Preis von 56 US-Dollar pro Barrel der russischen Sorte Urals. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf waren es 69,7 Dollar.

Lesen Sie den ganzen Text mit vielen Grafiken von Klaus Dormann, dem ehemaligen Analysten von Ruhrgas und E.ON, hier.