Fokusanalyse

Krieg im Nahen Osten: Auswirkungen auf Ölpreis und russischen Haushalt

Hintergrund

Sollte sich der Konflikt im Nahen Osten weiter ausweiten, rechnen Analysten mit deutlich höheren Ölpreisen. Die amerikanische Investmentbank JPMorgan hält im Extremfall 130 US-Dollar je Barrel für möglich, bei längerfristigen Exportausfällen oder Blockaden der Straße von Hormuz (im Bild) könnte der Ölpreis sogar auf mehr als 150 Dollar steigen.

Nach der militärischen Eskalation zwischen Israel und dem Iran, die am vergangenen Freitag mit einem israelischen Großangriff auf iranische Atomanlagen, Nuklearforscher und Militärs begonnen hatte, kletterte der Ölpreis am Wochenende auf bis zu 78 US-Dollar pro Barrel der Nordseesorte Brent – der höchste Stand seit Jahresbeginn. Gestern lag der Preis bei etwa 75 Dollar, ein Plus von 10% zur Vorwoche.

Sollte die Öl-Produktion des Iran ins Visier genommen werden, könnten bis zu 1,7 Mio. Barrel Öl pro Tag an Exportlieferungen gefährdet sein, „was ausreichen würde, um den Ölmarkt von einem Überschuss in ein Defizit zu treiben“, so Warren Patterson, Leiter der Rohstoffstrategie bei der niederländischen Bank ING. „In diesem Szenario könnte der Brent-Ölpreis auf 80 US-Dollar pro Barrel steigen, obwohl wir davon ausgehen, dass sich die Preise wahrscheinlich bei etwa 75 US-Dollar einpendeln werden.“ Sollte die Eskalation weiter anhalten und zu Unterbrechungen der Schifffahrt in der Straße von Hormus führen, könnten es die Preise auf 120 Dollar pro Barrel zu treiben, so der Experte.

Russland profitiert

Trotz westlicher Sanktionen dürfte Russland so wie andere erdölproduzierende Länder zu den wirtschaftlichen Profiteuren zählen. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf für 2025 hatte die russische Regierung mit einem durchschnittlichen Ölpreis von rund 70 US-Dollar je Barrel geplant, war dann aber aufgrund gesunkener Ölpreise und Öleinnahmen gezwungen, das Budget Ende Mai mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 56 Dollar neu zu kalkulieren. Die prognostizierten Öleinnahmen verringerten sich dadurch um mehr als 2,6 Bio. Rubel, umgerechnet 30 Mrd. Euro. Dies entspräche einem Rückgang von rund 24%. Das Haushaltsdefizit würde infolgedessen von 0,5 auf 1,7% des Bruttoinlandsprodukts steigen.

Konkret wurden die Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor auf 8,3 Bio. Rubel (91 Mrd. Euro) geschätzt – 21,6% der Gesamteinnahmen des russischen Haushalts. Im ursprünglichen, Ende November beschlossenen Haushalt hatte der Anteil noch bei 27,1% gelegen. Die aktuelle Ölpreiserhöhung um 10 Dollar würde rund 1 Bio. Rubel (11 Mrd. Euro) zusätzliche Einnahmen in die Staatskasse spülen – etwa 0,6% des russischen Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Anteil von Öl und Gas am Budget schrumpft

Seit 2000 hat der Anteil von Öl- und Gaseinnahmen am russischen Bundeshaushalt stark variiert: Er lag anfangs bei rund 35%, erreichte zwischen 2011 und 2014 mit teils mehr als 50% seinen Höhepunkt und sank bis 2024 auf rund 30%. Für 2025 liegt der erwartete Anteil – je nach Ölpreis – zwischen 21% und 27%, womit der Einfluss des Energiesektors auf das Budget historisch niedrig ist. Eine 2017 eingeführte Fiskalregel sollte verhindern, dass höhere Ölpreise zu übermäßigen Ausgaben führen. Zusatzeinnahmen oberhalb eines Basispreises von ursprünglich 40 US-Dollar flossen in den Nationalen Wohlstandsfonds. Seit 2022 ist diese Regel jedoch weitgehend außer Kraft gesetzt: Zusatzeinnahmen werden direkt im Haushalt für militärische Ausgaben und Sozialprogramme verwendet.

Indien kauft Rekordmengen Urals-Öl

Westlichen Sanktionen haben zudem zu einer massiven Umorientierung russischer Ölströme geführt. Insbesondere Indien spielt dabei eine zentrale Rolle. Noch vor drei Jahren war russisches Öl in Indien eine Seltenheit, macht aber heute über 30% der indischen Rohölimporte aus. Die Importe aus Russland haben sich seit 2022 mehr als verzehnfacht.

Russland ist gezwungen, seine neuen Absatzmärkte aufgrund von Sanktionen und Ölpreisdeckel zur Freude der Importländer zu Rabattpreisen zu bedienen. Der Preisrabatt für die russische Rohölsorte Urals lag laut dem britischen Nachrichtenportal Reuters Anfang Juni bei nur rund 3 Dollar. Mit höheren Ölpreisen steigt aber auch der Preisrabatt wieder an, so Experten.

Ölabhängigkeit im weltweiten Vergleich

Russland zählt mit einer Fördermenge von rund 10,8 Mio. Barrel pro Tag zu den weltweit größten Ölproduzenten und rangiert hinter den USA mit 21,9 Mio. Barrel pro Tag, und knapp hinter Saudi-Arabien mit 11,1 Mio. Barrel pro Tag auf Platz 3. Die Abhängigkeit des Staatshaushalts Russlands vom Ölpreis ist geringer als bei vielen großen arabischen Förderländern, aber deutlich höher als in den USA und Kanada.

In Saudi-Arabien stammen rund 62% der Einnahmen direkt aus dem Ölgeschäft, im Irak liegt der Anteil sogar bei über 85%. Der Iran bezieht etwa 37% seines Staatsetats aus Ölverkäufen, während die Vereinigten Arabischen Emirate bei rund 44% liegen. In Norwegen belaufen sich die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft auf rund 14%.

In Nordamerika ist die Lage anders: Die USA, mit Abstand der größte Produzent weltweit, beziehen weniger als 0,4% ihrer Bundesstaats-Einnahmen aus dem Ölsektor. Auch in Kanada, das etwa 5,8 Mio. Barrel täglich fördert, entfallen lediglich rund 5% der Einnahmen auf Öl – größtenteils in der Provinz Alberta. / Observer Research Foundation, Reuters (EN) Kommersant, TASS (RU)

Wie finden Sie diesen Beitrag?

Ihre Meinung hilft uns, besser zu werden