Fokusanalyse

Russlands Straßen: Autofahren wird zur Kostenfrage

Hintergrund

In Russland entstehen derzeit im Tagesdurchschnitt 6,5 Kilometer neue Straßen. Das erklärte Rosawtodor-Chef Roman Nowikow bei einem Treffen mit dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin am vergangenen Mittwoch. Rosawtodor ist die dem Verkehrsministerium unterstellte russische Bundesstraßenagentur, die landesweit Bau, Instandhaltung und Verwaltung des Netzes von Fern- und Bundesstraßen steuert. Seit Beginn des nationalen Projekts „Sichere, hochwertige Straßen“ vor sechs Jahren wurden 85% des Bundesnetzes und 54,9% der regionalen Trassen auf einen neuen Standard gebracht.

Im vergangenen Jahr flossen mehr als eine Billion Rubel, rund 11 Mrd. Euro, in das Straßenprogramm – so viel wie nie zuvor. Zwischen 2019 und 2024 wurden im Schnitt 200 bis 300 Kilometer Schnellstraße pro Jahr fertiggestellt, 2023 markierte mit 800 Kilometern den bisherigen Rekord. Haupttreiber war die 811 Kilometer lange M-12 „Osten“ von Moskau nach Kasan, deren Eröffnung im Dezember 2023 die Fahrzeit zwischen Moskau und der tatarischen Hauptstadt auf 6,5 Stunden reduzierte. Aktuell wird an der Verlängerung der Autobahn bis in die Ural-Metropole Jekaterinburg gebaut, sie soll noch in diesem Jahr fertig werden.

Ein weiteres Großprojekt ist die Erweiterung der M-4 Autobahn „Don“ im Südkorridor, die für 100 Mrd. Rubel, rund 1,1 Mrd. Euro, von vier auf sechs Fahrstreifen erweitert wird. Weitere Großprojekte laufen, darunter der Ausbau der M-3 „Ukraine“ und M-1 „Belorussland“, die Vorbereitung des 295 Kilometer langen zweiten Ringes (KAD-2) um St. Petersburg ab 2027 und die neue A-108-Westumfahrung bei Moskau. Von 2025 bis 2030 sind laut Regierungsplan Ausgaben für den Straßenbau von 889,5 Mrd. Rubel vorgesehen, rund 10 Mrd. Euro.

Mautsysteme und PPP: Immer mehr kostenpflichtige Straßen

Die Finanzierung wird zunehmend durch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) und gebührenpflichtige Strecken gewährleistet. Im vergangenen Jahr wurden 215 ÖPP- und Maut-Konzessionsverträge abgeschlossen. Das Mautmodell basiert fast vollständig auf schrankenlosem „Free-Flow“-Mautbetrieb mit automatischer Kennzeichenerfassung. Dieses System ist auf der zentralen Ringautobahn CKAD, der M-12 „Wostok“, sowie der neuen A-289 bereits Standard. Die CKAD (ЦКАД) als Zentrale Ringautobahn um Moskau, ist eine 530 km lange, überwiegend mautpflichtige vier- bis sechsspurige Autobahn, die in rund 50 km Abstand um Moskau verläuft und als Entlastungsring den Transitverkehr von der inneren MKAD abziehen soll.

Ergänzend finanziert die Lkw-Maut „Platon“, die für LKW mit mehr als 12 Tonnen gilt, seit 2015 den Straßenerhalt. 2024 flossen 52,6 Mrd. Rubel, rund 600 Millionen Euro, in den Bundesstraßenfonds. Seit Einführung überstiegen die Einnahmen die Marke von 300 Mrd. Rubel, rund 3,3 Mrd. Euro.

Im vergangenen Jahr wurden 379 Mio. Fahrten auf den gebührenpflichtigen Abschnitten des Avtodor-Netzes verzeichnet. Ein Plus von 33% binnen eines Jahres, angeführt von der M-12 „Wostok“ mit einer Vervierfachung. Die russische Zentralbank erleichtert seit Juni 2025 zusätzlich die Kreditvergabe: Künftige PPP-Darlehen dürfen bei ausreichender staatlicher Rückhaftung mit geringerem Eigenkapital unterlegt werden, ein Hebel, der den privaten Anteil an den anstehenden Billionen-Projekten weiter erhöhen soll.

Die Schnellstraße M-12 „Ost“ kostet rund 6 Rubel pro Kilometer: Für die 811 km zwischen Moskau und Kasan fallen werktags 4825 Rubel an, rund 50 Euro. Auf der M-11 „Neva“ sowie der M-4 „Don“ liegen die Tarife bei etwa 5 Rub/km, während der 530 km lange Moskauer Außenring CKAD im Schnitt 3 Rub/km verlangt. Für Lkw summieren sich Maut plus Platon-Gebühr je nach Achszahl auf 9–14 Rubel pro Kilometer, sodass die M-12-Durchfahrt rund 10.000 Rubel kostet.

Deutschland baut teuerste Straße Europas

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sieht bis Ende des Jahrzehnts 850 Kilometer neue Autobahnen in Deutschland vor. Hinzu kommen 600 Kilometer Ausbau bestehender Abschnitte. Für die Bundesfernstraßen sind 133 Mrd. Euro eingeplant, davon 69% für Erhalt und 31% für Erweiterung. Durchschnittlich müssten pro Jahr rund 57 Kilometer Neubautrasse realisiert werden, um das Ziel zu erreichen.

Der 16. Bauabschnitt der Berliner Stadtautobahn A100 gilt als eine der teuersten Straßen Europas: 3,2 Kilometer Tunnel und Hochstraße schlagen mit 700 Mio. Euro zu Buche. Das entspricht 218.000 Euro je Meter. Die Fertigstellung ist für dieses Jahr geplant. Ein weiterer geplanter 17. Abschnitt würde 800 Mio. Euro kosten.

Quellen: Kommersant, CBR, Vedomosti (alle RU), Tagesspiegel (DE)