Fokusanalyse

Zeitungsmarkt kämpft mit Leserschwund

Hintergrund

Im Zeitalter der Digitalisierung lesen immer weniger Menschen herkömmliche Printmedien. Statt mit der Zeitung zu rascheln, informieren sich viele über ihr Handy im Netz. Auch der russische Zeitungsmarkt stellt sein Angebot zunehmend auf online um. Allerdings hat die traditionelle Zeitung trotz Leserschwunds noch lange nicht ausgedient.

Im vergangenen Jahr hat der russische Zeitungsmarkt an Leserschaft verloren. Der Einzelverkauf von Printausgaben ging um 9% zum Vorjahr zurück, belegen Daten von Platforma OFD, dem größten russischen Dienstleister für die Übermittlung von Fiskaldaten. Noch größer war der Rückgang bei Ausgaben via Abo mit minus 12%. Der Durchschnittspreis für Zeitungen und Zeitschriften betrug 284 Rubel, umgerechnet 3,17 Euro, seit 2022 ein Anstieg von 20%. Wer sich ein Jahresabo zulegte, zahlte im Schnitt 2580 Rubel, 28,38 Euro, und somit 21% mehr als noch vor zwei Jahren.

Gleichzeitig gab es Zuwächse im Digitalbereich: Das Plus zum Vorjahr betrug 23%. Parallel dazu ist auch der durchschnittliche Preis für eine Online-Zeitung im Abo um 15% auf 2400 Rubel, 26,40 Euro, gestiegen. Laut Branchenkennern wurden auf diese Weise zumeist Wirtschaftsmedien abonniert.

Leser wandern ins Netz ab

Laut einer Umfrage des russischen Meinungsforschungszentrums WZIOM aus dem Jahr 2023 lasen nur 14% der Russen regelmäßig Zeitung. 26% Prozent der Printleser waren über 60 Jahre alt. Der Anteil der digitalen Leser sei von 34% im Jahr 2014 auf 62% im Jahr 2022 angestiegen, heißt es in der Studie. 21% der Befragten gaben an, früher regelmäßig Zeitung gelesen zu haben, aber mittlerweile auf digitale News umgestiegen zu sein. Vor allem die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen (über 80%) gab zu, nie regelmäßig Zeitung gelesen zu haben.

Wo Zeitungen gelesen werden

Angesichts der Digitalisierung gehe die Nachfrage nach Printmedien zurück und werde durch Online-Abos kompensiert, sagt Leonid Simakow, Leiter des russischen Analysezentrums Check Index. Der Analyst beobachtet dabei ein steigendes Interesse an zeitnahen und hochwertigen Beiträgen, darunter „Vollversionen“ von Texten und Analysen. Kirill Tanajew vom russischen Modern Media Research Institute erklärt den schwächelnden Absatz russischer Printmedien mit einem ineffizienten Vertriebssystem und der Verringerung von Verkaufsstellen.

Das Papierformat setzt trotzdem auf loyale Leser und Werbeeinnahmen. Gedruckte Medien brächten als Werbe- und Informationsträger Imagevorteile mit sich, sagt Tanajew. Außerdem erreichen sie Menschen an den entlegensten Orten, wo digitale Medien noch nicht richtig Fuß gefasst hätten. „Printausgaben an den Mann zu bringen, sei eher ein Problem von überregionalen Zeitungen“, sagt Wadim Duda, Leiter der russischen Staatsbibliothek in Moskau, einer der größten Bibliotheken der Welt. Regionale Zeitungen seien auch jetzt gefragt, denn die Leser hätten weiterhin Vertrauen in sie, so Duda.

Meistgelesen und meistzitiert

In den vergangenen sechs Monaten verzeichneten einige der auflagenstärksten russischen Zeitungen wieder mehr Leser. Im landesweiten Vergleich schneidet die russische Tageszeitung Rossijskaja gaseta, Amtsblatt der russischen Regierung, am besten ab. Ihr Absatz belief sich in dem Zeitraum Oktober 2024 – März 2025 auf 1,44 Mio. Auflagen, ein Anstieg von 1,2% gegenüber den vorherigen sechs Monaten. Die Zahlen stammen vom russischen Markt- und Medienforscher Mediascope.

Über die höchsten Wachstumsraten freute sich Anfang April die Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda, seit 1925 herausgegeben. Sie setzte 905.400 Ausgaben ab, der Anstieg betrug 1,3%. In Moskau war die Zeitung ebenfalls führend: Das Plus lag bei 2,1% (303.100 verkaufte Auflagen). In ihren Anfangsjahren fungierte die Komsomolskaja Prawda als Sprachrohr des Komsomol, der Jugendorganisation der Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU).

Die nach wie vor meistgelesene russische Wochenzeitung ist Argumenty i Fakty, seit 1978 in den Zeitungskiosken. Das Blatt mit Fokus auf gesellschaftliche und politische Themen steigerte in den vergangenen sechs Monaten seine Leserzahl um 1,55 Mio. auf knapp 7 Mio. pro Ausgabe. In den 80er Jahren avancierte die Zeitung zu einer der beliebtesten Zeitungen in der Sowjetunion. Im Zuge der Perestroika und Glasnost, die mit mehr Transparenz und Offenheit in der Berichterstattung einhergingen, trieb das Medium sozialkritische Debatten voran. Im Mai 1990 schaffte es die Zeitung sogar ins Guinness-Buch der Rekorde mit einer Auflage von 33,5 Mio. Exemplaren.

Zu den meistzitierten russischen Zeitungen gehört die Tageszeitung Izvestija, auf die sich verschiedene Medien mehr als 2,5 Mio. Mal beriefen, wie einem Ranking des Branchenanalysten Medialogia für März 2025 zu entnehmen ist. Mit großem Abstand folgt auf Platz zwei und drei die Wirtschaftszeitungen Kommersant (1,82 Mio. Zitierungen) und Vedomosti (789.380), gefolgt von Rossijskaja Gaseta (757.250) und Komsomolskaja Prawda (431.510).

Deutsche Medienlandschaft

Auch in Deutschland lesen immer weniger Menschen Printmedien. Die Bild, Erstausgabe 1952, ist die mit Abstand auflagenstärkste überregionale Zeitung Deutschlands. Im vierten Quartal 2024 wurden 676.888 Ausgaben via Abo und Einzelverkauf abgesetzt, was jedoch einen Rückgang von 11% zum Vorjahresquartal darstellt, belegen Zahlen des Nachrichtendienstes für Medien „Meedia“. Die Bild am Sonntag (Wochenzeitung) sackte noch stärker ab – um knapp 16% auf 291.052 abgesetzte Exemplare. Die Süddeutsche Zeitung verkaufte im selben Zeitraum via Abo und Einzelverkauf 231.021 (-3,7%), die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – 148.511 Exemplare (-3,6%) und die renommierte Wirtschaftszeitung Handelsblatt – 74.039 Ausgaben (-11,7%). Die Welt verzeichnete als einzige Tageszeitung in der Top 5 einen Zuwachs von 13,5% (45.949 Auflagen).

E-Paper auf Eroberungskurs

Nach Angaben des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ging der Umsatz 2023 um rund zwei Prozent auf 6,68 Mrd. zurück. Im Vorjahr hatte der Umsatz 6,8 Mrd. Euro und im Jahr 2021 – knapp 7 Mrd. Euro betragen. 2023 entfielen auf Anzeigenumsätze 1,66 Mrd. Euro, rund 2% weniger als im Vorjahr. Die Vertriebsumsätze blieben mit 5,02 Mrd. Euro fast konstant. Hier sei es den Zeitungen gelungen, die anhaltenden Auflagenrückgänge zumindest nominal durch Preiserhöhungen aufzufangen, schreibt der BDZV. Diese Entwicklung erklärte der Verband mit der schwachen Konjunktur in Deutschland und dem Umstieg auf digitale Produkte. Zeitungsverlage bauen diese weiter aus.

Der Zeitungsverlegerverband BDZV prognostiziert, dass Print-Abonnements bis 2030 von 66% auf 38% sinken werden, während E-Paper-Abos von 20% auf 37% steigen. Laut einer Studie des Verbands werden in Deutschland täglich über 2,8 Mio. E-Paper verkauft, mehr als 60% davon im Abo. Fast jede vierte verkaufte Zeitung sei digital, mit einer jährlichen Wachstumsrate von etwa acht Prozent, schreibt der BDZV.

Quellen: RBC, GIPP, WZIOM (alle RU), Meedia, BDZV 1, 2

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