Fokusanalyse

Internationale Tabakkonzerne dominieren russischen Zigarettenmarkt

Hintergrund

Zwar halten sich ausländische Tabakriesen angesichts der geopolitischen Lage zurück, dennoch wird der russische Zigarettenmarkt seit Jahrzehnten von ausländischen Konzernen dominiert, deren Umsatz weiter wächst. Mit Japan Tobacco (JT Group, bekannt für Marken wie Winston, Camel, LD) und dem US-Konzern Philip Morris International (Marlboro, L&M, Parliament) sind zwei der weltweit größten Tabakhersteller weiterhin auf dem russischen Markt präsent.

Der Umsatz von Japan Tobacco betrug im vergangenen Jahr 480 Mrd. Rubel, rund 5,3 Mrd. Euro, ein Anstieg von 11,4% im Vergleich zu 432,6 Mrd. Rubel, 4,8 Mrd. Euro, im Vorjahr. Das folgt aus Zahlen der russischsprachigen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Forbes, das sich auf das Unternehmensregister SPARK beruft. Japan Tobacco betreibt vier Produktionsstätten in Russland. Nach Einschätzung des Marktanalysten Nielsen IQ entspricht der Anteil des japanischen Unternehmens am russischen Zigarettenmarkt 33% bis 40%. Im Forbes-Ranking 2024 der umsatzstärksten ausländischen Unternehmen insgesamt liegt das Unternehmen lediglich hinter dem chinesischen Fahrzeughersteller Chery Automobile (590,3 Mrd. Rubel, 6,5 Mrd. Euro) auf Platz zwei.

Gleich dahinter rangiert der US-Konzern Philipp Moris International (Marlboro, L&M, Parliament) mit einem Jahresumsatz von 440,2 Mrd. Rubel, 4,9 Mrd. Euro im Vergleich zu 400 Mrd. Rubel, 4,5 Mrd. Euro im Jahr davor. Dies entspricht einem Zuwachs von 10%. Das Unternehmen hat eine Zigarettenfabrik im Leningrader Gebiet. Das Tochterunternehmen Philipp Morris Sales & Marketing ist für den Vertrieb zuständig und verfügt über Niederlassungen in 100 Städten des Landes. 2020 belegte das US-Unternehmen den ersten Platz im Forbes-Ranking (359,5 Mrd. Rubel, beim damaligen Rubelkurs 4,5 Mrd. Euro).

Produktion rückläufig – Importe steigen

Im vergangenen Jahr wurden in Russland 10,3 Mrd. Schachteln Zigaretten hergestellt, ein Rückgang um 3% gegenüber dem Vorjahr, als 10,6 Mrd. produziert worden, so die Zahlen des russischen Branchenanalysten BusinesStat. Die Zigarettenproduktion hat in den vergangenen drei Jahren um 17% abgenommen – 2021 liefen noch 12,5 Mrd. Schachteln Zigaretten vom Band. Diesen Rückgang erklären Experten mit dem Rückzug der britischen Tabakriesen Imperial Brands – bekannt für Zigarettenmarken wie Davidoff, Richmond, West – und British American Tobacco (Dunhill, Kent, Lucky Strike). Ebenso ein Grund – die Zurückhaltung verbliebener internationaler Tabakkonzerne bei Investitionen und operativem Geschäft in Russland. Beide Konzerne haben ihr Russlandgeschäft seit Frühjahr 2022 an das lokale Management übergeben.

Deutschland größter Importeur

2024 wurde ein signifikanter Anstieg bei den russischen Importen von Tabakwaren verzeichnet. So stiegen etwa in den ersten sechs Monaten die Einfuhren um 35% auf 215,5 Mio. Schachteln Zigaretten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zu den wichtigsten Lieferanten von Zigaretten zählten im ersten Halbjahr Belarus und die Vereinigten Arabischen Emirate. Russland war im vergangenen Jahr auch größter Abnehmer von Tabak aus Japan. Zum Jahresbeginn 2023 war Deutschland unangefochtener Spitzenreiter bei Zigarettenimporten in Russland. Der Anteil Deutschlands betrug im ersten Quartal 61%, insgesamt wurden 70 Mio. Schachteln Zigaretten eingeführt.

Branchenkenner führten diesen Anstieg zum Teil auf die Nachfrage nach hochwertigen und teuren Zigarettenmarken zurück. Zahlungsfähige Verbraucher legen gerne ein paar Tausend Rubel drauf, um ihren Zigarettengenuss zu steigern. Beliebt seien vor allem Tabakwaren des traditionsreichen deutschen Zigarettenherstellers Von Eicken mit Marken wie Chapman, Harvest, Pepe, verrät Maksim Koroljow, Chefredakteur der Branchenzeitschrift Russkij Tabak.

Russlands Raucherecken

Im vergangenen Jahr gaben die Russen knapp 19% mehr Geld für Zigaretten aus als im Vorjahr. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf 1,4 Bio. Rubel, ca. 15,6 Mrd. Euro. Wie bereits das Jahr zuvor, griffen die Einwohner des Fernen Ostens in Russland am öftesten zu den Glimmstängeln. Ganz vorne lag das Gebiet Magadan mit 120.900 verkauften Schachteln Zigaretten pro 1000 Einwohner. Viel gequalmt wurde auch in der Region Kamtschatka – 115.700 Schachteln pro 1000 Einwohner – und in der Region Transbaikalien – 108.700 Schachteln.

Die gestiegenen Ausgaben für Zigaretten hängen mit der fortschreitenden Legalisierung der Tabakindustrie zusammen. Vor der Einführung des digitalen Warenausweises Tschesnij Snak (dt. faires Siegel) soll der illegale Zigarettenhandel einen Anteil von über 15% am Gesamtumsatz ausgemacht haben. Im dritten Quartal 2024 sank dieser Anteil auf etwas weniger als 11%. Bei den höheren Verbraucherausgaben spielte auch der staatlich festgelegte Mindestpreis für Zigaretten eine Rolle. 2022 kostete eine Standardpackung (20 Zigaretten) mindestens 112 Rubel, 1,20 Euro, im darauffolgenden Jahr stieg der Preis auf 119 Rubel, 1,30 Euro, und lag 2024 bei 135 Rubel, 1,50 Euro.

Nebenwirkungen für Wirtschaft

Laut dem russischen Gesundheitsminister Michail Muraschko ist der Anteil der Raucher, die älter als 15 Jahre sind, in Russland in den vergangenen 15 Jahren von 39,5% auf 18,6% zurückgegangen. Anfang der 2000er Jahre soll noch jeder zweite Russe geraucht haben. In Deutschland liegt die Raucherquote höher, allerdings ist auch dort der Raucheranteil an der Gesamtbevölkerung rückläufig. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätz die derzeitige Raucherquote in Deutschland auf ca. 23%. Im Jahr 2000 waren noch 31,5% der Deutschen aktive Raucher. Weltweit liegt der Anteil laut WHO-Angaben bei 22,3%.

Rauchen schadet längst nicht nur der Gesundheit. Bei der Jahresversammlung des größten russischen Unternehmerverbands RSPP im März verwies der russische Gesundheitsminister auf die negativen wirtschaftlichen Folgen von Raucherpausen. Die Einbußen der Unternehmen allein durch die Rauchpausen ihrer Mitarbeiter bezifferte Muraschko auf 443 Mrd. Rubel (4,9 Mrd. Euro) im Jahr. Ungleich größer sei der Schaden durch die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund chronischer Krankheiten insgesamt. Sie koste die russische Wirtschaft 4% des Bruttoinlandsprodukts, so der Minister. Im vergangenen Jahr entsprach das rund 8 Bio. Rubel (90 Mrd. Euro). Ähnlich hohe Zahlen liegen auch für die Bundesrepublik vor. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen beziffert die durchs Rauchen verursachten gesamtwirtschaftlichen Kosten auf 97,24 Mrd. Euro.
Quellen: Zdrav.Expert, Kommersant 1, 2, Forbes 1, 2, Vedomosti, RBC, (alle RU), Statista, DHS