Die Anzeichen für eine tiefe Krise in der russischen Bauindustrie verdichten sich. Im Zeitraum Januar bis Mai 2025 sank der Verkauf neuer Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr um 16%, wie der staatliche Finanzierungsanbieter Dom.RF berechnete. Seit dem Auslaufen wichtiger staatlicher Niedrigzinsprogramme sank das Neugeschäft bei Hypotheken bis Februar 2025 um 45% gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig stieg der Anteil genehmigter, aber bisher nicht gestarteter Projekte von 6% auf 12%. Vizepremier Marat Chusnullin rechnet deshalb für 2025 nur mit „mindestens 100 Mio. m²“ Wohnfläche, was rund 7% unter dem Wert für 2024 liegt. Die durchschnittliche Bauzeit eines Mehrfamilienhausprojekts liegt inzwischen bei 28 Monaten – drei Monate länger als im Vorkrisenjahr 2021.
Bereits 2024 hatte sich eine Abkühlung des starken Wachstums im Vorjahr abgezeichnet. Das gesamte russische Bauvolumen im Hoch- und Tiefbau erreichte 2024 laut der Statistikbehörde Rosstat 16,78 Bio. Rubel, rund 180 Mrd. Euro, und lag damit nur 2,1% höher als 2023. Es war der schwächste Anstieg seit dem Coronajahr 2020.
Bereits 2024 hatte sich eine Abkühlung des starken Wachstums im Vorjahr abgezeichnet. Das gesamte russische Bauvolumen im Hoch- und Tiefbau erreichte 2024 laut der Statistikbehörde Rosstat 16,78 Bio. Rubel, rund 180 Mrd. Euro, und lag damit nur 2,1% höher als 2023. Es war der schwächste Anstieg seit dem Coronajahr 2020.
Wohnungsbau mit Zinshürden
Die Abkopplung aufgrund von Sanktionen von westlichen Baustoffen und Expertise hat Kostenfolgen: Kompressoren, Sensorik und Steuertechnik aus Asien sind im Schnitt 20% teurer und treffen mit mehrmonatiger Verzögerung ein. Der SherpaGroup-Baupreisindex stieg 2024 um 7,8% und im ersten Quartal 2025 um weitere 8,6%. Der SherpaGroup-Baupreisindex ist ein von der Analysefirma Sherpa Group auf Grundlage offizieller Rosstat-Statistiken und eigener Marktrecherchen berechneter Preisindikator, der die jährliche Bauinflation bündelt und so als branchenspezifischer Maßstab für Baupreis- und Kostenvergleiche dient. Der lokale Lieferanteil bei Großvorhaben kletterte von 65% im Jahr 2021 auf 78%, doch die durchschnittliche Zeit, die von Planung bis zur Fertigstellung vergeht, verlängerte sich von 19 auf 26 Monate. Projekte kleinerer privater Investoren werden aktuell durch die hohen Zinsen häufig zurückgestellt oder gänzlich gestrichen.
Einfamilienhaus statt Plattenbau
Trotz eines Leitzinses von im Durchschnitt 15% blieb der Wohnungssektor 2024 auf einem hohen Niveau. Es wurden 107,4 Mio. m² Wohnfläche fertiggestellt, 2,7% weniger als 2023, als ein postsowjetischer Rekord aufgestellt wurde. Treiber war das Segment Einfamilienhäuser, dessen Volumen mit 62 Mio. m² einen Rekord darstellte und 58% aller Fertigstellungen ausmachte. Gründe hierfür sind staatlich geförderte Kredite mit Zinssätzen bis 6%, beschleunigte Genehmigungen in Stadtrandlagen sowie zusätzliche Bauflächen entlang neugebauter Umfahrungsstraßen.
Seit der Einführung des Nationalprojektes „Wohnen und städtische Umwelt“ 2019 wurden insgesamt 541 Mio. m² Wohnraum gebaut und 22 Mio. Familien in neue Wohnungen umgesiedelt. Die Metropolen Moskau und St. Petersburg stagnierten, während mittelgroße Zentren wie Tjumen (+12 %) oder Kaluga (+9 %) zulegten.
Seit der Einführung des Nationalprojektes „Wohnen und städtische Umwelt“ 2019 wurden insgesamt 541 Mio. m² Wohnraum gebaut und 22 Mio. Familien in neue Wohnungen umgesiedelt. Die Metropolen Moskau und St. Petersburg stagnierten, während mittelgroße Zentren wie Tjumen (+12 %) oder Kaluga (+9 %) zulegten.
Autarkie und Kostendruck
Der Markt für schlüsselfertige Industrieanlagen wuchs 2024 auf 4,0 Bio. Rubel, rund 44 Mrd. Euro, ein Plus von 8% gegenüber 2023. Gazprom, Novatek und Rosneft investieren mehr als 1,2 Bio. Rubel, rund 13 Mrd. Euro, in LNG-Anlagen, Polyethylen-Komplexe und Ammoniakanlagen. E-Commerce-Anbieter bauten 2,3 Mio. m² neue Sortier- und Kühlzentren, 18% mehr als im Vorjahr.
Weniger Investitionen in den Bahnverkehr
Im Tiefbau reduzieren die Russischen Eisenbahnen ihr Investitionsbudget 2025 von 1,3 Bio. (14 Mrd. Euro) auf 0,8 Bio. Rubel (9 Mrd. Euro), ein Minus von 35% gegenüber dem Vorjahr. Der Ausbau der Baikal-Amur-Magistrale (BAM) pausiert; stattdessen sind für 2025 die Sanierung von 6200 km Gleis und der Austausch von 350 Weichen vorgesehen. Die Baikal-Amur-Magistrale ist eine rund 4300 Kilometer lange, in den 1980er Jahren errichtete russische Fernbahntrasse, die als nördliche Alternative zur Transsibirischen Eisenbahn von Sibirien in den Fernen Osten Russlands führt.
Mehr private Geldgeber, weniger Staat
Finanzierungslücken im Baugewerbe werden zunehmend durch Public-Private-Partnerships (PPP) geschlossen. 2024 wurden 2 Bio. Rubel in PPP-Projekte investiert, rund 21 Mrd. Euro, 1,6 Bio. Rubel davon privates Kapital. Zwei Drittel entfielen auf Verkehr, 19% auf Wasser- und Abwasser, 15% auf soziale Infrastruktur. Bis 2030 plant das Wirtschaftsministerium kumulativ über 10 Bio. Rubel, rund 120 Mrd. Euro, an privaten Mitteln einzusammeln. Beispielhaft ist die 35 km lange Smolensk-Umgehung der Autobahn M-1 mit 112 Mrd. Rubel, rund 1,5 Mrd. Euro, Investitionssumme und 70% Privatanteil. Baubeginn ist im 4. Quartal 2025.