Fokusanalyse

Lage deutscher Firmen weltweit und in Russland

Analyse
Einen gewaltigen Dämpfer haben der Welthandel und die Weltwirtschaft durch die aggressive Handelspolitik der USA erhalten. Prognosen zum weltweiten Wirtschaftswachstum müssen nach unten korrigiert werden. Dies zeigt die aktuelle Frühjahrs-Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bei den Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern. Interviewt wurden von Mitte März bis Mitte April 4600 Unternehmen. 40% der Antworten stammen aus dem Industrie- oder Baugewerbe, 41% aus dem Dienstleistungssektor und 19% von Handelsunternehmen.

Die Ergebnisse sind drastisch. Noch im Herbst 2024 erwarteten 27% der deutschen Unternehmen im Ausland eine Verbesserung der lokalen Konjunktur – jetzt sind es nur noch 19%. Der Anteil derjenigen, die von einer Verschlechterung ausgehen, ist auf 33% gestiegen. In den USA erwarten sogar 85% der dort tätigen deutschen Unternehmen, dass sich die Geschäftsaussichten negativ entwickeln.

Unberechenbare US-Handelspolitik

Der Grund dafür liegt in der unberechenbar gewordenen US-Handelspolitik. „Die neue Handelspolitik der USA trifft deutsche Unternehmen an ihren Auslandsstandorten mit voller Wucht“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der DIHK. Die Folgen seien fatal, warnt Treier: „Das Vertrauen in globale Marktmechanismen erodiert – und mit ihm die Investitionsdynamik“. Es fällt auf, dass nach dem von Trump proklamierten sogenannten Liberation Day, der Verhängung hoher Zölle gegen einen Großteil der amerikanischen Handelspartner, der Anteil der Unternehmen, die negative Erwartungen an die Zukunft haben, weltweit von 56% auf 69% gestiegen ist.
Galten die USA noch im Herbst vorigen Jahres als ein sehr attraktiver Standort für Investitionen, verzeichnet die DIHK-Umfrage jetzt einen schockartigen Rückgang der Investitionsabsichten. Nur noch 24% der in den USA tätigen deutschen Unternehmen planen, ihre Investitionen zu erweitern. Zuvor waren es noch 37% – ein beispielloser Rückgang. Erstmalig nennen Unternehmen in der DIHK-Umfrage wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen mit 49% als das größte Geschäftsrisiko. Besonders ausgeprägt sind diese Einschätzungen bei den Betrieben in den USA. Dort sehen 70% die Politik als das Hauptproblem.

Absturz in Amerika

Zwar bewerten 49% der in den USA arbeitenden deutschen Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage positiv, während 13% sie als schlecht einstufen. Doch stehen dieser Einschätzung pessimistische Erwartungen für die nächste Zukunft gegenüber. Nur noch 31% erwarten eine Verbesserung ihrer Situation. Den tiefen Einschnitt in den Konjunkturerwartungen der Unternehmen in Nordamerika beleuchtet eine Zahl aus der Umfrage. Im Nordteil des amerikanischen Kontinents erwarten nur 13% der befragten dortigen deutschen Unternehmen eine positive konjunkturelle Entwicklung. Fast die Hälfte (47%) gehе von einer Verschlechterung aus.

Noch im November 2024 rechneten bei einer DIHK-Umfrage 38% der befragten deutschen Unternehmen in den USA eine positive Konjunkturentwicklung. DIHK- Außenwirtschaftschef Treier sagte damals: „In Nordamerika finden deutsche Unternehmen attraktive Geschäftsbedingungen vor, die am heimischen Standort fehlen“. Diese Vorteile sind inzwischen weitgehend zunichte gemacht. Besonders alarmierend: Deutschen Unternehmen in den USA befürchten außer Handelsbarrieren auch eine „Bevorzugung einheimischer Unternehmen“ wegen politisch bedingter Präferenzen.

Weltweit betrachten 64% der befragten Unternehmen Handelskonflikte und protektionistische Tendenzen als die größten Herausforderungen der nächsten fünf Jahre. Dabei sehen 77% in den Zöllen und Gegenzöllen das Haupthindernis. 63% fürchten eine Einflussnahme auf Lieferketten. Aus Sicht von 42% sind Inflation und Geldpolitik die wesentlichen Hemmnisse wirtschaftlicher Entwicklung. Wettbewerbsverzerrungen durch Industriepolitik und Subventionen einzelner Staaten erscheinen 32% als das Hauptproblem.
Die Einschätzung, dass der Welthandel schwächelt und das globale Wachstum unter Druck gerät, zeigt sich auch in der Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Fonds prognostiziert ein globales Wachstum von lediglich 2,8% – im deutlichen Gegensatz zu dem langjährigen Wachstum von 3,7%. Negativ ist auch die IWF-Prognose für die weltweiten Handelsumsätze. Sie sollen 2025 nur noch bei 1,7% liegen. Dies darf als Indiz für die anhaltende Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft gelten. Dabei bescheinigt DIHK-Experte Treier den deutschen Unternehmen in aller Welt eine „bemerkenswerte Resilienz“. Doch unter den gegenwärtigen weltpolitischen Bedingungen stießen „selbst die anpassungsfähigen Geschäftsmodelle an Grenzen“, so Treier. Offensichtlich ist, dass die Politik der neuen US-Führung bereits durch die Drohungen erhöhter Zölle Sand ins Getriebe der Weltwirtschaft gestreut hat, mit schwer kalkulierbaren Langzeitfolgen.

Der Übergang der politischen Führung der USA zu unverhüllten Drohungen und Erpressungen gegenüber Partnerländern beschädigt in jedem Fall nachhaltig das Vertrauen in die außenwirtschaftlichen Beziehungen zu den USA. Die psychologischen Langzeitschäden, die sich unvermeidlich auf das Investitionsverhalten auswirken, wären selbst durch einen Kurswechsel in Washington hin zu einer moderateren Politik kaum aus der Welt zu schaffen.

Keine Deglobalisierung

Zwar gibt es auch nach der DIHK-Umfrage keine generellen Anzeichen für eine Deglobalisierung. Doch deuten die Umfrageergebnisse auf einen Trend hin: Es bilden sich wirtschaftliche Großräume, etwa in Asien im indopazifischen Raum, in Europa, im Mittleren und Nahen Osten und in Afrika mit einem gewissen Abstand zum Epizentrum der amerikanischen Handelspolitik.

In der Eurozone sind die Unternehmen etwas optimistischer als in Nordamerika. Bessere Geschäfte erwarten 37%, 19% gehen von schlechteren Ergebnissen aus. Weltweit planen 28% der deutschen Unternehmen für die kommenden zwölf Monate höhere Investitionen. Im Herbst 2024 waren es 30% gewesen. In den EU-Ländern, die nicht zur Eurozone gehören, herrschen ebenfalls skeptische Erwartungen vor. Dort erwarten 34% schlechtere Bedingungen für ihr Unternehmen, 19% sehen Anlass für eine Verbesserung. In Ost - und Südeuropa wie auch in der Türkei dominieren negative Erwartungen. Dort gehen 45% von einer sich verschlechternden Konjunktur aus. Nur 11% rechnen mit einer positiven Entwicklung.

Die einzige Weltregion, in der die Unternehmen insgesamt einer guten Konjunkturentwicklung entgegensehen, ist Afrika einschließlich des Nahen und Mittleren Osten. Dort gehen 40% der Unternehmen von einer verbesserten Konjunktur aus, nur 14% rechnen mit einer Verschlechterung. In der Subsahara-Region sehen 32% der Unternehmen eine verbesserte Zukunft. In der Subsahara-Weltregion bewerten 41% der Betriebe ihre Geschäftslage als gut und nur 15% als schlecht. In diesem Teil Afrikas wächst im Verglich zur Befragung im Herbst 2024 die Bereitschaft, zu investieren. So planen 35% der vor Ort tätigen deutschen Unternehmen höhere Investitionen. Zudem planen 38% der Unternehmen in Subsahara- Afrika einen deutlichen Stellenausbau. Dabei könnten Verbesserungen der Infrastruktur etwa durch Straßen- und Wohnungsbau ebenso eine Rolle spielen, wie der Zustrom junger Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt. Von Bedeutung könnte auch die Tatsache sein, dass die afrikanischen Länder sich an keinerlei Sanktionen beteiligen.

Gesunken ist indessen die Investitionsbereitschaft in Greater China, worunter Festlandchina, Hongkong und die Insel Taiwan gefasst werden. Vor allem in Festlandchina reduziert jedes dritte Unternehmen seine Investitionen für die kommenden zwölf Monate. Auch dabei spielen neben einer Abkühlung der innerchinesischen Konjunktur politische Konflikte um Zollfragen eine beträchtliche Rolle.

Russische Wirtschaft bremst, deutsche Firmen stabil

Verhalten sind die Erwartungen der deutschen Wirtschaft in Russland. Die Zwischenauswertung der aktuellen Geschäftsklima-Umfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer mit derzeit 166 Teilnehmern, davon rund 90 rein deutschen Unternehmen zeigt: Leicht positive Erwartungen an die Entwicklung der russischen Wirtschaft haben 19% der deutschen Firmen, 2% zeigen eine durchweg positive Einschätzung. Von einer Stagnation gehen 35% aus, leicht negativ sind die Einschätzungen von 25%, während 19% durchweg negative Annahmen vertreten.
Dabei bewerten 19% der Befragten ihre gegenwärtige Geschäftslage als gut (17%) oder sehr gut (2%). Als befriedigend beurteilen 53% ihre Situation, während 28% sie als schlecht (22%) oder sehr schlecht (6%) einschätzen. Zusätzliche Einstellungen planen indessen nur 11% der an der Umfrage beteiligten Unternehmen. 59% beabsichtigen keinerlei Neueinstellungen. Ähnlich zurückhaltend zeigen sich in Russland tätige Unternehmen auch, was Investitionen angeht. So planen 77% der Respondenten keine Investitionen für die kommenden zwölf Monate. Russland verlassen wollen 6%.
Bemerkenswert ist die Einschätzung der befragten Unternehmen von der Wirkung der Sanktionen auf Deutschland und Russland. 45% sind der Ansicht, dass die Sanktionen Deutschland mehr als Russland schaden. Und fast ebenso viele – 45% – urteilen, dass die Strafmaßnahmen Deutschland und Russland gleichermaßen schaden. 8% vertreten die Auffassung, die Sanktionspolitik schade Russland mehr als Deutschland.

Quellen: DIHK 1, 2, ZDF 1, 2, Stern

Wie finden Sie diesen Beitrag?

Ihre Meinung hilft uns, besser zu werden