Der russische Bundeshaushalt für das Jahr 2025 weist laut dem Ende September vorgelegten, überarbeiteten Entwurf ein deutlich höheres Defizit auf als noch im Frühjahr erwartet. Das Finanzministerium rechnet nun mit einem Fehlbetrag von 5,74 Bio. Rubel, rund 59 Mrd. Euro, was 2,6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Damit liegt das Defizit rund 1,9 Bio. Rubel, 20 Mrd. Euro, über der bisherigen Planung, die im Frühjahr noch ein Minus von 3,79 Bio. Rubel, 40 Mrd. Euro, oder 1,7% des BIP vorsah.
Der Grund für diese Ausweitung liegt nicht in zusätzlichen Ausgaben, sondern in gesunkenen Einnahmen. Während die Ausgabenseite unverändert bei 42,3 Bio. Rubel, 440 Mrd. Euro, bleibt, wurden die erwarteten Einnahmen um fast 2 Bio. Rubel nach unten korrigiert – von ursprünglich 38,5 Bio., 400 Mrd. Euro, auf 36,56 Bio. Rubel, 370 Mrd. Euro. Der Rückgang betrifft insbesondere die Mehrwertsteuer, deren Prognose um 1,19 Bio. Rubel, 12 Mrd. Euro, auf 14,52 Bio. Rubel, 150 Mrd. Euro, reduziert wurde. Der Anteil der Öl- und Gaseinnahmen an den Gesamterlösen steigt dagegen leicht auf rund 8,65 Bio. Rubel, 91 Mrd. Euro, was knapp 4% des BIP entspricht und rund 24% der gesamten Haushaltseinnahmen unfasst. Die Einnahmen außerhalb des Energiesektors schrumpfen auf 27,9 Bio. Rubel, 290 Mrd. Euro, 12,8% des BIP.
Zur Finanzierung des Defizits sollen vorrangig Inlandsanleihen herangezogen werden. Das Volumen des Nationalen Wohlfahrtsfonds (NWF) soll bis Ende 2025 leicht auf 13,64 Bio. Rubel, 140 Mrd. Euro, bzw. 6,3% des BIP steigen, vor allem dank Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport.
Die Staatsverschuldung Russlands erhöht sich 2025 um weitere 2 Bio. Rubel, 21 Mrd. Euro, auf 38,55 Bio. Rubel, rund 400 Mrd. Euro. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt bleibt die Verschuldungsquote moderat und liegt bei unter 20% des BIP.
Während der private Konsum in den Jahren 2023 und 2024 von hohen Löhnen, Investitionen und staatlichen Sozialausgaben getragen wurde, schwächt er sich nun spürbar ab. Das Finanzministerium rechnet für 2025 mit einem Anstieg der Reallöhne um nur 3,4%, halb so stark wie noch im Frühjahr erwartet (6,8%). Der private Verbrauch soll im gleichen Zeitraum um 3,8% steigen (vorher 6,2%). 2026 verlangsamt sich das Wachstum weiter auf 2,1%.
Russische und ausländische Stimmen zum Haushalt
Finanzminister Anton Siluanow erklärte bei der Vorstellung des Entwurfs, die Regierung halte an einer „realistischen und konservativen Planung“ fest. Trotz des höheren Defizits bleibe die Schuldentragfähigkeit gewährleistet. Die Ausgaben für Sozialpolitik, Infrastruktur und Verteidigung seien gesichert. Das Wirtschaftsministerium hofft darauf, dass sich das Wachstum der Haushaltseinnahmen ab 2026 wieder beschleunigen werde – unter anderem durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Analysten der Alfa-Bank schätzen, dass die expansive Ausgabenpolitik und das anhaltend hohe Defizit die Inflation anheizen könnten. In ihrem Septemberbericht heißt es: „Das Finanzministerium versucht, die Ausgabenentwicklung zu kontrollieren, doch das strukturell hohe Defizit von 5,7 Bio. Rubel bleibt bestehen.“
Zentralbank-Chefin Elwira Nabiullina bezeichnete den Haushaltsentwurf auf dem Internationalen Bankenforum in Sotschi hingegen als „disinflationär“. Zwar werde es durch die Mehrwertsteuererhöhung eine temporäre Preisreaktion geben, insgesamt stärke aber die Aussicht auf ein niedrigeres Defizit das Vertrauen in die Stabilität des Rubels. Ein ausgeglichener Haushalt sei, so Nabiullina, „besser für Zinsen, Investitionen und Kreditvergabe als steigende Staatsschulden“.
Auch internationale Beobachter analysieren den russischen Haushalt aufmerksam. Laut der britischen Nachrichtenagentur Reuters zeigt die neue Planung, dass Moskau seine Ausgaben stärker priorisiert, insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit. Gleichzeitig deute der geringere Einsatz des Nationalen Wohlfahrtsfonds auf die Absicht hin, langfristige Reserven zu schonen.
Nach Einschätzung der Bank of Finland (BOFIT) bleibt der russische Bundeshaushalt auch mittelfristig im Minus. Das Finanzministerium plane bis 2028 mit jährlich steigenden Ausgaben, während die Einnahmen nur moderat wachsen. BOFIT betont, dass der Spielraum für zusätzliche Sozialausgaben gering sei, da der Schwerpunkt klar auf Verteidigung und Infrastruktur liege. Insgesamt wertet das Institut die Finanzpolitik als „expansiv, aber kontrolliert“, getragen von höheren Öl- und Gaspreisen sowie anhaltender Binnenverschuldung. Ein ausgeglichener Haushalt wird nach aktueller Planung nicht vor 2028 erwartet.
Vom Boom zur Bremse: Russlands Haushaltsplan 2026
Für 2026 plant die Regierung Einnahmen von 40,28 Bio. Rubel, 420 Mrd. Euro, und Ausgaben von 44,07 Bio. Rubel, 460 Mrd. Euro. Das entspricht einem Defizit von rund 3,79 Bio. Rubel, 40 Mrd. Euro, etwa 1,6% des BIP. Nach der kräftigen Schuldenausweitung 2025 signalisiert der Plan für 2026 eine allmähliche Konsolidierung.
Makroökonomisch geht der Plan von einem Wachstum von etwa 1,3% in 2026 aus. Die Regierung erwartet einen Rückgang der Inflation in Richtung 4%, wobei der MwSt-Impuls als einmalig und kurzfristig eingeschätzt wird. Bei den Reallöhnen rechnet der Entwurf für 2026 mit einem Zuwachs um 2,4%, die Realeinkommen der Haushalte sollen um 2,1% zulegen – deutlich verhaltener als 2023 und 2024.
Militärausgaben sollen 2026 leicht sinken
Der russische Verteidigungshaushalt erreicht 2025 mit 13,5 Bio. Rubel, 141 Mrd. Euro, den höchsten Wert seit dem Ende der Sowjetunion. Für 2026 plant die Regierung dagegen laut den dem Parlament vorgelegten Entwurfsunterlagen einen leichten Rückgang auf rund 13 Bio. Rubel, 136 Mrd. Euro. Das entspricht einem Rückgang um rund 5 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr. Auch wenn dieser Rückgang moderat ausfällt, signalisiert er den Übergang von einer Phase massiver Ausgabensteigerungen zu einer Stabilisierung auf hohem Niveau.
Nach den veröffentlichten Zahlen soll die Gesamtsumme für „nationale Verteidigung“ im Jahr 2026 etwa 7% des BIP ausmachen. Einschließlich der Ausgaben für nationale Sicherheit und innere Ordnung (Polizei, Geheimdienste, Katastrophenschutz) belaufen sich die sogenannten „sicherheitsrelevanten Funktionen“ auf 16,8 Bio. Rubel, 176 Mrd. Euro. Damit bleibt der Anteil dieser Posten an den Gesamtausgaben hoch: rund 38% im Haushaltsplan 2026, nach einem Rekordwert von 41% im laufenden Jahr.
Die Mittelverwendung ist nur teilweise transparent. Nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur Reuters unterliegen 84% der Verteidigungsausgaben der Geheimhaltung, wodurch weder Struktur noch Zweck im Detail nachvollzogen werden können. Quellen aus dem Haushaltsausschuss der Duma betonen, dass die tatsächlichen Verteidigungsausgaben bei Bedarf „jederzeit erhöht“ werden können. Sollte die militärische Lage es erfordern, könne das Finanzministerium zusätzliche Mittel bereitstellen. Trotz der leichten Reduktion bleibt das Militärbudget auch 2026 das größte Einzelressort im russischen Haushalt.
2% mehr auf alles, außer Tiernahrung: Reaktionen auf die Mehrwertsteuererhöhung
Die für den 1. Januar 2026 vorgesehene und kürzlich verkündete Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20% auf 22% ist die markanteste steuerpolitische Maßnahme des neuen Haushaltszyklus. Sie soll rund 1,3 Bio. Rubel, 14 Mrd. Euro, an zusätzlichen Staatseinnahmen generieren, das entspricht etwa 0,6% des BIP. Der ermäßigte Satz von 10% bleibt für sozial bedeutsame Güter, Grundnahrungsmittel, Medikamente, Kinderartikel und auch Tiernahrung, bestehen. Letztmalig war die Mehrwertsteuer 2019 angehoben worden, damals von 18% auf 20%. Mit der geplanten Anhebung auf 22% reiht sich Russland ab 2026 in die Spitzengruppe europäischer Hochsteuerländer bei der Mehrwertsteuer ein. Damit liegt der Satz auf demselben Niveau wie in Italien, Slowenien und Estland – und nur knapp unter den Spitzenreitern Ungarn (27%) und Skandinavien (25–25,5%).
Das Finanzministerium begründet den Schritt mit dem Ziel, das Defizit ab 2026 zu reduzieren und die Einnahmenbasis breiter aufzustellen. Nach Schätzungen von ACRA Ratings, einer der führenden russischen Ratingagenturen für Staats- und Unternehmensanleihen, könnte die Steuerreform die Budgeteinnahmen um 0,5–0,6% des BIP erhöhen. Kurzfristig erwarten Ökonomen jedoch einen Inflationsimpuls: 2019 hatte die damalige Erhöhung die Preise um etwa 0,6% steigen lassen. Diesmal rechnen Analysten mit einem einmaligen Effekt von etwa 1%.
Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow betonte, die Preisreaktion werde sich „hauptsächlich im vierten Quartal 2025 und ersten Quartal 2026“ zeigen und danach abflauen. Die Zentralbank teilt diese Einschätzung. Elwira Nabiullina bezeichnete den neuen Haushaltsentwurf insgesamt als „disinflationär“: Zwar werde die Erhöhung kurzfristig spürbar sein, langfristig trage sie aber zur Haushaltsstabilität und Zinsentlastung bei.
Alexander Kalinin, Präsident des führenden Wirtschaftsverbands Opora Rossii (deutsch: „Stütze Russlands“), nannte die Erhöhung ein „schweres, aber logisches“ Mittel zur Defizitbegrenzung. Sein Stellvertreter Dmitri Pischalnikow wies darauf hin, dass die meisten Unternehmen ihre Preise um den Steuersatz erhöhen würden, was „zu einer Dämpfung der Nachfrage“ führe.
Vergleich mit Deutschland: Sozialquote halb so hoch, Verteidigungsquote doppelt so hoch
Während der russische Bundeshaushalt 2025 mit 430 Mrd. Euro und 2026 mit rund 450 Mrd. Euro geplant ist, belaufen sich die Ausgaben des deutschen Bundeshaushalts im laufenden auf 502,5 Mrd. Euro und 520 Mrd. Euro im kommenden Jahr. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt entspricht dies in Russland einem Ausgabenanteil von rund 18% des BIP, in Deutschland dagegen nur 12–13%. Russland gibt also einen deutlich höheren Anteil seiner Wirtschaftsleistung über den Staat aus.
Die Ausgabenstruktur unterscheidet sich stark. In Russland entfallen rund 30–40% des Etats auf Verteidigung und Sicherheit. In Deutschland liegt der Verteidigungsanteil 2025 bei rund 12%, entsprechend 62–65 Mrd. Euro. Damit ist die russische Verteidigungsquote mehr als doppelt so hoch. Umgekehrt zeigt sich bei den Sozialausgaben das gegenteilige Bild: Russland veranschlagt 2025 etwa 6,9 Bio. Rubel, rund 72 Mrd. Euro, was 16–17% des Haushalts entspricht, während Deutschland im gleichen Jahr etwa 180 Mrd. Euro für Renten, Familienförderung und Sozialhilfe bereitstellt – rund 37% des Bundeshaushalts.
Die Neuverschuldung bleibt in beiden Ländern moderat, gemessen am BIP aber vergleichbar. Russland kalkuliert für 2025 mit einem Defizit von 2,6% und für 2026 mit 1,6% des BIP. Deutschland rechnet im gleichen Zeitraum mit 1,8–2,0%. Absolut betrachtet ist die Neuverschuldung in Deutschland mit 82–90 Mrd. Euro jedoch höher, da die Wirtschaftsbasis in Euro gerechnet deutlich größer ist.