Fokusanalyse

Russische Kohleindustrie zwischen Exportboom und Rekordverlusten

2025-07-09 14:58
Analyse

Nach zwei Jahrzehnten des Booms befindet sich die russische Kohlebranche in einer Krise, die manche Beobachter schon mit dem Einbruch nach dem Ende der Sowjetunion vergleichen. Der Preisverfall bei der Kohle ist nur einer der Gründe für die Probleme der Unternehmen.

Weltspitze ohne Dominanz

Auf dem globalen Kohlemarkt ist Russland nicht so dominant wie bei Erdöl und Erdgas. Dennoch zählt das flächenmäßig größte Land der Welt mit einem Anteil von 6,9% an den weltweiten Reserven und 5% der Förderung zu den führenden Kohlenationen, bemerkt das russische Wirtschaftsmagazin Monocle, hinter dem das ehemalige Redaktionsteam des angesehenen Wirtschaftsmagazins Expert steht. Bei den Exporten liegt Russland vor den USA auf dem dritten Platz, hinter Indonesien und Australien. Das russische Energieministerium schätzt den russischen Marktanteil auf dem globalen Kohlemarkt auf 14,5%.

Förderung auf Rekordniveau

Die russische Kohleförderung befindet sich seit Jahren auf einem Rekordniveau. Mit Ausnahme des Pandemiejahrs 2020 bewegte sie sich seit 2018 stets zwischen 438 und 444 Mio. Tonnen pro Jahr, was über dem vormaligen Rekord aus Sowjetzeiten liegt. 1988 waren in der russischen Teilrepublik 425,4 Mio. Tonnen gefördert worden. Danach war die Förderung rasant bis auf 232 Mio. t im Jahr 1996 gefallen, wie Daten des staatlichen Informationsdiensts CDU TEK zeigen. Bis 2002 ging die Förderung weiter auf den Negativrekord von 220,2 Mio. Tonnen zurück. Seitdem hat sie sich also wieder mehr als verdoppelt.

Deutsche Unternehmen: Absturz nach den Boomjahren

An der Erholung der russischen Kohlebranche nach dem drastischen Einbruch im Jahrzehnt nach dem Ende der Sowjetunion waren auch deutsche Unternehmen beteiligt, insbesondere der Industrieriese ThyssenKrupp, aber auch der Bau- und Bergbaumaschinen-Hersteller Liebherr und der Leipziger Spezialist für Bergbauausrüstung Takraf.

Die ThyssenKrupp-Tochter ThyssenKrupp Industrial Solutions meldete beispielsweise im August 2019, dass sie einen der wichtigsten russischen Häfen für den Kohleexport innerhalb von zwei Jahren mit einem neuen System für den Warenumschlag ausstatten wollte. Der später von ThyssenKrupp übernommene Dortmunder Anlagenbauer Uhde feierte 2003 sogar das 50. Jubiläum seiner russischen Tochtergesellschaft. Das Traditionsunternehmen stattet vorwiegend Fabriken der Chemieindustrie aus, in Russland war es nach eigenen Angaben im Bereich Koksöfen zumindest beratend tätig. 2022 zog sich ThyssenKrupp aus Russland zurück.

Großmuldenkipper aus Schwaben
Die Firmengruppe Liebherr des schwäbischen Familienunternehmens war seit 1965 in der Sowjetunion und später auch in Russland tätig. Für das Unternehmen zählte Russland bis 2022 zu den TOP-10 größten Absatzmärkten außerhalb der Europäischen Union. Dabei war die russische Kohleindustrie ein wesentlicher Abnehmer von Liebherr-Geräten: Aus Frankreich, Österreich und Deutschland stammende Maschinen wurden landesweit beim Abbau, Transport und Weiterverladung von Kohle eingesetzt. Grundlage für die Marktpräsenz von Liebherr war eine Kombination aus zuverlässiger europäischer Technik und gezielten Investitionen in lokale Lager- und Reparaturzentren in den führenden Kohleregionen Russlands – vor allem im Kemerowo-Gebiet (Sibirien), in Jakutien (Fernost) und auf der Insel Sachalin. Das Vertrauen russischer Kunden sicherte Liebherr dank einem breit aufgestelltes Service-Netzwerk, das direkt vor Ort und ohne Zwischenhändler betrieben wurde. Generell arbeiten Liebherr-Geräte auch heute in jedem bedeutenden Kohletagebau in Russland.

Schaufelradbagger aus Ostdeutschland
Wie seine westdeutsche Konkurrenz von Liebherr war auch Takraf bereits in der Sowjetunion aktiv. Noch vor deren Ende installierte der Leipziger Ausrüster einen Riesen-Schaufelradbagger im Braunkohle-Tagebau Nazarowskij in der Region Krasnojarsk. Der Takraf Schaufelradbagger SRs(K)-4000 nahm im Januar 1990 seinen Betrieb auf und ist bis heute der erste und einzige seiner Art in Russland. Im August 2021 meldete sein Betreiber, der größte russische Kohleproduzent SUEK, einen neuen Produktionsrekord des „Giganten“, wie der Konzern schrieb. Die fast 10.000 Tonnen schwere Maschine hatte im Vormonat 1,236 Mio. Kubikmeter Gestein abgeräumt und damit ihre eigene, sechs Jahre alte Bestmarke um 5000 Kubikmeter übertroffen.

Außerdem stattete Takraf russische Häfen und Terminals für den Kohleexport aus. So rüstete es im Jahr 2007 den Kohle-Exporthafen Wanino in der fernöstlichen Region Chabarowsk mit einem Schiffsbelader und das Kohle-Terminal am Hafen Ust-Luga nahe St. Petersburg im Jahr 2010 mit einem Stapelgerät aus. Seit 2022 hat das Unternehmen, das seit 2007 zum italienischen Anlagenbauer für den Bergbau Tenova gehört, keine Meldungen zu Russland veröffentlicht. In der aktuellen Imagebroschüre, die Takraf auch auf Russisch anbietet, wird Russland nicht mehr erwähnt.

Russland unter Top-Exporteuren

Im internationalen Vergleich ist Russland der drittgrößte Exporteur von Kohle mit 196 Mio. Tonnen im vergangenen Jahr. Mengenmäßig liegt Indonesien vorn, das im Jahr 2023 laut der Internationalen Energieagentur (IEA) 521 Mio. Tonnen exportierte. Es folgt Australien mit 353 Mio. Tonnen. Während die Indonesier fast nur sogenannte Energiekohle ausführen, ist das Verhältnis dieser Kraftwerkskohle zur teureren metallurgischen Kohle bei den Australiern in etwa ausgeglichen. Daher liegt Australien nach dem Wert der Exporte weit vor seinen beiden größten Konkurrenten Indonesien und Russland. Der kanadische Handelsexperte Daniel Workman schätzt auf seiner Plattform World's Top Exports den Wert der Ausfuhren anhand von öffentlich zugänglicher Handelsdaten auf 55,9 Mrd. Dollar im Jahr 2024. Indonesien kam auf 30,5 Mrd. Dollar, Russland auf 21,8 Mrd.

Russland exportiert überwiegend Energiekohle. 2022 machte sie 79% der Exporte aus, wie eine Studie des Beratungsunternehmens Yakov & Partners, das aus dem Russlandgeschäft von McKinsey hervorging, ergab. Auf die deutlich teurere metallurgische bzw. Kokskohle für die Stahlproduktion entfielen 21%.
Exporte immer wichtiger
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Export für die russische Kohlebranche immer wichtiger geworden, während der heimische Markt an Bedeutung einbüßte. 2001 verkauften russische Produzenten 208 Mio. Tonnen Kohle auf dem Inlandsmarkt und 41,5 Mio. Tonnen im Ausland. 2017 übertrafen die Exporte mit 186 Mio. Tonnen erstmals die Lieferungen an heimische Verbraucher, die damals bei 171 Mio. Tonnen lagen. Seit 1991 haben sich die Exporte um das Elffache erhöht, während sich der heimische Kohleverbrauch halbierte. Im vergangenen Jahr standen nach Angaben der Regierung Inlandsverkäufe von 178 Mio. Tonnen Exporten von 196 Mio. Tonnen Kohle gegenüber. Die gesamte Förderung betrug 443,5 Mio. Tonnen. Ein Teil der geförderten Kohle wird von den Produzenten selbst verbraucht, was die Statistik nicht erfasst.

Exporte wieder rückläufig
2024 sind die russischen Exporte von Kohle erstmals seit 2019 wieder unter die Marke von 200 Mio. Tonnen gefallen, auf 196 Mio. Tonnen. Das Verhältnis der Exporte zur Förderung entspricht jedoch mit 44% wieder genau dem der Jahre 2018 und 2019, der Blütezeit der russischen Kohleindustrie. Im laufenden Jahr hat sich der Rückgang bisher nicht fortgesetzt. Laut dem staatlichen russischen Zentrum für Preisindizes (ZZI) beliefen sich die Exporte in den ersten fünf Monaten 2025 auf 81,3 Mio. Tonnen Kohle, was eine Steigerung zum Vorjahreszeitraum um 1% bedeutet.

China größter Abnehmer
Seit der Umlenkung der russischen Warenströme nach Osten exportiert Russland die Hälfte seiner Kohle nach China. 2021 hatte der chinesische Anteil bei einem Volumen von 56,7 Mio. Tonnen noch bei 25,4% gelegen, 2022 stieg er auf 31%, wie sich aus den russischen Exportdaten und Angaben des chinesischen Zolls ergibt. 2023 waren es schon 48,2% und 2024 dann 48,5%. Im März dieses Jahres lieferte Russland 8,6 von insgesamt 16 Mio. Tonnen Exportkohle nach China, belegen Daten von ZZI, dem russischen Zentrum für Preisindizes. Die nächstgrößten Kunden waren die Türkei und Indien mit 1,3 und 1,0 Mio. Tonnen. Auf Japan und Südkorea entfielen zusammen 1,5 Mio. Tonnen.
EU verbietet Importe
Die russischen Kohleexporte in die Europäische Union (EU) hatten 2018 mit 61 Mio. Tonnen ihr Maximum erreicht, teilte die EU mit, nachdem sie 2022 Sanktionen gegen russische Kohle erlassen hatte. 2021 lieferte Russland laut dem russischen Energieministerium noch knapp 49 Mio. Tonnen Kohle an EU-Länder. Nach Einschätzung der MoskauerInvestmentfirma BCS Global Markets deckte die EU im Vorkrisenjahr mit den Importen aus Russland 70% ihres Bedarfs an Energiekohle. Bis zum Inkrafttreten des Importverbots im August 2022 hatte die EU nach eigenen Angaben in jenem Jahr noch 27 Mio. Tonnen Kohle aus Russland bezogen.

Die EU zählte bis 2022 zu den bedeutendsten Abnehmern russischer Energie-Kohle, während die russische Kohlebranche maßgeblich auf westliche Technologie und Ausrüstung setzte. Trotz ihrer offiziellen Unterstützung westlicher Sanktionen importieren Südkorea und Japan im Blick auf ihre nationalen Wirtschaftsinteressen weiterhin russische Kohle im großen Umfang.

Bedeutung der Branche gesunken

Trotz der Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte hat Kohle nicht mehr den Stellenwert, den sie zu Sowjetzeiten noch für Wirtschaft und Politik innehatte, bemerkt der stellvertretende Aufsichtsratschef der russischen Investmentfirma Nadjoschnij partnjor, Dmitrij Gussjew. In ihrer Blütezeit in den 1930er-Jahren war sie die Energiequelle für die Industrialisierung der Sowjetwirtschaft. Die Kohlebranche beschäftigte damals mehr als 3 Mio. Menschen und ernährte in ihren Familien mehr als 10 Mio. Menschen, führt Gussjew aus. Dennoch bleibt die Kohleindustrie ein wesentlicher Faktor, nicht zuletzt sozial.

Heute sind laut der Statistikbehörde Rosstat rund 150.000 Menschen direkt in der Kohleindustrie und 500.000 in verwandten Branchen beschäftigt. Um die 172 großen Unternehmen der Kohlebranche hatten sich zu Sowjetzeiten 29 sogenannte Monostädte gebildet, in denen 2022 mehr als 1,5 Mio. Menschen lebten. Etwa die Hälfte der russischen Förderung geschieht im Kusbass, dem Kusnezker Becken, in der sibirischen Region Kemerowo. Der mit Abstand größte Produzent ist SUEK, das dem russischen Milliardär Andrej Melnitschenko und seiner Familie gehört. Im vergangenen Jahr entfielen beinahe ein Fünftel der russischen Produktion und Exporte auf SUEK, wie sich aus Angaben des Unternehmens ergibt. Mit 74.800 Mitarbeitern lag es 2023 auf dem 22. Platz unter den größten Arbeitgebern Russlands.

Im vergangenen Jahr erzielte die Branche laut Rosstat einen Umsatz von 1,8 Bio. Rubel, umgerechnet knapp 20 Mrd. Euro. Gegenüber 2023 bedeutete das einen Rückgang um 19%, womit der Anteil an der gesamten russischen Wirtschaftsleitung unter 1% gefallen ist. Berücksichtigt man die staatlichen Subventionen, fällt der Beitrag der Kohlebranche zur russischen Wirtschaft noch bescheidener aus. Gussjew rechnet vor, dass sich allein die Zuschüsse für die Bahntransporte von Kohle in den Jahren 2006 bis 2022 auf 2,4 Bio. Rubel summierten, aktuell 26 Mrd. Euro. 95% davon seien auf Exporte entfallen, so der Experte. Im gleichen Zeitraum habe die Branche rund 2,8 Bio. Rubel (30,4 Mrd. Euro) an Steuern gezahlt.

Kohleproduzenten schreiben rote Zahlen

Schon im vergangenen Jahr schrieb eine Mehrheit der russischen Kohleunternehmen rote Zahlen. Laut der Statistikbehörde Rosstat lag der Anteil bei 53% und damit so hoch wie in keiner anderen Branche, mit Ausnahme der Fernwärmeversorger (56,9%). Die Verluste der nicht profitablen Unternehmen übertrafen laut Rosstat die Gewinne der übrigen um 113 Mrd. Rubel (1,2 Mrd. Euro). Das letzte Mal war das Saldo im Pandemiejahr 2020 negativ, in dem sich das Minus auf 38 Mrd. Rubel belief. 2023 lag die Branche mit 375 Mrd. Rubel im Plus, umgerechnet 4 Mrd. Euro.

Einer der defizitären Kohleproduzenten ist das Unternehmen Juschnij Kusbass, das zum Bergbaukonzern Mechel gehört. Im vergangenen Jahr ging sein Umsatz um 14,4% auf 37,85 Mrd. Rubel (411 Mio. Euro) zurück. Nach einem Gewinn von 1,26 Mrd. Rubel (13,4 Mio. Euro) im Vorjahr verzeichnete es einen Verlust von 19,8 Mrd. Rubel (215 Mio. Euro). 2022 hatte es noch bei einem Umsatz von 58 Mrd. Rubel (aktuell 629,5 Mio. Euro) einen Gewinn in Höhe von 12 Mrd. Rubel (130 Mio. Euro) eingefahren.
Im laufenden Jahr beliefen sich die saldierten Verluste der russischen Kohleunternehmen allein im 1. Quartal schon auf fast 80 Mrd. Rubel (0,9 Mrd. Euro), womit der bisherige Tiefstwert aus dem Pandemiejahr 2020 übertroffen wurde. Damals hatten die Kohleunternehmen einen saldierten Verlust von 45 Mrd. Rubel eingefahren. Der Anteil der defizitären Unternehmen erhöhte sich auf 62%.

Das Energieministerium warnte Ende März, dass 27 Unternehmen der Branche kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stünden. Zusammen förderten sie 40 Mio. Tonnen Kohle, was beinahe einem Zehntel der gesamten russischen Förderung entspricht. In einer finanziellen Schieflage befanden sich dem Ministerium zufolge sogar insgesamt 62 Unternehmen, deren Verluste größer als der branchenweite Durchschnitt seien.

Warnung vor epochaler Krise
Die russische Kohleindustrie durchlebe ihre zweite große Krise nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, erklärte Ende Juni die auf Energieanalyse spezialisierte Unternehmensberatung CREON Group. Anfang der Neunzigerjahre ließ der Übergang zur Marktwirtschaft die Binnennachfrage und die heimische Förderung einbrechen. Die damaligen Strukturreformen hätten heute ihr Wachstumspotenzial ausgeschöpft, urteilt das in Moskau ansässige Unternehmen, das auf die Energiebranche spezialisiert ist. Die Ursache dafür sieht es unter anderem in einem nachhaltig sinkenden Kohlebedarf in China und anderen asiatischen Ländern.

Von der schwersten Krise seit den Neunzigerjahren spricht auch der Kohleproduzent Russkij ugol. Das private Unternehmen, das 2021 rund 15 Mio. Tonnen Kohle förderte, hatte 2022 wohl als einziger großer russischer Produzent massive Verluste eingefahren. In der Absicht, das Auf und Ab am Markt zu stabilisieren, hatte es an der Börse auf fallende Kohlepreise gewettet, bevor die Preise in die Höhe schossen. Mit 34 Mrd. Rubel Verlust (370 Mio. Euro) landete es auf dem siebten Platz der Forbes-Liste der russischen Unternehmen mit dem größten Jahresverlust. Heute warnt der CEO Wladimir Korotin vor dem Verlust tausender Arbeitsplätze insbesondere in Sibirien und ruft nach staatlichen Hilfen.

Ursachen der Krise

Als wichtigster Grund für die Krise gilt neben der schwachen Nachfrage im In- und Ausland der gesunkene Kohlepreis. Die russischen Produzenten werden durch weitere Faktoren belastet, zu denen gestiegene Logistikkosten und der starke Rubel gehören.

Die Weltmarktpreise für Kohle sind in den vergangenen Jahren stark gefallen. Wie die Weltbank berichtet, kostete eine Tonne australische Kohle im Jahr 2022 durchschnittlich 345 Dollar. 2023 und 2024 waren es 173 und 136 Dollar, in diesem Mai bereits 104,4 Dollar. Dabei liegen die Preise nach wie vor über dem Niveau, das vor 2022 üblich war. Von 2010 bis 2021 lag der Preis für australische Kohle im Schnitt bei 89,1 Dollar.

Mit der australischen Kohle vergleichbare russische Energiekohle mit einem Heizwert von 6000 Kilokalorien (kcal) pro Kilogramm kostete Anfang 2023 nach Angaben des staatlichen russischen Zentrums für Preisindizes (ZZI) 135 Dollar. Ein Jahr später waren es 101 Dollar und Anfang 2025 nur noch 87 Dollar pro Tonne. Der Preis für die im russischen Export dominierende Sorte mit 5500 kcal lag im Januar bei 79 Dollar.

Im laufenden Jahr hat sich der Preisverfall noch beschleunigt, wie eine Studie des russischen Branchendiensts NEFT Research ergab. Im Mai kostete eine Tonne russischer Kohle am fernöstlichen Hafen Wostotschnyi, von dem die Frachter nach China aufbrechen, 63,5 Dollar. Das waren 20% weniger als zu Jahresbeginn und 31% unter dem Vorjahresniveau.

Exporte nicht mehr rentabel
Bei den aktuellen Preisen sind die Kohleexporte für die russischen Produzenten ein Verlustgeschäft. Laut dem Beratungsunternehmen TeDo, das einstige PriceWaterhouseCoppers (PwC) in Russland, waren bereits im 1. Quartal 80% sämtlicher russischer Exporte einschließlich der Kokskohle nicht rentabel. Laut ZZI fiel das sogenannte Netback der russischen Kohleexporte im März ins Minus. Mit Netback sind die Nettoerlöse abzüglich der Förder- und Transportkosten gemeint. Im März 2023 lagen sie bei knapp 4000 Rubel pro Tonne (44 Euro), der niedrigste Wert der vergangenen Jahre waren 1090 Rubel (12 Euro) im April 2024. Bis November 2024 stiegen die Nettoerlöse wieder auf knapp 2900 Rubel (32 Euro), doch seitdem sind sie auf rund minus 300 Rubel gefallen. Das bedeutet, dass die Exporteure mit jeder ins Ausland verkauften Tonne umgerechnet mehr als 3 Euro Verlust machen.

Starker Rubel und teure Logistik
Die Erträge der russischen Exporteure werden durch den starken Rubel zusätzlich geschmälert. So kostete ein Dollar in den Jahren 2023 und 2024 durchschnittlich 85,2 und 92,5 Rubel, im Mai 2025 waren es 80,2 Rubel. In der russischen Währung fällt der Rückgang der Kohlepreise daher noch stärker aus. Ein weiterer Faktor sind die steigenden Logistikkosten und insbesondere die Bahntarife, die im vergangenen Dezember um 13,8% angehoben wurden. Gleichzeitig hat die Staatsbahn RZD den Rabatt auf Kohletransporte in den Fernen Osten gestrichen. Laut NEFT Research erreichte der Anteil der Logistikkosten am Endverkaufspreis der Kohle Ende 2024 das Rekordniveau von 79 bis 83%.

Sanktionen und fehlende Rücklagen
Nicht nur die fallenden Kohlepreise und steigenden Kosten belasten die Branche. Das Energieministerium schätzte im Frühjahr die Einbußen infolge der westlichen Sanktionen seit 2022 auf bisher 1,26 Bio. Rubel (13,7 Mrd. Euro). Weitere 826 Mrd. Rubel (9 Mrd. Euro) hätten die Unternehmen aufgrund von gestiegenen Gebühren und Steuern in Russland zusätzlich aufbringen müssen, so das Ministerium. In den Jahren 2021 bis 2023 hatte die Branche noch unter dem Strich insgesamt fast zwei Bio. Rubel Gewinn gemacht, umgerechnet etwa 21,5 Mrd. Euro. Da der Staat einen großen Teil davon abschöpfte, konnte die Branche in den „fetten Jahren“ nicht in dem Ausmaß Rücklagen bilden, wie es im zyklischen Kohlegeschäft bisher üblich war, erklärt der stellvertretende Leiter des Wirtschafts-Thinktanks IPEM Alexander Grigorjew.

Regierung schnürt Hilfspaket

Ende Mai verabschiedete die russische Regierung ein Hilfspaket zur Unterstützung der Kohlebranche. Zu den Maßnahmen gehören Aufschübe für die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben sowie die Unterstützung einzelner Unternehmen etwa durch Zuschüsse bei den Transportkosten.

Neben solchen kurzfristigen Maßnahmen wäre ein neuer Strukturwandel nötig, meint der Branchenberater CREON. Der Schwerpunkt der Kohleproduktion müsse in den Fernen Osten und die Arktis verlegt werden, zudem müsste der Anteil der höherwertigen metallurgischen Kohle steigen, lauten einige der Vorschläge der Analysten. Auch das Wirtschaftsmagazin Monocle sieht die Notwendigkeit, das Problem der hohen Transportkosten und der überlasteten Zugtrassen strukturell anzugehen. Eine Lösung wäre die Verstromung der Kohle direkt am Förderort, schreibt das Blatt. Für den anschließenden Transport und Export des Kohlestroms bräuchte es aber Stromtrassen, die, wie die Schienenwege, erst noch gebaut werden müssten.